Mit Erfolg gegen Piraten

Brüssel
Seit die EU-Marinemission Atalanta vor Somalia im Einsatz ist, gibt es dort deutlich weniger Piratenangriffe. Weniger klar ist, wie erfolgreich der Kampf gegen die Ursachen von Piraterie ist.

Atalanta wurde Ende 2008 als erste EU-Marineoperation ins Leben gerufen, basierend auf Resolutionen des UN-Sicherheitsrates. Hauptzweck: der Kampf gegen Piraten und der Schutz der Schifffahrt. Die Mission schützt insbesondere Transporte des Welternährungsprogramms nach Somalia. 

Derzeit bildet die spanische Castilla Atalantas Flaggschiff. Hinzukommen können je nach Situation und Wetter ein weiteres Kriegsschiff, Helikopter, Drohnen und Flugzeuge. Atalanta-Soldaten gehen auch als Eskorte an Bord gefährdeter Schiffe. Das Operationsgebiet reicht weit über Somalias Gewässer hinaus in den Indischen Ozean, den Golf von Aden und das südliche Rote Meer.

Den Zahlen nach ist die Mission ein Erfolg, wobei zu berücksichtigen ist, dass auch andere Länder in dem Seegebiet gegen Piraterie vorgegangen sind: In den Jahren 2009, 2010 und 2011 registrierte Atalanta 163, 174 und 176 Piratenangriffe, 2019 war es noch ein Angriff und im vergangenen Jahr keiner mehr. 171 mutmaßliche Piraten hat die Mission nach ihren Angaben „mit Blick auf ihre Strafverfolgung an zuständige Behörden überstellt“. Wohin, teilt die EU nur andeutungsweise mit. Das Mandat sieht vor, dass rechtsstaatliche Standards Voraussetzung für eine Überstellung sind. EU-Sprecherin Nabila Massrali verweist auf „verbindliche Vereinbarungen“ unter anderem mit den Seychellen und Mauritius. Zudem beobachte das UN-Büro zur Bekämpfung von Drogen und Kriminalität UNODC die Prozesse gegen die Verdächtigen; die EU-Delegationen in Mauritius und Somalia würden informiert. 

Auch die Bundeswehr ist beim Einsatz dabei

Mutmaßliche Piraten können auch in die EU gebracht werden. So geschah es zehn Somalis, die im April 2010 den deutschen Frachter Taipan gekapert hatten. Niederländische Atalanta-Soldaten landeten auf dem Schiff und stellten sie, 2012 wurden die Somalis vom Landgericht Hamburg zu Haftstrafen verurteilt. Verwundete oder verletzte Soldaten haben weder die EU noch die Bundeswehr in den zwölf Jahren registriert, der Bundeswehr zufolge wurde allerdings 2010 ein mutmaßlicher Pirat tödlich verletzt.

Die Bundeswehr ist seit 2008 bei der Operation dabei. Sie beteiligte sich nach ihren Angaben zuletzt 2016 mit eigenen Schiffen und bis Dezember 2020 mit einem in Dschibuti stationierten Seefernaufklärer. Anfang März 2021 teilte die Bundeswehr mit, das Flugzeug nicht mehr für die Operation einzusetzen und die in Dschibuti stationierten Soldaten abzuziehen, um „den deutschen Beitrag zu Atalanta anzupassen“. Gründe seien der Erfolg im Kampf gegen die Piraterie und das gewandelte Aufgabenspektrum der Mission. Künftig wolle die Bundeswehr „sowohl Führungspersonal als auch temporär Schiffe der Marine“ stellen.
Atalanta ist keine isolierte Antipiraterieoperation. So kooperiert sie mit zwei weiteren: EUCAP Somalia ist eine zivile Mission für maritime Sicherheit, die etwa den Aufbau einer somalischen Küstenwache unterstützt, EUTM Somalia ist eine Ausbildungsmission für das somalische Militär. 

Entwicklungshilfe für somalische Fischer

Darüber hinaus richte sich die europäische Entwicklungspolitik vor Ort gezielt auch gegen die Ursachen von Piraterie, so Massrali. Sie verweist etwa auf ein mit 5,3 Millionen Euro dotiertes Programm mit dem Ziel,  in Küstengemeinden in Puntland, Galmudug und Mogadischu Jugendlichen Alternativen zur Piraterie zu schaffen. Es habe unter anderem Material und technische Hilfe für die Beschäftigung in der Fischindustrie bereitgestellt. Die Fischerei ist ein Schlüsselsektor in Somalia mit seiner langen Küste – oder könnte es zumindest sein. Vor diesem Hintergrund habe Atalanta zum Beispiel der UN-Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation FAO bei einem Programm zum Anlocken von Fischen geholfen, erklärt Massrali. Auch die Überwachung illegaler, nicht gemeldeter und unregulierter Fischerei wurde zwischenzeitlich in die Aufgabenbeschreibung der Mission übernommen. Diese sei direkt mit der Piraterie verbunden und behindere die Entwicklung des Fischereisektors in Somalia, macht Massrali geltend. Das aktuelle Atalanta-Mandat vom Dezember 2020, das die Mission bis Ende 2022 verlängert, sieht weitere sekundäre Aufgaben vor, etwa einen Beitrag zur Anwendung des UN-Waffenembargos gegen Somalia und die Überwachung des Drogenhandels und des illegalen Handels mit Holzkohle. 

Europaabgeordnete finden richtig, dass Atalanta keine isolierte Antipirateriemission ist. „Nur mit einer ganzheitlichen Strategie kann die Europäische Union auch die Ursachen der Piraterie langfristig bekämpfen. Dazu sollten auch lokale Gruppen aktiv einbezogen werden“, erklärt Udo Bullmann (SPD). Jan-Christoph Oetjen (FDP) findet gut, dass Atalanta gegen illegale Fischerei Präsenz zeige. Atalanta solle aber „keine Mission auf Ewigkeit“ werden, fordert Oetjen. Mittelfristig müssten Somalia selbst oder zumindest Nachbarn wie Dschibuti die Hauptverantwortung für die Sicherheit am Horn von Afrika übernehmen. 

Auch die Forscherin Annette Weber findet den breiteren Ansatz von Atalanta, wie er im neuen Mandat zum Ausdruck komme, grundsätzlich richtig. Allerdings sei fraglich, ob gegen den Schmuggel mit Drogen und Kohle nicht ein anderes Herangehen wirksamer wäre. Bei beidem gehe es letztlich darum, die Finanzierung der Terrormiliz al-Shabaab zu treffen, erläutert die Spezialistin der Stiftung Wissenschaft und Politik für das Horn von Afrika. Dies könne man möglicherweise wirksamer durch direkte Kontrollen der Finanzflüsse schaffen als durch eine Marinemission.

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