Kein Widerspruch zur Neutralität

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Der Staenderat debattiert ueber die Kandidatur zum UNO Sicherheitsrat an der Fruehlingssession, am Montag, 14. Maerz 2022, in Bern. (KEYSTONE/Peter Schneider)
Schweiz
Die Schweiz ist ab nächstem Jahr erstmals Mitglied im UN-Sicherheitsrat. Hilfsorganisationen möchten, dass sie
dort eine aktive Rolle spielt und die Zivilgesellschaft zu Anhörungen einlädt.

Am 9. Juni hat die UN-Generalversammlung die Schweiz mit 187 von 190 gültigen Stimmen in den Sicherheitsrat gewählt – ein Erfolg der Schweiz und namentlich des Außendepartements. Die Schweiz wird ab Januar 2023 für zwei Jahre als nichtständiges Mitglied in diesem höchsten UN-Gremium sitzen – erstmals in ihrer Geschichte. Der prominente Soziologe und Buchautor Jean Ziegler, sonst nicht um ein kritisches Wort verlegen, sprach in der Gewerkschaftszeitung „Work“ von einem „Glanzresultat“. Er lobte die Schweizer Diplomatie, die sich mit geschicktem Lobbying eine klare Mehrheit der Stimmen gesichert habe.
 
Der Bundesrat, die Schweizer Regierung, möchte im Sicherheitsrat vier Ziele verfolgen: Er will „nachhaltigen Frieden“ fördern, da die Schweiz diesbezüglich viel Erfahrung habe und weltweit als glaubwürdige Akteurin geschätzt werde. Weiter will er die Zivilbevölkerung in Konflikten besser schützen, den Klimawandel als Problem für die weltweite Sicherheit anerkannt sehen und die Effizienz des Sicherheitsrats steigern.

Bernd Steimann, Koordinator Entwicklungspolitik beim Hilfswerk Helvetas, begrüßt diese Stoßrichtung grundsätzlich: „Die Klimaerhitzung ist ein großes Sicherheitsrisiko, deshalb sollte der UN-Sicherheitsrat ihr mehr Beachtung schenken“, findet er. Bisher hat sich das ebenfalls neutrale Irland im Sicherheitsrat dafür eingesetzt, dass die UN klimabedingten Risiken wie zum Beispiel Flucht als Folge von Dürren mehr Aufmerksamkeit schenkt. Eine entsprechende Resolution scheiterte aber am Veto Russlands. Zuvor hatten sich schon Deutschland und Schweden für das Anliegen stark gemacht. Steimann fände es gut, wenn die Schweiz nun von Irland, das Ende des Jahres den Rat verlässt, dieses Dossier übernähme.

Schweiz soll auch Stellung zu Myanmar oder Äthiopien beziehen

Auch dass sich die Schweiz den Schutz der Zivilbevölkerung in Konflikten als Ziel setzt, findet Steimann richtig. „Es geht jedoch nicht nur um die Ukraine, auch Konflikte wie in Myanmar oder Äthiopien dürfen nicht vergessen werden“, sagt er. Die Schweiz müsse selbst in scheinbar verfahrenen Situationen wie in Myanmar alles daransetzen, im Einklang mit dem humanitären Völkerrecht „endlich einen Konsens über die Verteilung von Hilfe und die Sicherheit der Helfenden zu erreichen“. Zumal sie vor Ort ja schon Entwicklungszusammenarbeit leiste. Helvetas-Geschäftsleiter Melchior Lengsfeld forderte in einem Beitrag der hauseigenen Zeitschrift, der Sicherheitsrat solle unter Schweizer Beteiligung vermehrt Vertreterinnen und Vertreter der Zivilgesellschaft zu Anhörungen einladen – auch aus Myanmar.

Lässt sich die Mitgliedschaft der Schweiz im höchsten UN-Gremium mit deren Neutralität vereinbaren? Ja, sagen Völkerrechtsrechtsexperten. Das Neutralitätsrecht verpflichtet neutrale Staaten einzig, Konfliktparteien militärisch nicht zu begünstigen und keinem Militärbündnis anzugehören.

Die Ausgestaltung der Neutralitätspolitik hingegen sei Sache der Staaten. Auch unter den politischen Parteien ist man sich von Links bis zu großen Teilen der liberalen FDP einig, dass sich die Beteiligung im Sicherheitsrat mit der Neutralitätspolitik vereinbaren lässt. Einzig die SVP schert aus.

Unterdessen wird die Schweiz im Rahmen ihrer Neutralitätspolitik zunehmend aktiver. So hat sie nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine die EU-Sanktionen gegen Russland weitgehend übernommen. Während des Kalten Kriegs hatte sie sich nicht einmal an die UN-Sanktionen gehalten (sie war damals noch nicht Mitglied der Vereinten Nationen). Es ist aber kaum zu erwarten, dass die Schweiz im UN-Sicherheitsrat eine so aktive Rolle spielen wird, wie sich das die NGOs wünschen. 

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