Die EU und Mexiko ordnen ihren Handel neu

picture alliance / Rupert Oberhäuser
Das neue Handelsabkommen zwischen Mexiko und der EU soll Handelshemmnisse abbauen. Kritiker monieren, die EU wolle vor allem Waren wie Geflügel und Käse billig nach Mexiko exportieren.
Welthandel
Das geplante Handelsabkommen der EU mit Mexiko steht im Schatten des Paktes mit den Mercosur-Staaten, provoziert aber ähnliche Kritik.

Im Jahr 2019 hat die EU Waren im Wert von 37,4 Milliarden Euro und Dienstleistungen für 13,9 Milliarden Euro nach Mexiko exportiert, umgekehrt betrug das Volumen 24,4 und 6,4 Milliarden Euro. Basis ist ein zweiteiliges, im Jahr 1997 unterzeichnetes und 2000 und 2001 in Kraft getretenes Abkommen, das neben dem Handel auch die politische Zusammenarbeit mit Mexiko umfasst – laut EU-Kommission war es das erste umfassende Wirtschafts- und Politikabkommen der Union mit einem lateinamerikanischen Land. 

Sowohl der politische Teil als auch die Bestimmungen zum Handel werden seit 2016 überholt. Bereits 2018 erklärte die EU-Kommission die Handelsgespräche grundsätzlich für abgeschlossen, unter der neuen Präsidentin Ursula von der Leyen wurde im April 2020 ein weiteres Mal ein Abschluss verkündet. Man habe den letzten offenen Punkt geregelt, der sich um die öffentliche Beschaffung drehte. Mittlerweile befindet sich der Text im „legal scrubbing“, wie es im Brüsseler Jargon heißt. Dabei wird er durchgesehen und rechtssicher formuliert, bevor er in alle EU-Sprachen übersetzt und verabschiedet wird. 

Nürnberger Bratwürste in Mexiko

Der neue Vertrag senkt verbliebene Zölle, besonders bei Lebensmitteln. So würden der Kommission zufolge etwa die Abgaben auf europäische Geflügel- und Käse-Einfuhren nach Mexiko verschwinden, die derzeit bis zu 100 beziehungsweise bis zu 45 Prozent betrügen. Das neue Abkommen würde laut Kommission auch den Schutz geografischer Angaben wie „Nürnberger Bratwürste“ in Mexiko verbessern, Zollkontrollen und den Onlinehandel vereinfachen und den Markt für öffentliche Aufträge weiter öffnen, so dass etwa europäische Unternehmen sich auf Ebene der mexikanischen Bundesstaaten um öffentliche Aufträge bewerben können. Insgesamt würden mit dem Abkommen laut Kommission 99 Prozent der Waren zwischen der EU und Mexiko zollfrei gehandelt werden können.

In einem wichtigen Aspekt geht der Mexiko-Pakt über den Mercosur-Pakt hinaus, da er auch den Investitionsschutz umfasst. Für Klagen von Investoren soll ein verändertes Schiedsgerichtssystem eingeführt werden, das maßgeblich auf die Kritik am EU-Handelsabkommen mit Kanada (CETA) zurückgeht. Es verspricht anstelle von Ad-hoc-Tribunalen ein ständiges Gericht mit unabhängigen Richtern, einer Berufungsmöglichkeit und mehr Transparenz. Auf einem anderen zentralen Feld ähneln sich die Abkommen mit Mexiko und den Mercosur-Staaten. Beide enthalten ein Kapitel zu „Handel und nachhaltiger Entwicklung“. Dort bekennen sich die Partner unter anderem zum Pariser Klimaabkommen, zu Standards der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), zur Biodiversitätskonvention und den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte. 

Die Kapitel zu Nachhaltigkeit sind Kritikern zu schwach

Allerdings rufen beide Abkommen ähnliche Kritik hervor. Das Nachhaltigkeitskapitel überzeugt die Europaabgeordnete Anna Cavazzini (Grüne) im Abkommen mit Mexiko ebenso wenig wie im Mercosur-Pakt: „Es ist nicht einklagbar, die Nachhaltigkeitsvorgaben sind abgekoppelt vom Rest des Textes und unterliegen damit nicht seinen Sanktionsvorgaben.“ Davon abgesehen müsste das Kapitel konkrete Schritte festschreiben, etwa die Abschaffung von Subventionen für fossile Brennstoffe, fordert Cavazzini. Auch bei der Liberalisierung des Handels mit Agrarprodukten ist die Abgeordnete bei Mexiko wie Mercosur skeptisch – für Kleinbauern könne das nachteilige Konsequenzen haben. Und was die Schiedsgerichtsbarkeit im Mexiko-Vertrag angeht, so beträfen die Verbesserungen nur die Verfahren und nicht die Substanz. Klagen privater Investoren zum Beispiel gegen staatliche Klimaschutzmaßnahmen seien weiter möglich. Der Mexiko-Pakt müsse deshalb neu verhandelt werden, fordert Cavazzini. 

Viel positiver sieht den Text die FDP-Abgeordnete Svenja Hahn. Gerade nach der Corona-Krise berge das Abkommen „großes Potenzial“ für Wirtschaftswachstum auf beiden Seiten des Atlantiks. Eine Liberalisierung des Handels mit landwirtschaftlichen Produkten sei für viele Entwicklungs- und Schwellenländer attraktiv. Hahn hält aber auch den Handel mit nachhaltigen Technologien zur Gewinnung und Speicherung von Energie für vielversprechend, etwa für den Umweltschutz. Mit den Warenlieferungen und dem damit verbundenen Wissenstransfer könne Europa den Kampf gegen den Klimawandel in Mexiko voranbringen helfen. 

Kritik an der Verbindlichkeit des Nachhaltigkeitskapitels lässt die FDP-Politikerin nicht gelten. Obgleich das Kapitel gesonderte Regelungen bei Streitfällen zwischen den Vertragspartnern vorsehe, seien seine Bestimmungen verbindlich. Insgesamt hebe der Pakt den Klimaschutz in den beiderseitigen Beziehungen somit auf „ein neues Level“.

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erschienen in Ausgabe 7 / 2021: Entwicklung wohin?
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