Wer profitiert vom Einsatz russischer Söldner in Afrika?

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Bisher unterstützten französische Soldaten in der "Operation Barkhane" das malische Militär im Einsatz gegen terroristische Gruppen in der Sahelzone, wie hier bei einer Trainingseinheit. Sie werden nun wohl durch russische Söldner ersetzt.
Militär
Frankreich hat angekündigt, sich militärisch aus Mali zurückzuziehen. Als Folge dessen erwägt die malische Regierung die Zusammenarbeit mit russischen Söldnern der berüchtigten "Wagner-Gruppe". Wie das in der Bevölkerung ankommt und was ein solcher Schritt für die Zusammenarbeit der Sahel-Länder bedeutet, erklärt Andrews Atta-Asamoah.

Andrews Atta-Asamoah leitet das African Peace and Security Governance Program des Instituts für Sicherheitsstudien in Pretoria, Südafrika. Zuvor war er drei Jahre lang Mitglied des UN-Expertengremiums für den Südsudan und hat am Kofi Annan International Peacekeeping Training Centre in Accra, Ghana, gearbeitet.

Die Regierung von Mali will die private russische Sicherheitsfirma Wagner anheuern, sie im Kampf gegen Terrorismus und Gewalt zu unterstützen. Was genau erwartet sie von den Söldnern?
Das wird auch in Afrika breit diskutiert. Ich denke, sie will vor allem die Lücke füllen, falls Frankreich und andere Nationen ihre in Mali stationierten Truppen reduzieren. Die Regierung will sicherstellen, dass sie auch danach das gesamte Land sichern kann. Die Einladung an Wagner ist also vor allem eine Reaktion auf Frankreichs Ankündigung, sich zurückziehen. Zudem sagt sie einiges darüber, wie die malische Regierung Frankreich sieht. Sie fühlt sich von Paris unzureichend informiert und etwas vor den Kopf gestoßen. Zugleich räumt die Regierung damit ein, dass sie das Land allein nicht sichern kann, sollte Frankreich abziehen.

Warum hat die Regierung nicht andere afrikanische Staaten oder die AU um militärische Unterstützung gebeten?
Schwer zu sagen. Die Frage stellt sich schon, warum sie nach Russland gegangen ist und nicht einfach eine südafrikanische Sicherheitsfirma beauftragt hat, wenn sie unbedingt eine private Firma will. Es ist nicht ganz klar, ob die Regierung Wagner eingeladen hat oder ob die Russen sich aktiv angeboten haben. Wagner ist ja schon seit einigen Jahren in Afrika aktiv. Eine Rolle spielt vermutlich auch, dass wichtige Personen in der malischen Regierung, darunter Präsident Assimi Goita, gute Beziehungen zu Russland haben, wo sie militärisch ausgebildet wurden. Da gibt es dann schon eine Vertrauensbeziehung. Hinzu kommt, dass Institutionen wie die AU kurzfristig oft nicht helfen können: Die Angelegenheit müsste erst einmal diskutiert werden, dann müsste die ECOWAS zustimmen. Es müsste geklärt werden, wer eine afrikanische Truppe finanziert und so weiter. 

Die malische Regierung, die seit einem Putsch im Mai im Amt ist, soll im Februar 2022 Wahlen abhalten. Welche Auswirkungen könnte ein Einsatz der russischen Söldner auf den demokratischen Übergang haben?
Die Regierung ist vor allem daran interessiert, dass sich bis zu den geplanten Wahlen die Sicherheitslage nicht deutlich verschlechtert. Denn wenn das passiert, wird sie enorm an Popularität und Vertrauen in der Bevölkerung einbüßen. Die Malier wollen im Moment vor allem Sicherheit. Es ist nicht klar, welche Aufgaben Wagner überhaupt übernehmen wird, ob sie aktiv kämpfen oder bloß als Berater dienen sollen. Aber wenn man sich anschaut, was Wagner in Ländern wie Sudan, der Zentralafrikanischen Republik, Mosambik und Libyen gemacht hat, wird deutlich, dass sie für mögliche Kampfhandlungen voll gerüstet sind.

Könnte die Regierung die Söldner nutzen, um sich an der Macht halten?
Das dürfte schwierig werden, denn ECOWAS fordert ganz klar einen Übergang zu Wahlen und einer zivilen Regierung. Ich glaube, der malischen Regierung geht es wirklich darum, die extremistische Gewalt im Land einzudämmen, und nicht darum, sich mithilfe der Söldner unbedingt an der Macht zu halten. 

Hat Wagner in anderen Ländern die Sicherheitslage verbessert?
Ganz klar nein. Überall, wo sie aktiv waren, hat sich die Situation eher verschlechtert. Das haben wir in Cabo Delgado in Mosambik gesehen, das haben wir in Khartum im Sudan gesehen, wo sie dem später gestürzten Präsidenten Omar al-Bashir zur Seite standen. Und das haben wir in der Zentralafrikanischen Republik gesehen, wo Wagner die Regierung im Kampf gegen Rebellen unterstützt hat. Wir haben auch gesehen, dass sich die Bevölkerung in diesen Ländern gegen die Präsenz der Söldner geäußert hat. Wo multinationale Missionen etwas nicht geschafft haben oder unbeliebt waren, hat Wagner keineswegs mehr erreicht und die Lücke schließen können. Im Gegenteil: Ihr Engagement steht für suspekte Vereinbarungen mit den afrikanischen Regierungen, die viele Afrikanerinnen und Afrikaner missbilligen. In Mali wird es nicht anders laufen. Die Nachbarländer haben bereits deutlich gemacht, dass sie mit der Entscheidung der Regierung nicht glücklich sind. Wenn die malische Regierung ihren Kurs fortsetzt, wird das die Zusammenarbeit in der Gruppe der fünf Sahelländer, der G5 Sahel, erschweren. Unterm Strich kommt der Einsatz privater militärischer Dienste in Afrika nicht gut an und wird nicht als Lösung gesehen.

Inwieweit geht es beim Einsatz der russischen Söldner in Afrika auch um Geschäftsinteressen auf beiden Seiten?
Es ist völlig intransparent, was in den Verträgen afrikanischer Regierungen mit Wagner steht. Es ist ein Geheimnis, wer sie eingeladen und ins Land gebracht hat und wer ihre Fürsprecher in den einzelnen Ländern sind. Eins ist aber sicher: Wenn in Afrika Vereinbarungen dermaßen undurchsichtig sind, dann kassieren einige Leute ordentlich ab. Insofern ist nicht ausgeschlossen, dass etwa Regierungsmitglieder oder Geschäftsleute vom Einsatz von Wagner persönlich profitieren. Bisher sind die Einsätze immer erst im Nachhinein öffentlich bekannt geworden. In Mali ist das anders und das ist eine Chance: Jetzt können wir darüber diskutieren, auf welche Weise die Söldner ins Land kommen und wer davon profitiert. 

Wenn Wagner nichts zur Sicherheit beiträgt und die Einsätze grundsätzlich kritisch gesehen werden, warum gehen die AU und ECOWAS nicht stärker dagegen vor?
ECOWAS hat den Schritt der malischen Regierung missbilligt. Und die AU hat seit 1977 eine ganz klare Haltung zum Engagement privater Söldner: Damals hat die Vorläuferorganisation der AU, die OAU, die Konvention zur Beseitigung des Söldnertums in Afrika verabschiedet. In den 1990er Jahren haben viele in Afrika die Einsätze der südafrikanischen Söldnertruppe Executive Outcomes missbilligt. An der Position der AU gibt es also keinen Zweifel; sie müssen sie nicht in jedem Fall wiederholen. In der AU und in der ECOWAS wird derzeit intensiv darüber diskutiert, wie eine Sicherheitsarchitektur in der Sahel-Region aussehen müsste und welche Sicherheitsbedürfnisse die Bevölkerung wirklich hat. Auch darin wird deutlich, dass private Söldner nicht als Lösung gesehen werden. Das Engagement von Firmen wie Wagner untergräbt zudem die Autorität der AU und von Regionalorganisationen wie ECOWAS und ihren Anspruch, selbst für Sicherheit zu sorgen.

Werden private Sicherheitsdienste und Söldner in Zukunft in Konflikten in Afrika eine größere Rolle spielen als heute?
Nein, das glaube ich nicht. Es wird immer wieder einzelne Fälle geben, aber die werden auch immer wieder auf Ablehnung stoßen. Eine schleichende Akzeptanz wird sich nicht einstellen. Schon deshalb nicht, weil die Bevölkerung und die Nachbarstaaten das in der Regel ablehnen. Es müsste jetzt aber endlich öffentlich und intensiv über den Einsatz von Söldnern in Afrika diskutiert werden; das ist seit den 1990er Jahren, als die Söldner der südafrikanischen Firma Executive Outcomes unterwegs waren, versäumt worden. 

Im Westen steht vor allem das Engagement Chinas in Afrika im Fokus. Nutzt Russland das und vergrößert gewissermaßen unter dem Radar seinen Einfluss?
Russland war nie raus aus Afrika. Es war immer da und hat Spuren hinterlassen, etwa die russischen Piloten in vielen afrikanischen Konflikten. Geändert hat sich, dass Moskau heute sichtbarer auftritt und mehr gehört werden will. Und neu ist natürlich, dass sie private Söldner wie die von Wagner mitbringen. Da ist nicht immer ganz klar: Ist das jetzt die russische Regierung oder ein Privatunternehmen?

Das Gespräch führte Tillmann Elliesen.
 

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erschienen in Ausgabe 12 / 2021: Das Spiel der großen Mächte
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