Österreichs Hilfe sei seit Jahren zu niedrig und im Jahr 2018 sogar noch weiter gesunken, sagte Walter Hajek, Vorstandsvorsitzender des Dachverbandes Globale Verantwortung mit 35 entwicklungspolitischen Mitgliedsorganisationen sowie Leiter des Bereichs Einsatz und Internationale Zusammenarbeit beim Roten Kreuz. 2018 hat Österreich knapp 988 Millionen Euro beziehungsweise 0,26 Prozent des Bruttonationaleinkommens (BNE) für Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe ausgegeben. Im Jahr davor waren es noch 1,11 Milliarden oder 0,3 Prozent.
Anfang Juni 2019 waren Prüfer aus Irland und der Slowakei sowie Vertreterinnen des DAC-Sekretariats der OECD in Wien, um in Gesprächen mit Vertretern der befassten Ministerien, mit Politikerinnen sowie Vertretern der Wirtschaft, der Zivilgesellschaft und der Wissenschaft Fortschritte der österreichischen Entwicklungspolitik im Vergleich zur letzten Prüfung vor fünf Jahren zu erfassen. „Österreich ist ein verlässlicher und hochgeschätzter Partner in der Entwicklungszusammenarbeit“, heißt es am Anfang des Berichts. Aber obwohl die Prüfer die „qualitätsvolle Hilfe“ der Austrian Development Agency (ADA) loben, stellen sie fest, dass ein Großteil der Empfehlungen des letzten Berichts nicht oder unzureichend umgesetzt wurde.
Weiterhin fehlt ein Stufenplan für das 0,7-Prozent-Ziel
Dazu gehört ein Stufenplan für das Erreichen des international vereinbarten Ziels, 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens für Entwicklungshilfe zur Verfügung zu stellen (ODA-Quote). Auch die Grünen, die sich schon lange für einen solchen Stufenplan einsetzen, konnten ihrem Koalitionspartner ÖVP bei den Regierungsverhandlungen nur eine vage Zusage für höhere Leistungen abringen. Der Löwenanteil der österreichischen Hilfe entfällt auf Beiträge zu multilateralen Organisationen. Die österreichische Agentur ADA wickelt nur 92 Millionen Euro an bilateraler Projekthilfe ab.
2018, im ersten Jahr der konservativen ÖVP-FPÖ-Regierung unter Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP), hatte Österreichs ODA-Quote auf dem niedrigsten Stand seit 2004 gelegen. „Insofern verwundert es nicht, dass eine der Empfehlungen des Berichts lautet, den Beitrag Österreichs endlich zu erhöhen. Die österreichische Bundesregierung sollte daher der Empfehlung des OECD-Berichts Folge leisten, einen verbindlichen Stufenplan zur Erreichung des 0,7-Prozent-Ziels zu erstellen“, kommentiert Hajek den Bericht. Schon im Budget für dieses Jahr könne sie mit einer Erhöhung der bilateralen Hilfe einen ersten Schritt machen. Damit könne Österreich nicht nur Millionen Menschen Lebensperspektiven vor Ort ermöglichen, sondern auch sein Ansehen in der Welt stärken, sagt Hajek. Das Sinken der Leistungen ist damit zu erklären, dass Österreich die Ausgaben für Flüchtlinge in Österreich einrechnet, und die sind seit dem Jahr 2016 kontinuierlich zurückgegangen.
Auch auf strategischer Ebene sieht der Bericht Verbesserungspotenzial für Österreichs Entwicklungspolitik. Die OECD empfiehlt die Erarbeitung einer umfassenden Vision. Derzeit seien die Zuständigkeiten für entwicklungspolitische Vorhaben auf mehrere Ministerien aufgeteilt und es mangelt an einer Fokussierung relevanter Politikfelder auf die Ziele der Entwicklungspolitik, kritisiert die OECD. Die mit den Grünen als neuem Koalitionspartner geplante ressortübergreifende Gesamtstrategie geht demnach in die richtige Richtung. Reinhard Heiserer von Jugend Eine Welt, einer der Mitgliedsorganisationen des entwicklungspolitischen Dachverbands Globale Verantwortung, fordert, dass die Strategie „so rasch wie möglich entwickelt und mit konkreten Zuständigkeiten und Zielen versehen“ wird, die sich an den UN-Nachhaltigkeitszielen orientieren.
„Die politisch Verantwortlichen sind nun gefordert, in die Umsetzung zu gehen“, sagte Petra Bayr, SPÖ-Bereichssprecherin für globale Entwicklung, nach der Präsentation des Peer Reviews. Außenminister Alexander Schallenberg, in dessen Ressort die Entwicklungszusammenarbeit fällt, müsse sicherstellen, dass der Bericht „nicht zum geduldigen Papier verkommt“, sondern die Qualität von Österreichs Entwicklungspolitik verbessere.
Wenige Tage nach der Vorstellung des kritischen Berichts hat die Bundesregierung aus dem zuletzt von 20 auf 15 Millionen Euro zusammengestutzten Auslandskatastrophenfonds drei Millionen Euro für Soforthilfe in den Kriegsgebieten Nordsyriens freigegeben. Laut Außenminister Schallenberg soll das Geld „zur Deeskalation der Lage in der syrischen Krisenregion Idlib beitragen“.
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