Seine Liebe für Mode begann, als er noch ein Teenager war. Der nigerianische Designer Ibrahim Lawal war fasziniert von den Stickereien auf den Kleidern einiger Modeschöpfer, die ganz in seiner Nähe in Lagos lebten. Damals, in den frühen 1990er Jahren, erfreute sich das US-amerikanische Basketballteam „Chicago Bulls“ weltweit großer Beliebtheit – auch in Nigeria. „Jeans, auf denen ihr Logo, der rote Kopf eines Bullen, aufgenäht war, waren total angesagt“, erinnert sich der heute 43-Jährige. Lawal kreierte kurzerhand ein Bullenlogo und nähte es auf Jeans. Diese verkaufte er dann an Kunsthandwerker, Fans von Hip-Hop-Musik – und Metzger. Vor allen bei denen waren diese Jeans sehr beliebt. „Metzger in ganz Lagos mochten den von mir entworfenen Stierkopf, weil sie ihn als Markenzeichen ihres Berufs betrachteten“, sagt er.
Zu dieser Zeit war Modedesign für Lawal nur ein Hobby, inzwischen ist es sein Beruf. Obwohl er von westlicher Mode inspiriert wurde, entschied er, sich mehr auf afrozentrische Mode zu konzentrieren, beziehungsweise beide Formen miteinander zu verbinden. So mischt Lawal traditionelle Materialien wie Adire, ein in Indigoblau gefärbter Stoff, und Aso Oke, ein handgewebter Stoff, die beide von seiner ethnischen Gruppe der Yoruba hergestellt werden, zum Beispiel mit Jeansstoff. Daraus entwirft er dann westliche Designs wie Hemden, Hosen, Pantalons, Kleider, Röcke, Blusen, Strandkleider, Hochzeitskleider, Firmen- und Sportkleidung oder auch Kopfbedeckungen. In seinen afrozentrischen Modeentwürfen verwendet er auch traditionelle afrikanische Motive wie Masken.
Wie auch Lawal zielen viele nigerianische Designer mit ihrer Mode eher auf die Jugend ab, denn sie macht den Großteil der Bevölkerung aus. „Die Kombination von westlichen und afrikanischen Designs wird von der modernen, modischen Jugend mehr geschätzt als von den Alten“, sagt er. Aber auch junge Leute in Lagos waren anfangs skeptisch: Am Anfang verstanden viele nicht, was Lawal vorhatte. „Einige Leute meinten, die Kleider sähen aus wie solche für Maskeraden, sie hielten mich für unseriös“, erinnert er sich. Doch seit den 1990er Jahren hat die Mischung aus afrikanischer und westlicher Mode in Nigeria eine größere Akzeptanz erreicht.
Mix der Kulturen, modern präsentiert
Auch die senegalesische Designerin Rama Diaw brauchte viel Durchhaltevermögen, um sich mit ihrer Mode über den Senegal hinaus einen Namen zu machen. Sie will „den Leuten überall auf der Welt zeigen, wie wir Senegalesen sind“, und „den Mix der Kulturen in einer modernen Art“ präsentieren, sagt sie beim Interview am Rande des „Africa Festivals“ in Würzburg. Dass sie sich selbst als eine „Art Brücke zwischen Afrika und Europa“ sieht, merkt man ihren Kollektionen an. Denn darin verschmelzen traditionelle, afrikanische Stoffe mit Batikmuster mit modernen, klassischen Schnitten. So gibt es zum Beispiel in einer ihrer Kollektionen ein elegantes schwarzes Etuikleid, in das vorne ein bunter afrikanischer Stoff eingearbeitet ist, und einen eng geschnittenen Overall, der durch sein plakatives, blaues Muster auffällt.
Auch Diaws Designs kamen nicht bei allen gut an: „Als ich vor 14 Jahren angefangen habe, war es wirklich hart“, erinnert sich die 45-Jährige. Zunächst habe sie im Senegal keine Kunden gefunden: „Die Senegalesinnen sagten mir, meine Mode sei zu modern für sie. Zwar waren die Stoffe traditionell, aber der Schnitt schien ihnen zu modern.“ Für die Europäerinnen hingegen war die Designerin eine Avantgardistin. „Sie fanden meine Mode toll, fanden aber, es sei zu viel Farbe drin, zu afrikanisch.“ So stand Diaw mit ihrer Mode zwischen den beiden Welten. „Das hat mich schon verunsichert, aber ich habe mich nicht unterkriegen lassen und einfach weitergemacht.“
Stoffe von der Elfenbeinküste und aus Guinea
Inzwischen hat die Designerin die schwierige Anfangszeit überwunden und schafft mit ihrer Arbeit sogar selbst Jobs, vor allem für Frauen im Senegal. In der Gemeinde Gandiol hat Diaw verschiedene Projekte ins Leben gerufen. „Ich bringe den Frauen das Nähen bei und auch, wie sie kreativ sein und zum Beispiel selbst Accessoires machen können“, sagt sie. Bei der Stoffherstellung beteiligt sie Frauen aus verschiedenen Ländern. So kommen die Stoffe für die Kollektion „Africa Chic“ von der Elfenbeinküste, die Stoffe für die Kollektion „Indigo“ aus Guinea. „Die Frauen von dort verarbeiten, färben und bedrucken die Stoffe selbst. Es ist alles handgemacht.“ Diaw bedauert, dass im Senegal selbst keine Stoffe hergestellt werden, obwohl die Nachfrage da sei. Mode könne viele Jobs schaffen, das müsste die Regierung erkennen, fordert sie.
Wie Diaw arbeitet auch der nigerianische Designer Ibrahim Lawal inzwischen Vollzeit in seinem eigenen Geschäft „Agbara Asa Dreamy Designs“ in Lagos. In seinem Studio färben 15 Mitarbeiter (die meisten von ihnen Yoruba) die Stoffe, weben und bemalen sie und nähen daraus Kleidungsstücke. Darüber hinaus präsentiert und verkauft er Kleidung und Stoffe bei Kulturveranstaltungen, wo zum Teil auch die dort Beschäftigen von ihm designte Kleidung tragen, sowie in- und ausländischen Ausstellungen. Viele davon würden nicht nur von Nigerianern, sondern auch von Ausländern, darunter Diplomaten und Touristen, besucht. „Teilnehmer aus der ganzen Welt entdecken meine Arbeiten während dieser Veranstaltungen und einige von ihnen kaufen bis zu 20 Kleidungsstücke, um sie als Geschenk mit nach Hause zu nehmen“, erzählt er.
Modedesign als machtvoller kultureller Export
Autoren
Doch die afrikanischen Designer haben auch mit Schwierigkeiten zu kämpfen: Eines der Hauptprobleme für nigerianische Designer sei der Zustrom billiger importierter Kleidung aus China, sagt Ibrahim Lawal. „Sie kommen in unsere Ateliers und stehlen unsere Entwürfe. Dann werden die Kleider in China in Massen produziert, um sie anschließend in Nigeria zu verkaufen.“ Weil viele Menschen arm seien, kauften sie billige chinesische Produkte, ohne zu prüfen, ob die Qualität genauso gut ist wie die der in Nigeria hergestellten Kleidung. Viel dagegen tun kann er nicht, es sei vor allem Aufgabe der Regierung die Plagiate der Chinesen zu stoppen.
Seine Kollegin aus dem Senegal hält die Altkleider, die tonnenweise aus Europa nach Afrika verschifft werden, für ein großes Problem. Nicht nur wegen des Mülls, sondern auch, weil sie spürbare Auswirkungen auf die Modebranche vor Ort haben. „Ich habe zum Beispiel nicht genug afrikanische, senegalesische Kunden. Denn die Altkleider werden so günstig verkauft, dass die Kunden lieber diese kaufen – obwohl meine Kleidung gar nicht so teuer ist“, sagt Rama Diaw. Nach eigenen Angaben kosten die Altkleider zwischen 2 und 4 Euro, Rama Diaws Kleidungsstücke gibt es ab 15 Euro. Für eine ihrer letzten Kollektionen hat sie das Beste daraus gemacht und aus Altkleidern neue Kleidungsstücke gefertigt. „Ich versuche auch immer, aus übrig gebliebenen Stoffresten noch Accessoires wie Taschen oder Gürtel zu machen. Ich denke, die Zukunft ist Slow Fashion.“
Von Altkleidern zu Alltagsgegenständen und modischen Accessoires
Wie man Altkleider nutzen kann, hat auch der kenianische Designer Mohamed Awale erkannt – und 2013 sein Taschengeschäft Suave Studios in Nairobi gegründet. „Je mehr Taschen wir verkaufen, desto mehr Abfall reduzieren wir“, sagt er. Denn sein Unternehmen hat sich dem „Upcycling“ verschrieben und verwandelt Altkleider in erschwingliche und funktionelle Alltagsgegenstände wie Rucksäcke, Geldbörsen und Handytaschen.
„Als wir anfingen, gab es keine andere Marke, die das tat, was wir taten“, erzählt Awale. Damit unterschieden sie sich von der örtlichen Konkurrenz, die meist billige Taschen aus China oder hochwertige, aber teure Taschen aus Europa importiert. Er sagt, er wollte den hippen Studenten und jungen Berufstätigen in Nairobi etwas bieten, das modisch, erschwinglich und ethisch vertretbar ist. Und das kommt an: Seine Taschen sind bei jungen Kunden beliebt, für sie sind sie zu einem modischen Accessoire geworden. Er verkauft hauptsächlich in Kenia, hat aber auch einen wachsenden Markt, etwa in den USA oder in Großbritannien.
Die Stoffe für seine Taschen bekommt Mohamed Awale auf dem Gikomba-Markt, einem riesigen Open-Air-Gebrauchtkleidermarkt im Zentrum von Nairobi, dem größten seiner Art in Ostafrika. Nach Angaben der kenianischen Regierung importierten die Händler auf dem Markt im Jahr 2018 rund 177.160 Tonnen Kleidung im Wert von 17 Milliarden kenianischen Schilling (166 Millionen US-Dollar). Awales Werkstatt liegt nicht weit vom Markt entfernt, und der 34-Jährige verbringt viele Tage in der Woche damit, das Angebot zu durchstöbern und mit Lieferanten über die neuesten importierten Stoffe aus Deutschland, dem Vereinigten Königreich und den USA zu sprechen.
Inspiriert von Luxusfirmen, aber erschwinglich
Awale hatte sich von europäischen und amerikanischen Luxusmodefirmen wie Louis Vuitton, JW Anderson und Coach inspirieren lassen, um seine eigenen hochwertigen, aber preisgünstigen Taschen für den kenianischen Markt zu entwerfen, erzählt er. Er ist fest entschlossen, sein Unternehmen auch auf dem internationalen Markt für upgecycelte Taschen zu etablieren. Im Januar nahm er mit Unterstützung der Ethical Fashion Initiative an einem zweimonatigen Kurs für Modetaschen und Accessoires im italienischen Florenz teil. Die Initiative ist eine öffentlich-private Partnerschaft zwischen den UN, einigen Sozialunternehmen und Industriepartnern, die sich allesamt nachhaltiger Mode verschrieben haben.
In dem Kurs lernte er etwas über Taschendesign, Modegeschichte und darüber, wie er sein Unternehmen auf die nächste Stufe heben kann. Das soll noch diesen Herbst mit einem neuen Namen und einer neuen Markenidentität geschehen. „Auf dem Markt in Gikomba durchstöbern wir Secondhand-Kleidung, um die besten Sachen zu finden, aus denen wir Taschen machen können. Dieses Durchstöbern ist wichtig für uns, deshalb werden wir uns in ‚Rummage Studios‘ umbenennen. Es erklärt uns perfekt“, sagt er. „Rummage“ ist Englisch für Trödel und Ramsch.
Im Gegensatz zu Ibrahim Lawal in Nigeria und Rama Diaw im Senegal, die sich das Designen und Schneidern als Jugendliche mehr oder weniger selbst beigebracht haben, ist Awales Familie seit langem mit der Bekleidungsbranche in Kenia verbunden. In den 1990er Jahren verkaufte sein Vater Lederschuhe, sein Onkel betreibt am Stadtrand von Nairobi eine große Gerberei. Nachdem Mohamed Awale einen Abschluss in Marketing an der Universität von Nairobi gemacht hatte, wollte er etwas mit dem Familienunternehmen machen. Schließlich half ihm sein Cousin, selbst Leiter eines Unternehmens, das hochwertige Ledertaschen herstellte, beim Aufbau seines Labels.
Aufträge von Unternehmen wie Google und Spotify
Awale begann mit nur einem Raum am jetzigen Standort, hat aber seitdem mehrmals in angrenzende Werkstätten expandiert und beschäftigt heute zehn Mitarbeiter, die mehrere Hundert Taschen pro Monat produzieren können. Seine Produkte verkauft Awale in Kenia, aber auch international über seinen Onlineshop zu Preisen zwischen 10 und 60 US-Dollar pro Stück. Sein Label hat inzwischen schon Aufträge von Unternehmensriesen wie Google und Spotify erhalten, die die Taschen für ihre Mitarbeiter dort produzieren lassen.
Mit Upcycling hat auch ein anderer Designer aus Kenia angefangen: Kepha Maina. Der 39-Jährige wurde Mitte der 2000er Jahre von der Begeisterung für Skinny-Jeans mitgerissen, die von amerikanischen und britischen Indie-Rock-Bands wie „The Strokes“ und „The Libertines“ populär gemacht wurden. Da diese Jeans damals für die hippe Jugend von Nairobi nur schwer zu bekommen waren, begann er, sie aus Secondhand-Kleidung selbst zu schneidern und umzugestalten. Später fertigte er auf Bestellung auch andere Kleidungsstücke wie upgecycelte Jacken, Hosen und Anzüge.
Dabei verfolgte er immer seinen Traum, ein „hochwertiges Modelabel auf globalem Niveau“ zu schaffen. Im Jahr 2013 brachte er es auf den Markt, inzwischen hat es sich zu einem der wenigen High-End-Labels in Kenia entwickelt. Seine Modevorbilder sind Rick Owens, Raff Simons und Jill Sander. Ihre minimalistische, ausgefeilte und modernistische Ästhetik habe ihn inspiriert, erzählt er. Auch japanische Modedesigner wie der kürzlich verstorbene Issey Miyake und Yohji Yamamoto hätten ihn beeinflusst. „Sie fühlten sich für mich wie Ausreißer an; ich konnte mich mit ihnen identifizieren, weil sie keinen Zugang zum Modesystem hatten“, sagt er. Diese Designer hätten in den 1980er Jahren die traditionellen Modemetropolen Paris und Mailand auf den Kopf gestellt.
Maina sieht heute Parallelen zwischen ihren Erfahrungen und denen kenianischer Designer wie ihm, da sie am Rande des globalen Modemarktes operieren, der immer noch von europäischen und amerikanischen Modegiganten beherrscht wird.
Problematisch findet er, dass nur wenige Kenianer bereit seien, High-End-Mode von einem einheimischen Designer zu kaufen, weil sie in einer Versace-Jacke oder einer Louis-Vuitton-Handtasche mehr Wert und Status sehen. „Der Modemarkt in Nairobi ist noch nicht so ausgereift wie in Lagos oder Kapstadt, aber die Szene blüht auf“, sagt er. Die Zahl der jungen Modedesigner, Stylisten und Kreativen in der Stadt sei jedenfalls stark gestiegen.
Die Akzeptanz für modernisierte traditionelle Kleidung wächst
Für Ibrahim Lawal aus Lagos ist der schlechte Zustand der Infrastruktur in Nigeria ein Problem. Die öffentliche Stromversorgung breche immer wieder zusammen, weshalb er sich wie viele andere Unternehmer auf privat betriebene, teure Stromgeneratoren verlassen muss. Trotzdem arbeitet er weiterhin mit Leidenschaft als Modedesigner – und sieht auch Erfolge, denn modernisierte traditionelle, afrikanische Kleidung gewinnt in Nigeria immer stärker an Akzeptanz. So haben einige Organisationen wie etwa das Nationale Institut für kulturelle Orientierung ihre Mitarbeiter verpflichtet, an einigen Tagen der Woche Kleidung zu tragen, die in Nigeria hergestellt wurde. Und in einigen Bundesstaaten wie Osun im Südwesten Nigerias werden Schuluniformen jetzt aus traditionellen Adire-Stoffen gefertigt.
Auch Rama Diaws Mode findet sowohl im Senegal als auch in Europa Anklang: So hat sie jüngst die Kleidung für das gesamte Personal des Regionalen Expresszugs von der Hauptstadt Dakar nach Diamniadio kreiert. Auch die First Lady von Frankreich, Brigitte Macron, und die des Senegal, Marième Faye Sall, waren während Staatsbesuchen schon in Ramas Diaws Showroom in St. Louis im Norden des Landes und kauften bei ihr ein. Einen Onlineshop hat Diaw allerdings bis jetzt nicht. „Mir ist das irgendwie zu anonym. Ich will meinen Kunden begegnen, ich interessiere mich dafür, wer meine Kleidung kauft.“
Auch deswegen ist sie regelmäßig in Europa und seit zehn Jahren mit ihren Modeschauen auf dem Africa Festival zu Gast. Vor einigen Jahren nahm sie selbst am „Frankfurt Style Award“ teil, inzwischen ist sie Jurymitglied. Bei diesem internationalen Nachwuchswettbewerb für Mode und Design stellen mehr als 100 Designer aus aller Welt ihre Kleidung vor, in mehreren Kategorien winken Preise. Rama Diaw ist sehr stolz darauf, dass sie den Senegal integrieren konnte, indem sie fünf talentierte Jungdesigner mit nach Deutschland brachte. „Ich freue mich, wenn sie eine Chance bekommen, bei solchen Gelegenheiten ihre Mode bekannter zu machen.“
Neuen Kommentar hinzufügen