Gefährliches Spiel? Eine Marktverkäuferin im nigerianischen Ondo präsentiert ein Schuppentier.
„Je mehr die natürlichen Lebensräume schrumpfen, desto größer ist die Gefahr, dass Viren vom Tier auf den Menschen überspringen. Corona ist das jüngste Beispiel“, sagte Entwicklungsminister Gerd Müller im Mai in Berlin. Deshalb werde er darauf hinwirken, dass 50 Hochrisikomärkte in Asien und Afrika so schnell wie möglich geschlossen werden. Der Handel mit exotischen Tieren solle weiter eingeschränkt werden.
Zwar stellt bereits das Washingtoner Artenschutzabkommen (CITES) von 1975 inzwischen 5600 Tierarten unter Schutz. Aber es reguliert nur einen Bruchteil des Wildtierhandels. Tierschützer halten die konsequente Schließung von Märkten und die Bekämpfung von Kriminalität im Artenschutzbereich für das beste Mittel, Wilderei und Handel in Milliardenhöhe zurückzudrängen.
Auch Minister Müller stellt sein Anliegen unter das Vorzeichen des Artenschutzes. Natürliche Lebensräume schrumpften durch Raubbau, Tier und Mensch kämen so häufiger miteinander in Kontakt, die Zerstörung der Artenvielfalt bedrohe somit auch den Menschen. „Wissenschaftler sagen uns, dass mindestens 40 Viren ein ähnlich gefährliches Potenzial haben wie Covid-19.“ Dagegen soll sich nun eine neue „Internationale Allianz gegen Gesundheitsrisiken im Handel mit Wildtieren und Wildtierprodukten“ stemmen.
Mit dabei: der World Wide Fund For Nature (WWF), die Wildlife Conservation Society (WCS) und die Zoologische Gesellschaft Frankfurt (ZGF). Der WWF schätzt allein den illegalen Artenhandel auf rund 7000 Arten und bis zu 20 Milliarden Euro Umsatz pro Jahr. Wildtiermärkte mit mangelhafter Hygiene und der Verzehr von Wildtieren gelten als Katalysatoren für Zoonosen, also für Infektionskrankheiten, die vom Tier auf den Menschen übertragen werden. Wissenschaftler vermuten, dass auch der Erreger Covid-19 auf einem Wildtiermarkt im chinesischen Wuhan auf den Menschen übergesprungen ist.
China hat mittlerweile den Konsum praktisch aller landlebenden, wilden Wirbeltierarten als Lebensmittel untersagt und alle Wildtiermärkte geschlossen. Die BMZ-Allianz will nun mit Hilfe örtlicher Behörden rund 50 Märkte in Südostasien und Afrika, die als gesundheitsgefährdend eingestuft werden, identifizieren und schließen lassen. Betroffen sind vor allem Vietnam und der Kongo. Als besonders bedenkliche Arten gelten Fledermäuse, Primaten, Schleichkatzen und Schuppentiere.
Bisher engagiert das BMZ sich vor allem gegen Wilderei
Bisher unterstützt das BMZ zugunsten der Artenvielfalt vor allem Schutzgebiete und engagiert sich gegen Wilderei. Wie Müller gegen den illegalen Handel mit Wildtieren vorgehen will, bleibt zunächst unklar. In der Regierung dürfte er dafür nicht die eifrigsten Mitstreiter finden. Denn Deutschland ist Europas zweitgrößter Importeur von Wildtieren. Ein Auftrag des Koalitionsvertrags aus dem Jahr 2013, gegen den illegalen Handel mit Wildtieren und deren Produkte vorzugehen, Importe von Wildfängen in die EU grundsätzlich zu verbieten und auch gewerbliche Tierbörsen für exotische Tiere zu untersagen, blieb bislang weitgehend unerfüllt.
Auch nach Deutschland kommen die meisten Wildtiere ohne behördliche oder veterinärmedizinische Überwachung. Welche Erreger ein Tier in sich trägt, wird oft erst nach Ausbruch einer Krankheit bekannt. Zwölf deutsche Arten- und Tierschutzverbände appellierten im Frühjahr dringend, für alle Wildtierarten ein ähnlich umfassendes Importverbot wie für wildlebende Vögel durchzusetzen.
Die UN stufen den illegalen Wildartenhandel seit 2015 als schweres Verbrechen ein und mahnen, entschieden dagegen vorzugehen. Wenn Arten aber nur national im Herkunftsland, nicht aber durch CITES oder die EU-Artenschutzverordnung geschützt sind, können sie in Europa weiter offen und legal verkauft werden. Laut der Tierschutzorganisation Pro Wildlife sind hierzulande mehr als 2000 Wildtierarten im Angebot – neben Reptilien viele exotische Säuger wie Nagetiere, Primaten und Flughunde. Der Handel wird über das Internet angebahnt und an örtlichen gewerblichen Börsen abgewickelt.
Die Grünen fordern seit Jahren, solche Handelsbörsen zu untersagen. Für einen Importstopp von Wildfängen in die EU könnten mit Tierschutz- und Halterverbänden Positivlisten erarbeitet werden, die den kommerziellen Handel auf Tiere beschränken, deren Haltung und Zucht unter Schutz-, Gesundheits- und Sicherheitsaspekten unbedenklich seien.
Umwelt- und Gesundheitsministerien sehen aber keinen Handlungsbedarf. Der Rechtsrahmen zur Bekämpfung des illegalen Wildtierhandels sei ausreichend, hieß es noch 2019. Man plane, die Verfolgung des illegalen Artenhandels auf nationaler und internationaler Ebene zu stärken, und prüfe, wie sich die Nachfrage nach exotischen Heimtieren senken lasse – etwa durch bessere Kontrolle des Internethandels und Einführung einer Herkunftsdeklarierung beim Verkauf.
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