Herr Pieth, Ihr Buch heißt „Goldwäsche“. Inwiefern ist Gold schmutzig?
In informellen Minen sind die Arbeitsbedingungen schrecklich, häufig kommt es zu Menschenrechtsverletzungen. Kinder holen das Gold unter lebensgefährlichen Bedingungen aus der Erde. Manchmal kontrollieren Bürgerkriegsmilizen oder das organisierte Verbrechen die Minen. Auch die Umwelt leidet, weil das Gold häufig mit Quecksilber oder Cyanid aus dem Gestein gelöst wird. Das sind hochgradig gefährliche Substanzen.
Wer wäscht das Gold sauber?
Vor allem die Raffinerien spielen dabei eine große Rolle. Das Gold kommt als Doré, eine Mischung aus Gold, Palladium, Silber und Kupfer, in die Schmelzstätte und wird dort zu Goldbarren verarbeitet. Durch eine Analyse der chemischen Zusammensetzung des Doré lässt sich ziemlich genau bestimmen, woher das Gold kommt. Wenn es erst mal eingeschmolzen wurde, lässt sich das nicht mehr feststellen. Das saubere Gold wird schließlich von Juwelieren, Uhrenherstellern oder der Elektroindustrie gekauft und weiterverarbeitet. Für den Endverbraucher ist die Ursprungsmine unsichtbar.
Welche Rolle spielen die Schweizer Schmelzstätten bei der Goldwäsche?
Die haben eine unrühmliche Geschichte: Das beginnt mit dem Raubgold der Nationalsozialisten, das in der Schweiz eingeschmolzen und dann als unverdächtiges Gold weiterverkauft wurde. In den 1980er Jahren haben Schweizer Raffinerien Gold des südafrikanischen Apartheidregimes verarbeitet und dadurch geholfen, den Boykott der Vereinten Nationen zu umgehen.
Und heute? Immerhin stehen vier der zehn größten Goldraffinerien weltweit in der Schweiz…
… und sie hätten zusammengenommen genügend Kapazitäten, um die 4000 Tonnen Gold einzuschmelzen, die weltweit jedes Jahr aus der Erde geholt werden. Derzeit werden hier jährlich etwa 1500 Tonnen Gold raffiniert, also 40 Prozent der globalen Fördermenge. Damit ist die Schweiz Weltmeister im Raffineriewesen.
Woher kommt dieses Gold?
Das wissen auch die Raffinerien oft nicht ganz genau. In der Regel kennen sie nur den unmittelbaren Lieferanten. Entweder ist das eine große Mine oder ein sogenannter Kollektor, also eine Firma, die Gold von Kleinschürfern kauft. Das reicht aber nicht, um sicherzustellen, dass das Gold wirklich sauber ist.
Warum?
Ich habe unter anderem die Bergbauregion La Rinconada in den peruanischen Anden besucht, wo rund 60.000 Goldschürfer in informellen Minen arbeiten. Ihre Ausbeute verkaufen sie vor Ort an die Firma Minerales Del Sur – und die beliefert wiederum Raffinerien in der Schweiz wie zum Beispiel Metalor in Neuchâtel.
Minerales Del Sur ist ein legales Unternehmen in Peru. Wo ist das Problem?
Die Arbeitsbedingungen für die Kleinschürfer vor Ort sind furchtbar. Außerdem soll Minerales Del Sur Gold aus Madre de Dios im Südosten Perus bezogen haben. Dort werden viele Minen vom organisierten Verbrechen kontrolliert. Man muss die Spur des Goldes bis zur Mine zurückverfolgen – alleine den Kollektor zu kennen, reicht nicht. Die Raffinerien behaupten, das sei unmöglich.
Stimmt das?
Woher das Gold kommt, ist sicher nie restlos aufzuklären. Aber die Raffinerien könnten definitiv mehr tun. Das Mindeste wäre, die Region zu besuchen, aus der sie das Gold beziehen. Wenn ich das als Amateur auf eigene Faust machen kann, sollten die Raffinerien auch dazu in der Lage sein.
Experten schätzen, dass 80 Prozent des neu geförderten Goldes aus industriellen Minen stammt. Ist dieses Gold besser?
Nicht unbedingt. In Kolumbien und Ghana beispielsweise werden immer wieder indigene Gemeinschaften ohne Entschädigung von Minenkonzernen enteignet. Und auch die großen Minen hinterlassen Schutthalden, die oft mit giftigen Stoffen durchsetzt sind. Sowohl bei den informellen als auch bei den großen Minen muss man sich die Situation vor Ort anschauen.
Ist die Goldverarbeitung in den Schweizer Raffinerien gesetzlich reguliert?
Laut Edelmetallverordnung dürfen sie kein Gold aus illegaler Quelle beziehen. Das wurde bisher aber immer so verstanden, dass sie kein gestohlenes Gold einschmelzen dürfen. Menschenrechtsverletzungen oder Umweltzerstörungen werden nicht als illegal betrachtet.
Also mangelt es an politischem Willen, die Raffinerien enger an die Leine zu nehmen?
Ja. Im Jahr 2018 hat die Regierung einen Bericht zur Goldbranche herausgeben. Man will keine staatlichen Regeln, sondern setzt auf die Selbstregulierung der Branche, heißt es darin. Als Vergleichsländer hat man nicht die europäischen Nachbarn genommen, sondern Indien, Dubai und Südafrika, also Länder, die ebenfalls wegschauen. Das ist unverständlich.
Gibt es Initiativen zur Überwachung der Lieferkette aus der Raffineriebranche?
Die London Bullion Market Association, der viele Schweizer Raffinerien angehören, hat den derzeit höchsten Standard. Von dem Verband zertifizierte Raffinerien müssen ihre Lieferkette von Wirtschaftsprüfern kontrollieren lassen. Aber die Prüfung findet nur auf dem Papier statt – und nicht vor Ort. Dass das Quatsch ist, sagt auch die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung OECD.
In der Schweiz wird derzeit über die Konzernverantwortungsinitiative gestritten. Ist die Initiative erfolgreich, könnten Schweizer Unternehmen für Menschenrechtsverletzungen entlang ihrer Lieferkette haftbar gemacht werden. Würde das für die Raffinerien etwas ändern?
Das kommt darauf an. Der Gegenvorschlag des Bundesrats sieht Ausnahmen für kleine und mittlere Unternehmen mit bis zu 500 Mitarbeitern vor. Obwohl die Raffinerien wahnsinnig viel Gold umsetzen, haben sie in der Regel weniger Mitarbeiter. Es ist also unklar, ob sie unter das Gesetz fallen würden.
Und wenn der Originalentwurf der Initiative zur Abstimmung gestellt wird und durchkommt?
Da gibt es eine Klausel, die Firmen im Hochrisikobereich einschließt, auch wenn sie klein sind. Kommt der Originalvorschlag durch, müssten die Schweizer Raffinerien ihre Lieferketten besser kontrollieren.
Dubai gewinnt als Raffineriestandort an Bedeutung. Würden strengere Gesetze in der Schweiz nicht einfach dazu führen, dass Gold aus zweifelhafter Herkunft dort verarbeitet wird?
Wahrscheinlich schon. Aber keine europäische Bank kauft Gold aus Dubai. Es lässt sich zwar in Indien absetzen, aber hier ist es unverkäuflich.
Und wenn ich nicht warten, sondern mir schon heute Goldschmuck kaufen will, an dem garantiert kein Blut klebt: Geht das?
Fairmined und Fairtrade zertifizieren Minen, Zwischenhändler und Raffinerien. Diese Labels haben strengere Kontrollen und besuchen die Minen vor Ort. Juweliere können ihr Gold bei zertifizierten Händlern beziehen. Das kostet zwar ein bisschen mehr, aber auf hundert Euro sollte es beim Ehering nicht ankommen. Ein Ring aus Blutgold ist kein guter Start in die Ehe.
Das Gespräch führte Moritz Elliesen.
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