Mit Frauenrechten zu Hause anfangen

Mexiko
Mexiko will die feministische Außenpolitik einführen – und vernachlässigt die Frauen im Inland, kommentiert Melanie Kräuter.

Schweden und Kanada haben sie, Frankreich und Luxemburg wollen sie: eine feministische Außenpolitik. Als erstes Land im globalen Süden will nun auch Mexiko seine Außenpolitik künftig an der Stärkung und der Beteiligung von Frauen ausrichten. Das klingt erst mal wie blanker Hohn, wenn man weiß, dass Mexiko nach Brasilien das gefährlichste Land der Welt für Frauen ist: Jeden Tag werden hier zehn ermordet; 3825 Frauen wurden laut offiziellen Angaben 2019 getötet, 976 dieser Taten wurden als sogenannte Femizide eingestuft: Die Mörder waren Angehörige oder Lebensgefährten, die die Frauen wegen ihres Geschlechts töteten. Viele von ihnen kommen ungestraft davon.

Die feministische Außenpolitik, die die frühere Außenministerin Margot Wallström im Jahr 2014 in Schweden eingeführt hat, klingt einleuchtend und vielversprechend. Frauen machen die Hälfte der Weltbevölkerung aus, also sollten sie im gleichen Maße an Entscheidungsprozessen beteiligt und in Parlamenten vertreten sein sowie den gleichen Zugang zu Bildung und Arbeit haben wie Männer. Kurz gesagt: Sie sollten gleichberechtigt sein. Doch wir alle wissen: Die Realität sieht anders aus.

Die feministische Außenpolitik, die die mexikanische Regierung angekündigt hat und bis 2024 umsetzen will, klingt wie aus dem Lehrbuch. Sie habe das Ziel, „strukturelle Ungleichheiten sowie die Kluft zwischen den Geschlechtern zu reduzieren und zu eliminieren, um eine gerechtere und wohlhabendere Gesellschaft aufzubauen“. Außenpolitik soll künftig mit Blick auf die verschiedenen Geschlechter gemacht werden, es soll Geschlechterparität, gleiche Bezahlung und keine Diskriminierung im Außenministerium geben, und das Ministerium soll sicher für alle sein.

Dass in vieler Hinsicht Nachholbedarf besteht, hat Martha Delgado, Staatssekretärin für multilaterale Beziehungen und Menschenrechte, klar gemacht. So seien Fälle von sexueller Belästigung in Botschaften bekannt, auch gebe es immer wieder mexikanische Mitarbeiter, die sich im Ausland an Gewalt gegen Frauen beteiligten. In Zukunft soll es etwa eine sichere Telefonverbindung für das Personal im Ausland geben, über die man sich Rat holen oder Fälle von sexueller Belästigung anzeigen könne. Klare Zeitpläne und Zielvorgaben sollen die Umsetzung der Politik zudem für die Bevölkerung nachprüfbar und messbar machen. Delgado – übrigens die einzige Frau auf den elf wichtigsten Posten der Regierung – räumt ein, dass in Mexiko noch keine Geschlechtergleichheit erreicht und das Problem der Gewalt an Frauen nicht gelöst sei.

Mexikos Vorhaben ist unglaubwürdig angesichts der Probleme im eigenen Land.

Zwar hat sich in Mexiko einiges bei der Gleichberechtigung getan, auch weil immer mehr Frauen für ihre Rechte aufbegehren. Die größte Entwicklung gab es auf parlamentarischer Ebene. Bei der Wahl vor zwei Jahren ließen sich fast 3000 Frauen als Kandidatinnen aufstellen, das führte zu Geschlechterparität im Kongress und zur ersten Bürgermeisterin in Mexiko-City. Präsident Andrés Manuel López Obrador hatte im Wahlkampf versprochen, sich für mehr Gleichberechtigung einzusetzen. Mehr als ein Jahr nach seinem Wahlsieg ist davon nicht viel zu spüren, beklagt Amnesty International – im Gegenteil. López Obrador hat Gelder für Kinderbetreuungsprogramme gekürzt, die es vor allem armen indigenen Frauen ermöglicht hatten, arbeiten zu gehen. Stattdessen sollen Großmütter, Schwestern oder Tanten die Kinder betreuen: Menschenrechtler und Frauengruppen kritisieren, dass das nur die traditionelle Rollenverteilung und die Ungleichheit verstärke. Denn Frauen übernehmen ohnehin schon 70 Prozent der unbezahlten häuslichen Arbeit. In Mexiko arbeiten nur vier von zehn Frauen außerhalb des Hauses, in Deutschland sind es mehr als sieben.

Obrador hat auch die Zuschüsse für Frauenhäuser gekürzt, die Opfer sollen direkt finanzielle Hilfe bekommen. Doch mehr als zwei Drittel der mexikanischen Frauen sind von häuslicher Gewalt betroffen, da ist es kontraproduktiv, wenn ihren oft einzigen Zufluchtsorten die Mittel gestrichen werden – und Frauen und Kinder bei gewalttätigen Männern bleiben sollen.

Feministische Außenpolitik ist ein gutes Instrument für Gleichberechtigung und um soziale und strukturelle Veränderungen zu erreichen. Vor allem für den Kampf gegen den Klimawandel ist die Stärkung von Frauen wichtig. Hier hat Mexiko beim Klimagipfel in Madrid mit der Entwicklung des Gender Action Plans mehr Einsatz gezeigt als andere Nationen. Allerdings bleiben starke Zweifel an der Glaubwürdigkeit, wenn Mexiko außenpolitisch die Frauen stärken will, ihnen aber zu Hause den Zugang zu Arbeit erschwert und sie nicht vor häuslicher Gewalt und sogar Mord schützt.

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erschienen in Ausgabe 3 / 2020: Schuften für den Weltmarkt
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