Was ich am liebsten trage

Jennifer Rashid Mkami, 54, arbeitet mit ihrem Mann auf einer kleinen Farm.
Kleidungsstile
Für manche ist ein modisches Outfit wichtig, für andere muss es vor allem adrett sein und dem Anlass entsprechen, oder aber die eigene Identität ausdrücken. Drei Menschen aus Tansania, Südafrika und Peru berichten, warum sie welche Kleidung am liebsten tragen.

„Ich muss mich vor Gott anständig kleiden“

Mit meinem Mann und meinen Kindern, einem Jungen und einem Mädchen, wohne ich im Dorf Mkundi im Bezirk Morogoro in Tansania. Unter der Woche arbeite ich mit meinem Mann auf unserer kleinen Farm, wo ich verschiedenes Gemüse wie Mais, Erbsen, Spinat und Maniok anbaue. Sonntags trage ich gerne schöne Kleider wie dieses, weil ich dann viele Leute treffe. Dafür möchte ich schick aussehen. Außerdem gehe ich in die Kirche, also muss ich mich vor Gott und meinen Mitgläubigen anständig kleiden. 

Mode bedeutet vor allem für die Jugend und die Stadtbewohner viel, weil sie Geschmack und Haltung ausdrückt. Für Frauen in der Stadt ist Mode wichtig, damit sie attraktiv aussehen. Sie müssen von Zeit zu Zeit in verschiedenen Kleidern erscheinen, um ihren Charme zu bewahren und weiter für Männer reizvoll zu erscheinen. Aber für uns in den ländlichen Gebieten ist das nicht so wichtig. Man muss sich nur anständig kleiden. Die Botschaft, die ich der Öffentlichkeit vermitteln möchte, ist, dass Sonntage etwas Besonderes sind und wir uns deswegen anders kleiden müssen als an Wochentagen. Es ist ein besonderer Tag, also müssen wir an Körper und Seele sauber und adrett sein. Schließlich treten wir vor Gott auf und treffen viele Menschen. Wir müssen auch Kleidung tragen, die unseren Körper gut bedeckt, und nicht zu knappe Kleider. 

Ein persönlicher Stil ist mir nicht wichtig. Aber ich finde, Frauen sollten anständige Kleidung tragen, die ihren Charakter und ihre Erziehung widerspiegelt. Ich lasse mich nicht von Modetrends beeinflussen. Meine Entscheidung, welche Kleidung ich trage, richtet sich nach den religiösen Anforderungen und danach, wie ich erzogen wurde. Aber ich würde sagen, wenn es um Mode geht, sollten Frauen nicht jeden Trend mitmachen; sie sollten Kleidung tragen, die sie sich leicht leisten können und die in der Öffentlichkeit Respekt verdient.

Aufgezeichnet von Deodatus Mfugale.

„Manchmal fühle ich mich durch den Anzug wie ein anderer Mensch“

Thabiso Difeto (36) ist Chauffeur in der südafrikanischen Hauptstadt Pretoria.

Neun Anzüge habe ich insgesamt, aber diesen hier trage ich am liebsten. Ich mag ihn, weil er sich gut anfühlt und mir einfach steht. Ich liebe die Farbe, das heißt eigentlich: die vielen verschiedenen Farbnuancen, er ist nicht alltäglich. 

Meine Anzüge kaufe ich sowohl in den großen Shopping Malls als auch bei einem Schneider in meinem Viertel. Manchmal kommt es vor, dass ich einen Anzug kaufe und erst später merke, dass mir daran etwas nicht gefällt. Dann schneidert er ihn für mich zurecht. Drei oder vier meiner Anzüge hat mir mein Dienstgeber gekauft, die übrigen habe ich selbst bezahlt. In jedem Fall suche ich mir meine Anzüge immer selbst aus; mir gefällt es, dass ich dabei freie Hand habe. Der perfekte Anzug ist der, in dem du dich wohlfühlst. Du musst darin laufen können und es darf nicht kneifen, wenn du die Arme hebst. 

Wenn ich Anzug trage, fühle ich mich besonders. Man spricht mich mit „Sir“ an, ich werde respektiert. Einer meiner Nachbarn ruft regelmäßig scherzhaft „Da kommt der Präsident!“, wenn er mich sieht. Manchmal fühle ich mich dadurch wie ein anderer Mensch – aber nicht auf arrogante Weise, denn in dem Anzug steckt immer noch dieselbe Person. 

Zu besonderen Anlässen trage ich auch in meiner Freizeit Anzug, im Alltag eher nicht. Ich brauche auch Abstand, um durchatmen zu können. Dann trage ich Skinny-Jeans, T-Shirt und Sneakers, und auf traditionellen Hochzeiten auch schon mal die Tracht meiner Volksgruppe, der Tswana – ein sehr buntes Hemd. Es ist wichtig, einen persönlichen Stil zu haben. Ein gutes Kleidungsstück sollte bequem sein und dich unverwechselbar machen.

Aufgezeichnet von Markus Schönherr.

„Heute habe ich meinen eigenen Stil gefunden“

Jesse (offiziell Jessica) Vilela (43) arbeitet in Lima, Peru, als Schifffahrtssachverständiger und Übersetzer.

Geboren bin ich als Jessica, aber so weit ich zurückdenken kann, wollte ich ein Junge sein. In Peru müssen Mädchen einen Rock als Schuluniform tragen. Das war für mich eine Tortur. Meine Eltern haben mir verboten, die Haare zu schneiden. Mit 15 habe ich mich darüber hinweggesetzt, ließ meine Haare schneiden und kaufte meine Kleidung in der Männerabteilung. Mit 20 schloss ich mich der peruanischen Homosexuellen-Bewegung an und lernte erstmals Personen kenne, die so waren wie ich. Es war nicht einfach, als offen lebender Transmann einen Job zu bekommen, doch durch Zufall kam ich zu einer Schifffahrts-Versicherung. Heute arbeite ich selbstständig und prüfe für Versicherungen Schäden an Schiffen. Zudem habe ich mich zum Dolmetscher und Übersetzer ausbilden lassen und studiere nebenbei Jura im 8. Semester. 

Meine Kleidung ist mir wichtig, denn damit drücke ich aus, wer ich sein will. So lange musste ich darauf warten, bis ich mich kleiden konnte, wie ich wollte. Heute habe ich meinen Stil gefunden. Mir gefallen dunkle Farben, selbst im Sommer trage ich schwarz. Dazu schwarze Stiefel, kurze gepflegte Haare. Manchmal trage ich eine marineblaue Krawatte auf meinem schwarzen Hemd. Ich kleide mich gerne formell und seriös. So möchte ich auch wahrgenommen werden. Da ich nur 1,58 Meter groß bin, lasse ich Kleidung, die mir zu groß ist, in einer Schneiderei ändern. 

Ich nenne mich heute Jesse, in meinem Pass steht aber immer noch Jessica. Eine offizielle Geschlechtsänderung ist in Peru sehr teuer und aufwendig. Inzwischen sehe ich es sogar als Vorteil, dass ich in meinen Dokumenten weiter als Frau figuriere. Der Kontrast zwischen meiner Erscheinung und meinem offiziellen Namen erregt produktive Fragen und Neugier und schafft mehr Akzeptanz für uns Transmenschen. 

Aufgezeichnet von Hildegard Willer.

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