Ein knappes Fünftel der indischen Bevölkerung sind Dalits. Sie sind die Nachfahren der indischen Ureinwohner. Im Kastensystem des Hinduismus galten sie lange Zeit als „unberührbar“ und standen auf der untersten Stufe der Gesellschaftsleiter. Kastenbasierte Diskriminierung ist in Indien seit dem Jahr 1948 verboten, dennoch werden Dalits heute immer noch Opfer von Gewalt und Landraub. Auch im Alltag werden sie häufig ausgegrenzt, vor allem auf dem Land. Sei es, dass Kinder das Schulessen verweigern, sobald ein Dalit in der Küche mithilft, sei es, dass Angehörige höherer Kasten die Läden von Dalits meiden, sei es, dass Dalits in Restaurants das Essen auf Papptellern und nicht wie alle anderen auf Porzellangeschirr serviert bekommen.
Wird die Diskriminierung offen thematisiert, wird gern auf die von der Regierung landesweit aufgesetzten Programme und Gesetze verwiesen, mit denen gelistete Kasten gleichberechtigten Zugang zum gesellschaftlichen Leben bekommen sollen, etwa in der Politik, im Gesundheitswesen, im Bildungssektor, bei der Vergabe von Stipendien oder im sozialen Wohnungsbau. Doch diese Programme gelten nur für die Hindus, Buddhisten, Sikhs und Jains unter den Dalits, nicht aber für die Muslime und Christen. Denn – so die offizielle Begründung für diese Unterscheidung – diese Religionen würden schließlich kein Kastendenken kennen und dem Grundsatz der Gleichheit aller Menschen folgen. Deshalb seien muslimische und christliche Dalits in ihren Religionsgemeinschaften nicht von Ausgrenzung betroffen.
Doch genau das stimmt nicht, sagt Manuela Ott von der Dalit-Solidarität in Hamburg: „In beiden Religionsgemeinschaften gibt es nach wie vor eine kastenbasierte Diskriminierung.“ So lebten beispielsweise in christlichen Dörfern die Dalits oft am Rand in einer eigenen Kolonie. Und obwohl unter den 30 Millionen indischen Christen mehr als drei Viertel ursprünglich Dalits seien, kämen sie bei der Besetzung von Führungspositionen innerhalb ihrer Kirchen nicht in gleichem Maße zum Zuge wie höherkastige Christen. „In der katholischen Kirche in Indien sind beispielsweise von den insgesamt 174 Bischöfen nur zwölf Dalit“, sagt Ott. Beim Priesterstand sehe es ähnlich aus. Auch sei es für viele höherkastige Christen undenkbar, dass ein junger Dalit eine höherkastige Frau heiratet, obwohl beide Christen sind.
Um wenigstens auf staatlicher Ebene in den Genuss von Gleichstellungsprogrammen zu kommen, haben die christlichen und muslimischen Dalits bereits im Jahr 2004 beim Obersten Gericht den Antrag gestellt, als gelistete Kaste anerkannt zu werden. Diesen Antrag will das Gericht nun prüfen. Ott sagt, von Partnern in den indischen Kirchen habe sie gehört, dass sie diesen Antrag unterstützten. „Bei dem Thema stehen die Verantwortlichen ziemlich unter Druck, weil sie wissen, dass die Diskriminierung innerhalb der eigenen Kirchen so schwer zu bekämpfen ist.“ Deswegen würden sie es begrüßen, wenn die Dalits in den eigenen Reihen wenigstens Zugang zu den staatlichen Gleichstellungsprogrammen bekämen.
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