Die Zentralafrikanische Republik ist in einen neuen Bürgerkrieg geschlittert – ausgelöst von den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen am 27. Dezember 2020. Dabei hatte die UN-Mission MINUSCA (Multidimensionale Integrierte Stabilisierungsmission der UN in der Zentralafrikanischen Republik) eigens einen Plan, um diesen Urnengang abzusichern, und die internationale Gemeinschaft hat das Vorhaben mit 34,8 Millionen Euro finanziert. Sein offensichtliches Scheitern und die chaotische Situation, in der die Zentralafrikanische Republik nun versinkt, werfen Fragen nach der Strategie der internationalen Partner auf.
Seit 2019 hatte die Partei des Präsidenten Faustin-Archange Touadéra alles versucht, um zu ihren Gunsten an den Regeln der Wahlen herumzubasteln. Die Einführung von Sperrklauseln gegen bestimmte Kandidaten wies das Verfassungsgericht zunächst ab. Im April 2020 schlug die Regierung vor, die Verfassung so zu ändern, dass der Staatspräsident und die Abgeordneten über das Ende ihrer Amtszeit hinaus im Amt bleiben könnten, sollten die Wahlen verschoben werden wegen höherer Gewalt – als Vorwand diente die Corona-Pandemie. Das Verfassungsgericht entschied Mitte Juni, dass auch dieser Vorschlag nicht mit der Verfassung vereinbar ist.
Es gab dann Fälle von Betrug bei der Registrierung der Wählerinnen und Wähler durch die Nationale Wahlkommission; die Zahl der Registrierten war zudem klein: nur 1,85 Millionen bei einer Bevölkerung von 5 Millionen. Ins Ausland Geflohene – laut dem UN-Flüchtlingskommissar mehr als 630.000 Menschen, von denen sich rund die Hälfte in Kamerun aufhält – konnten nicht wählen. All dies bestärkte die Opposition darin, dass diese Wahl nicht frei, transparent und unparteiisch sein könnte. Schließlich erklärte das Verfassungsgericht im Dezember 2020 noch die Kandidatur des früheren Präsidenten François Bozizé für ungültig, obwohl der eine bedeutende Wählerbasis hatte.
Abgesehen von diesen politischen Spannungen herrschte vor den Wahlen überall ein Klima der Unsicherheit. Mehrere bewaffnete Gruppen kontrollieren zusammen zwei Drittel des Landes. Zu ihnen gehören muslimische Aufständische wie die 3R-Gruppe (Rückkehr, Rückgewinnung, Rehabilitation), die MPC (Patriotische Bewegung für die Zentralafrikanische Republik) und die UPC (Einheit für den Frieden in der Zentralafrikanischen Republik), deren Anführer 2013 direkt am Putsch gegen Präsident François Bozizé beteiligt waren. Dazu gehören aber auch überwiegend christliche Anti-Balaka-Gruppen, die Bozizé nahestehen und ihn damals gegen die vorwiegend muslimische Rebellion verteidigt hatten. All diese Gruppen hatten das Land im Blut versinken lassen. Sie nahmen nun im Hinterland Mitarbeitende der Wahlkommission ins Visier und blockierten den Zugang zu Ortschaften, so dass sich weniger Menschen in die Wahllisten eintragen konnten.
Zusammenschluss der bewaffneten Gruppen
Autor
Saber Jendoubi
ist Journalist für internationale Medien wie Radio France und BBC. Von 2016 bis 2019 war er in der Zentralafrikanischen Republik und hat an einem Bericht der „New York Times“ mitgearbeitet, der 2020 den Pulitzerpreis bekommen hat.Mitglieder der wichtigsten Oppositionsplattform, zu der Bozizés Partei gehört, vertraten die Ansicht, der Wahltermin könne wegen zahlreicher Störungen im Wahlprozess und wegen der stark verschlechterten Sicherheitslage nicht eingehalten werden. Die Präsidentenpartei beschuldigte daraufhin die Opposition, es gehe ihr darum, dass das Mandat des Präsidenten ablaufe und eine Übergangsregierung nötig werde. Damit würde das Ende des derzeitigen Regimes möglich. Offenbar wegen dieser Gefahr haben die Regierung und ihre Unterstützer darauf hingearbeitet, den Zeitplan der Wahlen einzuhalten.
Dabei wurden die zentralafrikanischen Behörden von der UN-Stabilisierungsmission MINUSCA, der Europäischen Union (EU) und der Staatengemeinschaft unterstützt. Sie spielten in ihren Stellungnahmen das Ausmaß der Sicherheitsprobleme und die organisatorischen Mängel der Wahlen herunter und hoben hervor, wie wichtig es sei, dass das „zentralafrikanische Volk“ mit dem Urnengang eine Wahl treffen könne. Die EU hat 15 Millionen des 34,8-Millionen-Euro-Budgets für diese Wahlen finanziert und ist auch der größte Geber für Entwicklungshilfe, humanitäre Hilfe und Budgethilfe an die Zentralafrikanische Republik.
Nur wenig Zentralfrikaner konnten wählen
Doch die Entscheidung, die Wahlen um jeden Preis abzuhalten, hat es vielen Zentralafrikanern unmöglich gemacht, ihre Stimme abzugeben. Nur etwas mehr als ein Drittel der für die Wahl Registrierten konnte auch wählen. Stimmabgaben außerhalb der Regeln, Unregelmäßigkeiten bei der Auszählung sowie die Tatsache, dass die internationalen Wahlbeobachtungsmissionen die Abstimmung im Hinterland nicht beobachten konnten – das sind Mängel, die die Fairness dieser Wahl beeinträchtigen. Im Übrigen hat die EU, die seit 2005 alle Wahlen in Zentralafrika finanziert hat, nie eine Wahlbeobachtungsmission in das Land entsandt und sich für die Wahlen 2020 damit begnügt, ein paar technische Assistenten zur Wahlkommission zu entsenden. Die MINUSCA, die für die Absicherung der Wahlen verantwortlich war, hat eindeutig bei ihrer Aufgabe versagt, die Wähler vor bewaffneten Gruppen zu schützen.
Der Sieg von Präsident Touadéra bereits im ersten Wahlgang wurde am 18. Januar vom Verfassungsgericht bestätigt – mit 53,16 Prozent der Stimmen, was aber nur 17 Prozent der registrierten Wähler entspricht. Die politische Opposition und die CPC haben das Ergebnis energisch angefochten und betont, ihm fehle jede Legitimität. Der Plan der Rebellenkoalition CPC war nun, auf die Hauptstadt Bangui zu marschieren und die Macht mit Gewalt zu übernehmen. Die Gewalt eskalierte bis vor die Tore Banguis, wo die CPC dann am 14. Januar 2021 zurückgeworfen wurde. Bemerkenswert ist, dass die Rebellenkoalition insgesamt als einheitliche Kraft vorgegangen ist und es keine Kämpfe zwischen den Gruppen und Milizen gab, aus denen sie sich zusammensetzt.
Russische Söldner bekämpfen die Rebellen
Das Scheitern der CPC ist dem Eingreifen russischer Kräfte zu verdanken: Die Rebellen wurden vor den Toren Banguis von einer „loyalistischen“ Koalition zurückgeworfen, die aus russischen Söldnern von PMC Wagner sowie ruandischen Soldaten bestand, die mit den zentralafrikanischen Streitkräften verbündet sind. Unterstützt von der MINUSCA, hat diese Koalition nach Angaben der Behörden allmählich die Kontrolle über das Staatsgebiet zurückgewonnen.
Die Zusammenarbeit zwischen der zentralafrikanischen und der russischen Regierung ist nicht neu, sie hatte sich nach einem Treffen Faustin Tuadéras mit dem russischen Außenminister Sergej Lawrow in Sotschi im Oktober 2017 rasch intensiviert. Der russische Einfluss hat sich niedergeschlagen in der Einrichtung eines Militärlagers, der Unterstützung der Präsidialgarde mit russischen Ausbildern, der Unterzeichnung eines Verteidigungsabkommens und der Ausbildung der nationalen Streitkräfte. Russland hat regelmäßig Militärangehörige entsandt sowie Männer, die für die Firma Sewa Sécurité arbeiteten; dies ist eine Fassade für die private Militärfirma PMC Wagner, deren Mitglieder militärische Ausbildung im Feld leisten. Auch militärische Ausrüstung hat Russland geliefert und mit Iljuschin-Flugzeugen nach Bangui geflogen. Moskau hat offen die Kandidatur Touadéras unterstützt – zum Nachteil Frankreichs, das in diesem Teil Afrikas seit langem Königsmacher war.
Auch Ruanda hat seit 2018 ein bilaterales Verteidigungsabkommen mit der Zentralafrikanischen Republik. Kigali hat Ende Dezember 2020 ein starkes Truppenkontingent nach Bangui geschickt – über die ruandischen Friedenstruppen hinaus, die ohnehin im Rahmen der MINUSCA im Einsatz sind. Den zentralafrikanischen Streitkräften ist es gemeinsam mit den Männern von Wagner und den Ruandern gelungen, die CPC-Rebellen aus den wichtigsten Orten des Landes zu vertreiben. Die Regierung, die vor der Krise keine Kontrolle über zwei Drittel des Staatsgebiets hatte, hat nach eigenen Angaben nun eine Trendwende eingeleitet. Die Unsicherheit hat insgesamt abgenommen, auch wenn es in einzelnen Orten immer noch zu sporadischen Gewalttaten kommt. Allerdings hat die CPC sorgfältig direkte Kämpfe vermieden und in den meisten Fällen einen strategischen Rückzug in andere Gebiete vorgezogen.
Es ist schwierig, mit Sicherheit zu sagen, ob äußere Kräfte auch die CPC oder einzelne Oppositionsgruppen unterstützen. Einige Beobachter erklären, dass der Tschad die CPC unterstützt hat. Laut anderen hat Frankreich den tschadischen Präsidenten Idriss Déby aufgefordert, die Rebellenkoalition zu unterstützen, um der russischen Präsenz in der Zentralafrikanischen Republik ein Ende zu setzen. Déby ist nun im April kurz nach seiner Wiederwahl bei Kämpfen mit Rebellen getötet worden, und die tschadische Armee hat unter Führung eines Sohnes von Idriss Déby geputscht. Ob das Auswirkungen auf die Zentralafrikanische Republik haben wird, ist offen. Im März hat Präsident Touadéra nationale Konsultationen eröffnet, um einen „inklusiven Dialog“ zur „Deeskalation der Sicherheitskrise“ auf den Weg zu bringen – aber er hat bewaffnete Gruppen und politische Kräfte, die der Unterstützung der Rebellion beschuldigt werden, davon ausgeschlossen.
UN-Operation mit wenig Wirkung
Die Offensive hat auch die Unfähigkeit der MINUSCA offenbart, Frieden aufrecht zu erhalten. Trotz hoher finanzieller Investitionen – mit einem Jahresbudget von annähernd einer Milliarde US-Dollar ist sie eine der wichtigsten UN-Operationen weltweit – haben einige Programme, etwa zur Entwaffnung, Demobilisierung und Reintegration von Kämpfern, kaum gewirkt: Es wurden nur wenige Waffen abgegeben und die bewaffneten Gruppen sind immer noch sehr gut bewaffnet.
Schließlich zeigt die Krise, wie schwierig es ist, unter den Bedingungen von verschärfter Konkurrenz zwischen zwei Mitgliedern des UN-Sicherheitsrates – Frankreich und Russland – die multilateralen (MINUSCA, EU), bilateralen (Frankreich, Russland, USA, Ruanda) und nationalen (Regierung, politische Opposition, Zivilgesellschaft) Beteiligten zu koordinieren. Der bemerkenswerteste Streit im UN-Sicherheitsrat betrifft das UN-Waffenembargo gegen die Zentralafrikanische Republik. Moskau ist in Übereinstimmung mit der zentralafrikanischen Regierung gegen die Aufrechterhaltung dieses Embargos; dagegen hat Frankreich immer betont, es sei wohlbegründet, auch als die Rebellenkoalition Bangui bedrohte. Frankreich möchte seinen politischen Einfluss behalten, engagiert sich aber zunehmend über die Europäische Union, insbesondere im Rahmen der EU-Ausbildungsmission in der Zentralafrikanischen Republik: Fast die Hälfte der Ausbilder sind französische Soldaten. Frankreich stellt auch für die UN-Mission viele französische Mitarbeiter und einen Brigadegeneral als Stabschef der Truppe.
Diese Wahlen rücken auch tiefergehende Fragen über die Mechanismen der Politik in der Zentralafrikanischen Republik in den Fokus. Dort ließen Wahlen schon immer alte politische Rivalitäten aufleben und entsprachen nie internationalen Standards. Wie stets waren die jüngsten Wahlen ein Wettstreit zwischen Persönlichkeiten aus einer politischen Aristokratie: Leuten, die bereits Regierungsverantwortung ausgeübt hatten und mehr von unmittelbaren persönlichen Interessen geleitet waren als vom Interesse der Allgemeinheit. Die politischen Parteien unter der Fuchtel des allgegenwärtigen Präsidenten sind eher Klubs von Unterstützern als echte Organisationen, die ein konsistentes soziales Projekt vorschlagen.
Man kann sich auch fragen: Hatten die Zivilgesellschaft und die demokratische Opposition jemals wirklich demokratischen Handlungsspielraum? Wurden sie jemals ernsthaft als Alternative in Betracht gezogen? Die Zweifel gehen über den Fall der Zentralafrikanischen Republik hinaus: Es ist fraglich, inwieweit die Demokratie in Zentralafrika verankert ist. Besonders in der Wirtschaftsgemeinschaft zentralafrikanischer Staaten (ECCAS, französisch CEMAC), die vom Tschad im Norden bis Angola im Süden reicht, sind Wahlen meist nur ein Trugbild der Demokratie. In diesem an Rohstoffen reichen Teil des Kontinents ist es normal, die Macht des Präsidenten zum Nutzen eines Clans auf Dauer festzuschreiben.
Aus dem Französischen von Bernd Ludermann.
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