Wie die Weltbank dem Klima schadet

Förderpraxis
Die Weltbank und andere internationale Finanzinstitutionen stellen Milliardenbeträge für staatliche Konjunkturprogramme in der Corona-Krise zur Verfügung. Die Bank rät den Regierungen, das Geld klimaschonend zu investieren. Doch dem widerspricht ihre eigene Praxis.

Ausgaben im und wirtschaftliche Anreize für den Energiesektor werden die Infrastruktur für die kommenden Jahrzehnte prägen. Daher haben die Weltbank und der Internationale Währungsfonds (IWF) die Regierungen aufgefordert, ihre Konjunkturprogramme umweltfreundlich zu gestalten, um eine Klimakrise zu vermeiden. Der IWF argumentiert in einem Dossier vom April 2020, dass die Energiepreise angemessen sein müssten, damit zusätzliche Investitionen aus Corona-Konjunkturpaketen nicht in „schmutzige Sektoren“ fließen – denn das würde von einer in die nächste Krise führen. Um solche angemessenen Energiepreise zu bewirken, müssen nach Ansicht des IWF und der Weltbank die Subventionen für fossile Brennstoffe abgebaut und ein Preis für Kohlenstoff festgelegt werden, etwa über eine Kohlenstoffsteuer.

Während die Weltbank also viel von einem grünen Aufschwung und einem richtigen Energiepreis spricht, ergibt ein genauerer Blick auf ihr eigenes Portfolio ein anderes Bild. Seit der Verabschiedung des Pariser Klimaabkommens im Dezember 2015 hat die Weltbankgruppe mindestens 9,4 Milliarden Dollar für fossile Energieprojekte in 30 Ländern bereitgestellt. Dazu gehören fünf Ölraffinerien, vier Projekte zur Exploration von Ölvorkommen und viele Gasprojekte, darunter für Treibhausgas-intensives verflüssigtes Erdgas (LNG).

Zusätzlich zur Projektfinanzierung stellt die Weltbank jedes Jahr über entwicklungspolitische Darlehen (Development Policy Loans) 10 bis über 20 Milliarden US-Dollar an Budgethilfe bereit. Die können die Empfängerländer für jede Art von Infrastruktur mit Ausnahme von Kernenergie ausgeben. Voraussetzung für diese Darlehen sind politische Reformen; in einigen Fällen etwa hat die Bank gefordert, Subventionen für Strom oder Treibstoff zu kürzen. In vielen Ländern wie Nigeria, Mosambik, Indonesien und Ägypten unterstützt die Bank jedoch politische Reformen, die auf Steuererleichterungen – und damit Subventionen – für Investitionen in die Infrastruktur bei Kohle-, Öl- und Gasprojekten hinauslaufen. Die Weltbank hat zugesagt, die Projektfinanzierung für Kohlekraftwerke seit 2013 und für die Öl- und Gasförderung ab 2020 einzustellen. Doch sie unterstützt solche Investitionen weiterhin mit entwicklungspolitischen Darlehen und technischer Hilfe.

Ausbeutung von Ölvorkommen vor Brasiliens Küste

Die Weltbank leistet technische Hilfe, um Investitionen in Kohle, Öl oder Gas in Brasilien, Mosambik, Guyana, Afghanistan, Kenia, Mauretanien und Ghana zu ermöglichen und zu steigern. Sie sieht das als Beitrag zur „Verbesserung der Regierungsführung“. Mit dem Geld werden Berater finanziert, die den Regierungen unter anderem in Fragen der Steuer- und Regulierungspolitik und beim Abschluss von Verträgen mit Firmen zur Seite stehen. In Mosambik und Guyana wurde festgestellt, dass die von der Bank finanzierten Berater enge Beziehungen zu denselben Ölgesellschaften unterhalten, die dort an der Öl- und Gasförderung beteiligt sind; das führt zu erheblichen Interessenkonflikten.

In Brasilien, dem neuntgrößten Ölproduzenten der Welt, hat die Weltbank unter anderem Berater „für die Umsetzung der langfristigen brasilianischen Politik zur Vermarktung von Öl und Erdgas“ finanziert. Laut Programmdokumenten der Bank bemüht sich die Regierung unter anderem, neue Investitionen in die Ausbeutung von Öl- und Gasvorkommen vor der brasilianischen Küste anzulocken. Die Bank ist zu dem Schluss gekommen, dass „die Ausschreibungen nicht so erfolgreich waren wie erwartet ... was die Notwendigkeit zusätzlicher rechtlicher und regulatorischer Reformen unterstreicht“. Im Mai 2020 hat die Bank zusätzliche 38 Millionen Dollar genehmigt, um dieses technische Hilfsprogramm in Brasilien fortzusetzen. In einer Beurteilung stellt die Bank fest, dass „das Projekt vollständig mit den Verpflichtungen der Weltbankgruppe zur Eindämmung des Klimawandels und zur Anpassung an den Klimawandel übereinstimmt“.

Forscher mehrerer Organisationen, darunter vom UN-Umweltprogramm, haben im vergangenen Jahr errechnet, dass die Welt auf bestem Wege ist, im Jahr 2030 mehr als das Doppelte an fossiler Energie zu produzieren, als mit dem Ziel vereinbar ist, die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Mit anderen Worten: Es wird bereits heute viel zu viel in fossile Brennstoffe investiert. Die Weltbank trägt mit ihren Entscheidungen dazu bei, dass dieser Weg fortgesetzt wird.

Am 12. November findet in Paris der „Finance in Common“-Gipfel statt, an dem etwa 450 öffentliche Entwicklungsbanken teilnehmen werden, um nachhaltige Maßnahmen zur Bewältigung der Folgen von Covid-19 zu erörtern. Als Orientierungshilfe haben die Internationale Energieagentur (IEA) und der IWF einen gemeinsamen Bericht veröffentlicht, in dem gezeigt wird, wie Sanierungsgelder für einen „nachhaltigeren“ Energiesektor verwendet werden können.

Das Gegenteil einer Kohlenstoffsteuer

Einer der Vorschläge lautet, Geld bereitzustellen, um die Methanemissionen von Öl- und Gasunternehmen zu verringern. Solche Emissionen entstehen hauptsächlich durch das Abfackeln von austretendem Gas auf Ölfeldern oder durch Lecks bei der Gasförderung und beim Transport. Doch auch wenn es dringend notwendig ist, das Abfackeln von Gas zu stoppen und die Methanemissionen zu reduzieren, sollten nicht die Steuerzahler die Kosten tragen. Ölgesellschaften verkaufen austretendes Gas teilweise, leiten es zurück in Bohrlöcher, um mehr Öl zu gewinnen, oder verwenden es als Rohstoff für die petrochemische Produktion. Öffentliche Entwicklungsgelder einzusetzen, um hier die Emissionen zu reduzieren, würde den Ölkonzernen zusätzliche Einnahmen verschaffen und wäre das Gegenteil einer Kohlenstoffsteuer.

Darüber hinaus könnten diese zusätzlichen Einnahmen kriselnden, weniger wettbewerbsfähigen Öl- und Gasbetrieben aus der Klemme helfen und den Markt verzerren. In einigen Fällen könnten sie auch Ölkonzerne ermutigen, noch stärker in die Petrochemie einzusteigen. Die Weltbank hat bereits 160 Millionen Dollar Klimafinanzierung für die Abscheidung von Gas im Irak zugesagt. Sie unterstützt damit Pläne von Shell zur Gasverarbeitung und zum Ausbau der Petrochemie sowie für die Ölförderung von ExxonMobil, ENI und BP im Irak.

Der „Finance in Common“-Gipfel sollte es ablehnen, dass öffentliche Entwicklungsgelder für die Reduzierung des Methanausstoßes der Ölgesellschaften verwendet werden. Wenn die Weltbank und der IWF die Subventionen für fossile Brennstoffe wirklich abbauen und eine Klimakrise vermeiden wollen, dürfen sie nicht weiter in fossile Brennstoffe investieren oder solche Investitionen fördern, etwa im Rahmen von Politikempfehlungen. Sie sollten stattdessen den Regierungen empfehlen, einen Preis für Methanemissionen festzusetzen, der Unternehmen motiviert, das Abfackeln von Gas zu beenden, und der zugleich Staatseinnahmen für die Bewältigung der Corona-Krise generiert. Oder sie sollten die Regierungen ermutigen, das Abfackeln von Gas zu verbieten, so wie es Norwegen getan hat. Sie sollten jegliche technische Unterstützung zugunsten des Öl-, Gas- und Kohlesektors einstellen. Schließlich sollten zusätzlich zur Kernenergie auch Kohle-, Öl- und Gasoperationen auf die Ausschlussliste für die Budgethilfe von Weltbank und IWF gesetzt werden.

Aus dem Englischen von Tillmann Elliesen.

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erschienen in Ausgabe 10 / 2020: Idealismus und Karriere
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