Aus Sicht der entwicklungspolitischen Zivilgesellschaft, die sich für Kleinbauern und ländliche Entwicklung im globalen Süden engagieren, sollte die Agrarökologie eine Schlüsselrolle spielen bei einem landwirtschaftlichen Systemwechsel, der für die Armutsbekämpfung und die Anpassung an die Klimakrise unerlässlich sei. Bereits vor zwei Jahren hatten 59 Organisationen in einem Positionspapier gefordert, das Konzept zu einem zentralen Ansatz für eine sozial-ökologische Transformation der Agrar- und Ernährungssysteme zu machen.
Bei einem „Runden Tisch Agrarökologie“ holten das Entwicklungsministerium (BMZ) und andere Ressorts, die Durchführungsorganisation GIZ und die KfW Entwicklungsbank im März schließlich Empfehlungen von mehr als 30 Organisationen aus der Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft ein, wie agrarökologische Ansätze in der Entwicklungspolitik verstärkt werden sollten. „Das BMZ hat damit ein klares entwicklungspolitisches Signal pro Agrarökologie gesetzt“, sagte ein Sprecher. Ein Aktionsplan Agrarökologie werde die Position des Welternährungsausschusses (CFS) in Rom in Betracht ziehen.
Der Ausschuss hat Anfang Juni politische Empfehlungen zu agrarökologischen und anderen innovativen Ansätzen für eine nachhaltige Landwirtschaft verabschiedet. „Agroökologie, digitale Technologien und Innovationen sind Teil der ganzheitlichen Neugestaltung der weltweiten landwirtschaftlichen Ernährungssysteme, um sie effizienter, inklusiver, widerstandsfähiger und nachhaltiger zu machen“, erklärte der Generaldirektor der Welternährungsorganisation FAO, Qu Dongyu, anlässlich der CFS-Sondersitzung.
Fokus auf lokale Wertschöpfung
Auch die Regierungsmehrheit im Bundestag hat sich bereits im Juli vor zwei Jahren für eine Stärkung agrarökologischer Ansätze in der Entwicklungspolitik ausgesprochen. Allerdings betont die Unionsfraktion, dass sie die Subsistenzwirtschaft von Kleinbauern für nicht zukunftsfähig halte: Die Bauern bräuchten ein marktwirtschaftliches Konzept und Absatzmärkte für ihre Produkte. Die Agrarökologie hingegen legt den Akzent auf die lokale Wertschöpfung, auf Ernährungssouveränität und das Recht auf Nahrung. Im Landbau geht es um den Erhalt der Bodenfruchtbarkeit, um eine ganzheitliche Betrachtung von Böden, Pflanzen, Tieren und Menschen sowie um die Unabhängigkeit von Betriebsmitteln wie chemischen Dünger und Pestiziden.
Es werde also stark darauf ankommen, wie Agrarökologie in einem Aktionsplan eingegrenzt und welcher Stellenwert ihr beigemessen wird, sagt Lena Bassermann vom zivilgesellschaftlichen Netzwerk Inkota. Sie begrüßt es, dass im BMZ unter Minister Gerd Müller ein Umdenken stattgefunden hat. Ein Plan für die Agrarökologie müsse aber auch höhere Fördergelder vorsehen und stark auf die Teilhabe von Frauen ausgerichtet sein. „Und man muss dann auch das Andere lassen“, sagte Bassermann mit Verweis auf die Unterstützung von konventioneller Landwirtschaft. Ein eigenes BMZ-Referat für die Agrarökologie würde die Ausrichtung auch institutionell verankern.
Bis zur Verankerung in deutscher EZ noch ein langer Weg
Laut dem BMZ-Sprecher versteht das Ministerium unter Agrarökologie einen Ansatz, der über Landwirtschaft und ökologischen Landbau hinausgeht. Agrarökologische Ansätze nähmen eine stärkere gesamtheitliche, auch politische Betrachtung vor – etwa von Natur- und Wirtschaftsräumen und ländlicher Regionalentwicklung sowie von Wirtschaftskreisläufen, Gesellschaft und Politik, Kultur und Tradition.
Bis zur Verankerung des Konzepts in der deutschen Entwicklungszusammenarbeit ist es derweil noch ein langer Weg. Das BMZ verweist zwar auf eine „steigende Tendenz von Vorhaben mit dem Förderzweck Agrarökologie“. Nach einer Mitteilung an den Bundestag vom Februar wurden in den Jahren 2014 bis 2018 bei 84 von insgesamt 907 Vorhaben zur ländlichen Entwicklung „agrarökologische Kriterien im weiteren Sinne bearbeitet“. Jüngere Zusagen sollen auch den alleinigen oder überwiegenden Förderzweck Agrarökologie haben. Einen genaueren Überblick will das Ministerium bis zum Herbst vorlegen.
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