Uganda zählt zu den ärmsten Ländern der Welt. Doch während seine Nachbarn, der Südsudan und die Demokratische Republik Kongo, von Unruhen erschüttert werden, gilt der ostafrikanische Staat heute als eine Insel der politischen Stabilität. Die Wirtschaft brummt, in der Hauptstadt Kampala machen die Einkaufszentren gute Geschäfte. Die Bevölkerung ist im Allgemeinen tief religiös, familienorientiert und man hört selten jemanden fluchen.
Zugleich ist Uganda einer der größten Lieferanten von Söldnern – oder „privaten Militärdienstleistern“, wie die Sicherheitsindustrie sie nennt. Das Phänomen ist allgegenwärtig, aber schwer zu fassen. Im Fernsehen laufen Werbespots eines Unternehmens namens Middle East Consultants, das junge, kräftige Männer für Dubai sucht. Jeder Taxifahrer hat einen Freund, Cousin oder Nachbarn, der sich damit brüstet, als Bewacher einer Botschaft oder im Irakkrieg ein Vermögen verdient zu haben. Offizielle Zahlen dazu gibt es allerdings kaum.
Im Irak schützen Ugander US-Diplomaten in Bagdad und Basra, in Afghanistan und Somalia sorgen sie für die Sicherheit von Geschäftsleuten und Mitarbeitern von Hilfsorganisationen. Sie patrouillieren durch staatliche Anlagen in Katar und werden voraussichtlich auch Wache halten, wenn dort 2022 die Fußballweltmeisterschaft ausgetragen wird. Einige wurden in einem vom Pentagon finanzierten Trainingslager in Jordanien in Terrorbekämpfung ausgebildet, andere werden praktisch ohne jede Vorbereitung ins Ausland geschickt. Hauptsache, sie sind mindestens 1,70 Meter groß.
Vor zehn Jahren hat Ugandas Ministerium für Gender, Arbeit und soziale Entwicklung die External Employment Unit eingerichtet, eine Behörde, die die Vermittlung von Söldnern ins Ausland überwachen soll. Vorangegangen waren Betrügereien bei der Anwerbung. Ihr Leiter Milton Turyasiima bittet darum, Fragen über diesen Geschäftszweig schriftlich einzureichen. Eine Antwort bekomme ich nicht, aber immerhin eine Liste der 43 lizensierten Rekrutierungsunternehmen im Land.
Eine meiner ersten Anlaufstellen ist Saracen Uganda, die hiesige Filiale des südafrikanischen Militärdienstleisters Saracen International. Der ugandische Ableger wurde 2002 in einem Bericht des UN-Sicherheitsrats dafür kritisiert, paramilitärische Rebellen im Kongo ausgebildet zu haben. Einer der Gründer des Tochterunternehmens ist General Salim Saleh, der Halbbruder von Ugandas Präsident Yoweri Museveni. Der weitläufige Sitz von Saracen befindet sich im Stadtteil Kansanga von Kampala. Sechs Männer warten gerade auf ihre Musterung; sie hoffen auf einen der ungefähr 3000 Jobs, die Saracen für die Bewachung von Banken und Einkaufszentren in Uganda zu vergeben hat – vielleicht aber auch auf einen der lukrativeren Söldnerposten in Somalia oder im Irak.
Wie viele Söldner im Ausland ihr Leben lassen, ist unbekannt
Im Gästebuch haben einige Besucher in jüngerer Zeit in der Spalte „Zweck des Besuchs“ das Kürzel „SOC“ hinterlassen. Dabei handelt es sich um einen privaten Militärdienstleister mit Sitz in Minden (Nevada), der 2010 einen milliardenschweren Vertrag zur Bewachung amerikanischer Diplomaten rund um die Welt abgeschlossen hat. Laut seiner Website ist das Unternehmen auch in Afrika tätig, allerdings ohne nähere Ortsangabe. Der Projektmanager von Saracen, Jeffrey Mugisha, sagt, SOC sei mit mehreren Mitarbeitern auf dem Gelände von Saracen vertreten. Sein Unternehmen versorge SOC mit mehr als 500 Wachleuten für den Irak, die alle über 900 US-Dollar im Monat verdienten.
Bewaffnete Sicherheitskräfte sind Ugandas Exportschlager. Das Geld, das sie in die Heimat überweisen, überstieg laut dem Ministerium für Gender, Arbeit und soziale Entwicklung im Jahr 2009 die Einnahmen aus dem Export von Kaffee. Das Büro von Interpol in Kampala überprüft pro Monat tausend Ugander, die sich für einen Auslandsjob bei einem Sicherheitsdienst bewerben, „um sicherzustellen, dass wir ihnen keine ausländischen Kämpfer schicken“, erklärt Büroleiter Asan Kasingye. Damit meint er Kämpfer des „Islamischen Staats“ (IS). Zu diesen tausend kommen Sicherheitskräfte in Ländern hinzu, die keine Überprüfungen verlangen, sowie solche, die gefälschte Bescheinigungen vorlegen, die von Interpol ausgestellten nicht verlängern lassen oder illegal ins Ausland vermittelt werden. Laut vorsichtigen Schätzungen arbeiten derzeit 20.000 Ugander als Söldner im Ausland.
Wie viele dabei ihr Leben gelassen haben, lässt sich nicht sagen, da keine Behörde das erfasst. Bei meinem Aufenthalt in Uganda erfuhr ich von vier Einzelschicksalen. Im März gab das US-Arbeitsministerium bekannt, im Irak seien seit dem Beginn des Konflikts 1635 Zivilbeschäftigte ums Leben gekommen. Laut demselben Bericht sind seit September 2001 142 Personen getötet worden, die von vier großen, auch in Uganda tätigen Vermittlungsagenturen kamen. Ihre Nationalität wurde nicht angegeben.
Die schwierige Lage im Südsudan ist vielversprechend
Einige der ugandischen Unternehmen sind inzwischen ziemlich groß. Askar Security Services war der erste Anwerber, der westliche Sicherheitsfirmen während des Irakkriegs mit Tausenden Wachleuten zum Schutz von Beobachtungstürmen und zur Begleitung von Konvois versorgte. Das Unternehmen gehört Kellen Kayonga, der Schwägerin von Präsident Museveni, und hat sein Hauptquartier in einem riesigen, abgeschirmten Komplex.
Andere Firmen wirken deutlich bescheidener. Die Two Niles Public Relations Agency residiert in zwei schäbigen Büroräumen in einem stickigen Einkaufszentrum. Wenn der Geschäftsführer Abdulrazak Hussein zum Beten in die Ladenmoschee nebenan geht, ruht das Geschäft. Unter dem Ventilator, der an der Decke rattert, druckt er eine Liste seiner bislang 16 Verträge aus; in einem davon geht es um 500 Sicherheitskräfte, die für Hemaya Security Services arbeiten, ein staatliches Unternehmen in Katar. Gleich am Empfang werden Bewerber mit einem Aushang darauf hingewiesen, dass sie mit Gehältern in den jeweiligen Landeswährungen, nicht den begehrten US-Dollar rechnen müssen.
Ugander sind auch auf anderen Kontinenten im Geschäft. Sisto Andama, ein Neffe des früheren Diktators Idi Amin, ist schon früh ins Sicherheitsgeschäft eingestiegen. Nachdem ihm politisch gut vernetzte Rivalen 2006 sein Unternehmen abgejagt und für seine Verhaftung gesorgt hatten, floh Andama in die USA. Er lebt nun in Maryland, wo er die afrikanische Sparte von Beowulf Worldwide betreut, der Filiale eines Unternehmens mit Sitz in Valparaiso in Indiana. Von dort aus dirigiert er 750 Mann, hauptsächlich in Afghanistan, und Hunderte Söldner, die für das US-Verteidigungsministerium auf dem gesamten afrikanischen Kontinent tätig sind.
Jetzt, da der IS auf dem Rückzug ist, hoffen ugandische Subunternehmer, bald Männer in den Irak schicken zu können, um dort für den Schutz von Diplomaten, NGOs und Ölfeldern zu sorgen. Auch die zunehmend schwierige Sicherheitslage im Südsudan und in Libyen ist für sie vielversprechend. Verträge mit der US-Regierung gelten als das große Los. Wohin immer das Pentagon demnächst seine Schattenarmee aus Söldnern schickt, nicht wenige von ihnen werden auf den vermüllten Straßen Kampalas angeheuert werden.
Die Ugander gelten als zuverlässig
Im Irakkrieg seit 2003 hatte US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld für eine militärisch möglichst schlanke Invasion auf den freien Markt gesetzt. Militärische Dienstleister hatten sich überschlagen, Tausende Männer anzuwerben, um die lukrativen Pentagon-Verträge zu ergattern. „Die Sicherheitsindustrie befand sich seit Mitte der 1990er Jahre bereits im Aufschwung, aber mit dem Irakkrieg schoss sie durch die Decke”, sagt Deborah Avant, die Leiterin des Sié Chéou-Kang Center for International Security and Diplomacy an der Universität von Denver. „Auf einmal brauchten alle diese Leute. Die Nachfrage war riesig.“
Uganda bot sich an. Seine Einwohner sprechen Englisch und sind zum größten Teil Christen. Das mindert die – tatsächlich vorhandene oder bloß eingebildete – Gefahr, dass die Wachen sich auf die Seite der Aufständischen schlagen. Und es gab eine gewisse Tradition: Ugandische Soldaten, als Askaris bekannt, hatten in beiden Weltkriegen ein Infanterieregiment, die King’s African Rifles, für die britische Kolonialmacht gestellt. Zudem übernahmen die Ugander die gefährlichen Jobs für wenig Geld. Ehemalige Soldaten waren angesichts des ungandischen Durchschnittseinkommens von weniger als 300 US-Dollar im Jahr gerne bereit, sich für 1000 US-Dollar im Monat als Söldner zu verdingen.
Als der Militärdienstleister SOC 2004 Männer für den Irak suchte, wandte sich das Unternehmen an Kellen Kayonga von Askar Security, die bisher hauptsächlich Wachpersonal für Einkaufszentren in Uganda vermittelt hatte. Um Zutritt zu dem lukrativen, aber gefährlichen neuen Kriegsmarkt zu bekommen, tat sie sich mit Andama zusammen, damals Captain der ugandischen Armee im Ruhestand. Er sorgte für die Rekrutierung und Ausbildung der Sicherheitskräfte. Weiter gewann Kayonga die Mitarbeit von Moses Matskiko Baryamujura, einem Mitglied ihrer Ethnie. Matsiko war damals ein junger freier Journalist und arbeitete im Nebenjob bei ihr als Wachmann. Er hatte keinerlei militärische Ausbildung. Doch Kayonga erreichte, dass SOC ihn anheuerte und mit der ersten Welle von Ugandern in den Irak schickte, so dass er dort für sie die Lage sondieren konnte.
Rückkehrer investieren ihren Sold in kleine Unternehmen
Ugandische Sicherheitskräfte galten in der Branche bald als billige und zuverlässige Mitarbeiter. So standen sie häufig am Ende einer Auftragskette, deren Anfangspunkt im Pentagon lag. EOD Technologies ist ein Unternehmen der Kampfmittelbeseitigung mit Sitz in Lenoir City (Tennessee), das sein Geschäftsfeld auf Sicherheitsdienste ausgeweitet hat; es hat für 2015 Aufträge im Wert von 813 Millionen US-Dollar im Irak und Afghanistan ergattert. Im Januar 2006 hat das Unternehmen ein Abkommen mit dem Sicherheitsspezialisten Beowulf Worldwide unterzeichnet, der wiederum vertraglich mit Askar Security verbunden ist. So kommt es, dass völlig unerfahrene Männer wie Matsiko brisante Aufgaben in Amerikas Kriegen übernehmen.
Überall in Kampala trifft man auf ehemaliges Sicherheitspersonal. Einige arbeiten als Taxifahrer, andere haben das kleine Vermögen, das sie im Irak erworben haben, in einen Laden investiert. Cornelius Tukahebwa war Hauswart in einem Hotel, als ihn ein lokaler Wachdienst anwarb. Auf einem Truppenübungsplatz in der Nähe des Bahai-Tempels von Kampala wurde er zwei Monate an einer Kalaschnikow ausgebildet. Nach vier Jahren im Irak kehrte er nach Uganda zurück, kaufte sich ein Auto und ein Grundstück, baute ein Haus und gründete ein Touristikunternehmen. Sein neuer Reichtum bescherte ihm den Vorsitz eines lokalen Fußballvereins, und die Regierungspartei NRM trug ihm die Kandidatur für ein Mandat an. Er war als Begleiter eines Konvois nach Kuwait bei einem Feuergefecht verwundet worden. Er selbst möchte sich nicht noch einmal anwerben lassen, aber er ist jederzeit bereit, seine Kontakte spielen zu lassen: „Wenn einer 100 Leute braucht, dann kann ich sie noch am selben Tag besorgen“, sagt er.
Mehr als 7000 Söldner im Kampf gegen den IS
Der frühere Journalist Matsiko machte sich nach seiner Rückkehr aus dem Irak mit seiner eigenen Rekrutierungsgesellschaft selbstständig. Seinen ersten Auftrag erhielt er während des Irak-Kriegs von Sabre International, gegründet von einem Veteranen der British Special Forces und dem Großauftragnehmer Aegis Defence Services. Matsiko sollte 300 Wachleute für eine monatliche Provision von 100 US-Dollar pro Mann besorgen. Nach Abzug der Kosten für medizinische Untersuchungen, Training und sonstige Betriebsausgaben blieben ihm 120.000 Dollar im Jahr, in Uganda ein Vermögen. Die Zeitung „New Vision“ setzte ihn 2009 mit einem geschätzten Nettovermögen von fünf Millionen US-Dollar auf ihre Liste der „Aufsteiger des Jahres“. Es ist nicht einfach, an Matsiko heranzukommen. E-Mails und Anrufe bleiben unbeantwortet. Schließlich lässt er sich auf ein Gespräch im Luxushotel Serena ein. Er trägt ein blaues Baumwollhemd und entschuldigt sich dafür, mich so lange hingehalten zu haben. „Ich war selbst Journalist“, sagt er. „Wenn ich höre, dass ein Journalist was von mir will, dann mache ich mich am liebsten erst einmal dünn.“ Im Irak, erzählt er, habe er drei oder vier Aufständische getötet und vier Kugeln in einen Arm und den Rücken abbekommen. Seine Narben sind zu sehen, doch die Einzelheiten seiner Geschichte bleiben im Dunkeln.
Die Geschäfte liefen gut, erklärt er, obwohl es während der Besatzung des Irak besser gelaufen sei. Matsiko hat 300 Mann Wachpersonal dort und in Afghanistan und 700 weitere in Burundi, der Demokratischen Republik Kongo und den Vereinigten Arabischen Emiraten. In Uganda selbst beschäftigt er 400 Sicherheitskräfte. Sie bewachen in zerknitterten blauen Uniformen auch das Hotel, in dem wir uns treffen, den Country Club, in dem ich esse, die Banken, in denen ich Bargeld abhebe, und das Gästehaus, in dem ich untergebracht bin. Außerdem sorgt er für den Schutz der UN-Vertretungen in Kampala und Entebbe.
In den USA debattieren derweil dieselben Bürokraten über private Sicherheitsfirmen, die sich anfangs für ihren Einsatz ausgesprochen hatten. Das Pentagon setzte gern Söldner ein, weil man ihre Zahl ebenso einfach aufstocken wie reduzieren konnte. Das gemeinnützige „Project on Government Oversight“ kommt hingegen zu dem Schluss, dass fest angestelltes Personal in vielen Fällen billiger ist. Sean McFate sieht den Boom der Leihsoldaten nicht als vorübergehend an. Das sei vielmehr eine Rückkehr zu mittelalterlichen Verhältnissen, in denen Kriegsführung per Vertrag die Regel war. „Die Söldner werden bleiben“, sagt der ehemalige Fallschirmspringer und Autor des Buches „The Modern Mercenary“. Egal, ob sie gegen den IS oder auf noch unbekannten Schlachtfeldern eingesetzt werden, fügt er hinzu, „sie sind Teil der nationalen Sicherheitsinstrumente.“
Autor
David Gauvey Herbert
ist freier Journalist in New York und schreibt vor allem über Sicherheitsfragen, Kriminalität und China. Wir drucken seinen Beitrag mit Erlaubnis von Bloomberg L.P. Copyright © 2016. Alle Rechte vorbehalten.An der Operation Inherent Resolve, einer Pentagon-Offensive gegen den IS, waren im zweiten Quartal 2016 auch 7773 Söldner beteiligt, im ersten Quartal 2015 waren es noch 5000. Wenn der IS von regulären Truppen und ihren Verbündeten besiegt ist, werden die zurückkehrenden Diplomaten, Investoren und Mitarbeiter von NGOs Schutz brauchen, genau wie nach dem Sturz von Saddam Hussein. Auch diese Lücke wird von Söldnern gefüllt werden.
Matsiko und Konsorten sind gerüstet. Andama hat eine Warteliste mit 3000 ehemaligen Sicherheitskräften, die zu einem Auslandseinsatz bereit sind. Regelmäßiger Kontakt mit einer Vereinigung von Ex-Söldnern ermöglicht es Matsiko, seine Leute jederzeit aufzustocken. Bis dahin genießen die beiden Männer ihre Kriegsbeute. Matisko spielt drei Mal die Woche Golf und trinkt gern 18 Jahre alten Scotch. Kürzlich saß er in der Jury für die Wahl der Miss Uganda. Andama lebt beschaulich am Stadtrand von Maryland. Sein Sohn spielt seit kurzem Football.
Aus dem Englischen von Thomas Wollermann.
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