Es ist erschreckend: Gerade die Schwächsten der Gesellschaft, die besonderen Schutz benötigen, sind besonders in Gefahr, Opfer von Gewalt und Diskriminierung zu werden. Frauen und Mädchen mit Behinderungen sind oft doppelt benachteiligt: In vielen Ländern der Welt gelten Frauen immer noch als minderwertig; Menschen mit Behinderungen werden ebenfalls häufig als schwach und wertlos angesehen. Kommt beides zusammen, sinken die Chancen auf Anerkennung und gleichberechtigte Teilhabe stark.
Diskriminierung fängt in der Schule an
Verschiedene Studien wie der Behindertenbericht der Weltbank und der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zeigen Mehrfachdiskriminierung auf. Sie fängt bereits bei der Schulbildung an. Deutlich weniger Mädchen mit Behinderungen als ihre nicht behinderten Geschlechtsgenossinnen oder Jungen mit Behinderungen schließen die Grundschule ab. Entsprechend niedrig ist die Alphabetisierungsrate von Frauen mit Behinderungen. Das hat Folgen für das Berufsleben: Lediglich 20 Prozent der Frauen mit Behinderungen haben Zugang zu einer Erwerbstätigkeit. Zum Vergleich: Bei behinderten Männern ist der Anteil mit 53 Prozent mehr als doppelt so hoch, bei nicht behinderten Frauen beträgt er immerhin 30 Prozent.
Frauen mit Behinderungen benötigen deshalb besonders oft umfassende Unterstützung, um ihren Alltag zu bewältigen. Diese Abhängigkeit steigert ihr Risiko, Opfer von Gewalt zu werden. Die häufig unfreiwillige Nähe lässt die Hemmschwelle potenzieller Täter sinken, das Vertrauensverhältnis auszunutzen. Mancherorts herrscht zudem noch immer der Irrglaube, dass psychosoziale und intellektuelle Beeinträchtigungen das Denken und Fühlen einschränken und Missbrauch und Gewalt in diesen Fällen entsprechend weniger schwer wiegen. Hinzu kommt: Der Großteil der Täter wird nur selten zur Rechenschaft gezogen und muss kaum mit Konsequenzen rechnen. Denn viele Betroffene wagen es nicht, Gewalt anzuzeigen. Zu groß ist neben der Abhängigkeit von den Tätern die Sorge, nicht gehört und nicht geschützt zu werden. Gerade in patriarchalisch geprägten Gesellschaften stellt sich das Umfeld eher hinter den Mann und sucht die Schuld bei der Frau.
Frauen müssen gestärkt werden
Eine, die das ändern will, ist Anbreen Ajaib, Direktorin der pakistanischen Hilfsorganisation Bedari. In einem Projekt, das von UN Women gefördert wird und das die Organisation gemeinsam mit der CBM umsetzt, versucht die 44-Jährige auch gezielt, Jungen und Männer mit ins Boot zu holen, um Verhaltensmuster zu ändern. Sie sollen lernen, dass Männlichkeit nicht bedeutet, Frauen zu schlagen, sondern dagegen aufzustehen. Zudem suchen die Mitarbeiterinnen von Bedari das Gespräch mit den Frauen zu Hause und vermitteln im Notfall den Kontakt zu Frauenhäusern. Sie tauchen tief ein in die Dorfgemeinschaften, um das Vertrauen der Bevölkerung zu gewinnen. Sie leisten Aufklärung an Schulen und Lobbyarbeit bei den örtlichen Behörden. So setzen sie sich auch dafür ein, dass die Polizei gezielt gegen Gewaltverbrechen an Frauen mit Behinderungen vorgeht. Denn oft fehlt es nicht an entsprechenden Gesetzen, sondern es hapert an der Umsetzung.
Entscheidend aber ist, die betroffenen Frauen selbst zu stärken und ihnen eine Stimme zu geben. Viele von ihnen lernen durch Anbreen Ajaib und ihre Mitstreiterinnen erstmalig ihre Rechte kennen und wie sie sie einfordern können. Zudem werden sie unterstützt, sich in Selbsthilfegruppen zu organisieren und eine Erwerbsarbeit aufzunehmen. Es gilt, Frauen und Mädchen mit Behinderungen unabhängiger zu machen, sie zu befähigen und sie zu ermutigen, gegen Diskriminierung aufzustehen. Nichts stärkt ihr Selbstvertrauen mehr, als wenn sie merken, dass sie Gewalt und Diskriminierung nicht hilflos ausgeliefert sind, sondern selbst etwas bewegen können.
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