Vor allem in den Beziehungen zu Afrika erwarten Gruppen der Zivilgesellschaft stärkere Signale des Engagements der Europäischen Union. So fordern rund 70 Organisationen aus Afrika, Deutschland und anderen EU-Ländern, dass beide Seiten enger zusammenrücken und Krisen gemeinsam angehen. Prioriät hat laut einem Positionspapier des Digital Africa Forum 2020, organisiert vom entwicklungspolitischen Dachverband Venro, die Gesundheitspolitik: Die EU müsse mehr Geld für Gesundheitssysteme in Afrika geben und die AU-Staaten daran erinnern, dass sie selbst 15 Prozent ihrer Etats für Gesundheit aufwenden wollten.
Eindringlich fordert das Forum, der Stimme der Jugend mehr Gewicht zu geben. Deutschland solle beim AU-EU-Gipfel im Oktober eine Gesprächsplattform anbieten, über die Empfehlungen formuliert werden könnten, wie die junge Generation in der Partnerschaft beider Kontinente besser eingebunden werden kann. Gewünscht werden neue Formen politischer Willensbildung, die jungen Menschen echte Repräsentation, Beteiligung und Einflussnahme ermöglichen.
Berlin soll einen Schuldenerlass für Afrika anstreben
Afrika steht zudem stark im Fokus, weil es einen so hohen wirtschaftlichen Preis als Folge der Corona-Krise zahlt. Berlin solle sich für einen Schuldenerlass von Weltbank und privaten Gläubigern einsetzen, fordern Gruppen der Zivilgesellschaft. Auch die Vollendung der afrikaweiten Freihandelszone AfCFTA gelte es zu unterstützen; schon jetzt könnte perspektivisch ein neues Abkommen zwischen Europäischer und Afrikanischer Union als Ersatz der bestehenden Wirtschaftspartnerschaftsabkommen angebahnt werden.
Deutschland könne im Ratsvorsitz zudem auf den Abschluss einer EU-weiten Finanztransaktionssteuer hinwirken, fordert die Kampagnenorganisation ONE, um so aus neuen Eigenmitteln jährlich 60 Milliarden Euro zur Bekämpfung extremer Armut zu gewinnen. ONE plädiert außerdem dafür, im anstehenden Siebenjahreshaushalt der EU Weichen in Richtung höherer Beiträge für Entwicklungszusammenarbeit zu stellen. Mit Blick auf den Klimaschutz fordern Umweltverbände und kirchliche Hilfswerke, der Ministerrat möge rasch das europäische Klimagesetz beschließen, um das Ziel des Green Deal rechtlich zu verankern, die EU bis zum Jahr 2050 klimaneutral zu machen.
Die Bundesregierung hat angekündigt, die Handelspolitik zu einem Schwerpunkt der Ratspräsidentschaft zu machen. Unter anderem will sie das Abkommen der EU mit den Mercosur-Staaten Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay zum Abschluss bringen (siehe den Beitrag gegenüber). Dagegen laufen 60 Organisationen aus den Bereichen Umweltschutz, Landwirtschaft, Menschenrechte, fairer Handel und humanitäre Hilfe Sturm: Sie fordern, Deutschland müsse das Abkommen aufhalten. Der Vertrag werde existenzsichernde Erzeugerpreise und Löhne in der Landwirtschaft der Mercosur- und der EU-Staaten verhindern. In den Mercosur-Ländern werde als Folge steigender Fleischexporte und des Anbaus von Soja und Zuckerrohr für Biokraftstoffe die Abholzung des Amazonasregenwaldes vorangetrieben und der Pestizideinsatz erhöht. Zu befürchten sei, dass Menschenrechtsverstöße zunehmen und Kleinbauern sowie Indigene von ihrem Land vertrieben werden. Durch den Abschluss eines Abkommens widerspreche die EU ihren eigenen Werten.
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