Entwaldung vermeiden, damit Treibhausgase einsparen und dafür Länder, Firmen oder Privatleute zahlen lassen, die eigene Emissionen kompensieren wollen oder müssen: Das ist das Prinzip hinter dem Programm REDD+ unter den internationalen Klimavereinbarungen. Eine neue, unter anderem von Brot für die Welt geförderte Studie über zwei große REDD+-Projekte in Kolumbien macht nicht nur in diesen Fällen Missbrauch deutlich, sondern zeigt auch, dass der ganze Ansatz mit kaum behebbaren Fehlern behaftet ist.
Kern des Problems: Um Zertifikate für die Vermeidung bestimmte Emissionsmengen zu verkaufen, muss man feststellen, wie viel Emissionen ein Projekt vermieden hat – im Fall von REDD+: wieviel Waldfläche gerettet wurde. Das erfordert Annahmen darüber, wie viel mehr ohne das Projekt, im „Normalfall“, vernichtet worden wäre. Dieser Wert wurde laut der Studie in beiden großen Projekten künstlich hoch angesetzt, indem die „normale“ Entwaldungsrate auf einer mit Straßen erschlossenen Fläche am Waldrand erhoben wurde – die Projektgebiete sind aber kaum erschlossen und überdies großenteils im Besitz von indigenen Gruppen, die erfahrungsgemäß den Wald gut schützen.
Die Autoren legen lediglich die offiziell geltenden Regeln und Maßstäbe an, wühlen sich durch zahlreiche offizielle Dokumente und technische Projektberichte und finden, dass diese Regeln verletzt werden. Kolumbien hat REDD+-Vorhaben für ganze Verwaltungseinheiten im Amazonasgebiet (finanziert von internationalen Gebern, darunter Deutschland) und hat dafür eine Referenz-Entwaldungsrate ermittelt. Die liegt viel niedriger als in den beiden Projekten unterstellt. Gemessen daran hätten diese ihre CO2-Einsparung um das 2,5- bis 3,5-Fache überschätzt und entsprechend zu viele Zertifikate auf den Markt gebracht; wenn man eine kolumbianische Schätzung der maximal möglichen Treibhausgasvermeidung in dem Gebiet zugrundelege, seien es sogar bis 10 Mal zu viele.
Mit vorgetäuschtem Klimaschutz Steuern vermeiden
Gekauft worden seien die Zertifikate unter anderem von kolumbianischen Firmen. Denn Kolumbien hat 2016 eine Steuer auf CO2-Emissionen eingeführt; statt sie zu zahlen, dürfen Firmen Zertifikate für vermiedene Emissionen vorweisen. In dem Fall hätten sie also mit großenteils vorgetäuschtem Klimaschutz im Wald Steuern vermieden.
Der Bericht betont, der Fehler liege im System. Weder die Auditorenfirmen, welche die Projekte zertifizieren, noch die Hüter der internationalen Standards, auf die die Projekte sich verpflichtet haben, noch die kolumbianischen Behörden hätten den Missbrauch moniert.
In der Tat ist völlig unrealistisch zu glauben, strengere Aufsicht und Regulierung könnten solche Luftbuchungen im Waldschutz verhindern. Die Studie zeigt, wie einfach es ist, REDD+-Projekten übertriebene Klimaschutzwirkung zuzuschreiben; man muss nur mit ein paar scheinbar technischen Entscheidungen wie der Wahl des Vergleichsgebiets die hypothetische „normale“ Entwaldung groß rechnen. Die Anreize für Manipulation sind hoch und werden noch dramatisch wachsen. Denn viele große Firmen wollen klimaneutral werden und immer mehr Staaten verkünden dieses Ziel. Die Nachfrage nach Zertifikaten für die Kompensation eigener Emissionen wird daher stark wachsen – und damit auch der Anreiz für Missbrauch.
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