Es gibt Hakenkreuzschmierereien an Wänden, Anfeindungen im Netz bis hin zu Brandanschlägen und gelockerten Radschrauben an Autos von Engagierten. Auf den seit 2019 kursierenden sogenannten Feindeslisten der rechtsextremen Gruppierung „Nordkreuz“ standen neben Politikern von den Grünen oder der Linken auch die Namen von Aktiven vom Eine-Welt-Landesnetzwerk Mecklenburg-Vorpommern. „Nordkreuz“ plante den Zusammenbruch des Staates und hatte für diesen „Tag X“ schon mal die „Feinde“ benannt.
„Wir haben es in Teilen Ostdeutschlands mit einer Bedrohungslage zu tun“, sagt Andreas Rosen von der Stiftung Nord-Süd-Brücken. Die Stiftung fördert rund 400 entwicklungspolitische Vereine in den ostdeutschen Bundesländern, von denen einige mit direkten Anfeindungen von rechten Gruppen zu tun haben. Betroffen sind dabei nicht so sehr die Großstädte, sondern in erster Linie die ländlichen Regionen.
Vorsichtsmaßnahme: Nie alleine im Büro
Heidi Bischof ist Regionalpromotorin für entwicklungspolitische Bildungsarbeit und Globales Lernen in Wurzen bei Leipzig, der Verein Netzwerk für Demokratie ist die Trägerorganisation ihrer Promotoren-Stelle. Vor fünf Jahren sei ein großes Hakenkreuz an die Tür des Vereinshauses geschmiert worden, berichtet Bischof. Und ein Rohrbombenanschlag im Jahr 2004 sei noch immer nicht aufgeklärt. Zweimal sei das Auto des Vereinsvorsitzenden manipuliert worden, einmal seien die Radmuttern locker gedreht, ein anderes Mal sei der Auspuff mit Bauschaum zugeklebt worden. Anzeigen bei der Polizei verliefen im Nichts, berichtet Bischof. Aus Vorsicht arbeiten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter daher nie alleine im Büro.
Nach Angaben der alle zwei Jahre durchgeführten Leipziger Autoritarismus-Studie ist der Anteil von Menschen mit autoritären bis hin zu rechtsnationalen Einstellungen in den neuen Bundesländern signifikant höher als im Westen und steigt tendenziell noch. Nach Angaben der neuesten Studie von 2020 hat rund die Hälfte der ostdeutschen Bevölkerung islamfeindliche Einstellungen. In manchen Regionen wie etwa um Görlitz in Sachsen stellt die AfD die stärkste Fraktion im Stadtrat. Wo die AfD stark ist, fühlen sich auch andere rechtsextreme Gruppen bis hin zu Neonazis ermutigt.
Die AfD will, dass Deutschland die Agenda 2030 ignoriert
Rechtspopulisten betonen den Vorrang des eigenen Volkes, sie sind gegen Migration, stehen für ein traditionelles Geschlechterbild, leugnen den Klimawandel und lehnen häufig auch internationale Vereinbarungen ab. So hat die AfD 2019 im Bundestag den Antrag gestellt, die Bundesregierung solle sich bei den Vereinten Nationen für die Aufhebung der Nachhaltigkeitsziele einsetzen und sie nicht länger unterstützen. „Das Thema Rechtspopulismus betrifft die Eine-Welt-Arbeit zunehmend“, sagt Udo Schlüter, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der Eine-Welt-Landesnetzwerke in Deutschland. „Wer für globale Solidarität steht, ist der natürliche Gegner von allen, die nationalistische und rassistische Einstellungen vertreten.“
Rassistische Einstellungen erschweren auch das Globale Lernen an den Schulen. „Im ländlichen Raum läuft Eine-Welt-Arbeit ganz anders“, sagt Heidi Bischof. „Anders als in den Großstädten haben die Menschen hier etwa kaum Möglichkeiten, positive Erfahrungen mit Vielfalt zu machen.“ Beim Globalen Lernen in den Schulen, vor allem an den Berufsschulen, müssten die Schülerinnen und Schüler erst einmal selber in ihrer zum Teil schwierigen Situation gesehen werden. Erst im nächsten Schritt könne man auf die Situation in Ländern des globalen Südens kommen. „Wir sind hier fast schon Sozialarbeiter“, sagt Bischof. Das führt aber zu Konflikten mit den Geldgebern, denn Rassismusprävention gehört offiziell nicht zu den Aufgaben der Eine-Welt-Promotoren, die vom Bundesentwicklungsministerium finanziert werden.
Mehr Rückhalt aus dem Westen erwünscht
Für Andreas Rosen jedoch ist unstrittig, dass nationaler Egoismus und Rassismus die entwicklungspolitische Arbeit unterminieren. Er wünscht sich, dass die Zivilgesellschaft in den westlichen Bundesländern das Problem deutlicher zur Kenntnis nimmt. „Wir brauchen mehr Interesse und mehr Solidarität“, sagt er. Im Westen hätten viele immer noch keine Vorstellung davon, unter welch schwierigen und teils bedrohlichen Bedingungen ihre ostdeutschen Kollegen entwicklungspolitische Inlands- und solidarische Partnerschaftsarbeit machten.
Als Signal einer deutlicheren Unterstützung für die Zivilgesellschaft im Osten aus den westlichen Bundesländern könnten etwa hochkarätige Veranstaltungen zur Entwicklungszusammenarbeit in Ostdeutschland stattfinden, wie etwa das Format „Entwicklungspolitik to go“ in mehreren ostdeutschen Bundesländern. Heidi Bischof fände auch eine Schirmherrschaft von populären Musikern oder Politikern für Veranstaltungen gut. „Das würde mehr Rückhalt und Bestätigung für unsere Arbeit signalisieren.“
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