Wiederverwerten statt wegwerfen

Recycling
Das zivilgesellschaftliche Bündnis für eine Rohstoffwende sieht seine Appelle an die Bundesregierung für die Überarbeitung der deutschen Rohstoffstrategie ignoriert. Besonders die Pläne für den Tiefseebergbau bereiten Sorgen.

In dem Entwurf der neuen Rohstoffstrategie, den das Wirtschaftsministerium derzeit mit anderen Ressorts abstimmt, werde auf wesentliche Anliegen nicht eingegangen, kritisiert Michael Reckordt, Sprecher des Arbeitskreises (AK) Rohstoffe. Dies ist ein Netzwerk nichtstaatlicher Organisationen (NGO), die sich für Menschenrechte, soziale Standards und Umweltschutz einsetzen.
Die im Jahr 2010 entworfene Strategie soll bis zum Jahresende weiterentwickelt werden. Sie umreißt, wie die Versorgung der deutschen Industrie mit Rohstoffen politisch abgesichert werden kann. Dabei geht es unter anderem um den Abbau von Handelshemmnissen und darum, zu verhindern, dass die Wirtschaft von nur wenigen Importländern abhängig wird.

Die Industrie verweist auf den steigenden Bedarf an High-Tech-Rohstoffen wie Kobalt, Lithium oder Graphit für Zukunftstechnologien wie etwa die Elektromobilität und die Digitalisierung in Betrieben. Auch die Energiewende vergrößere den Bedarf, macht der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) geltend. Die Verfügbarkeit von Rohstoffen sei daher eine zentrale Herausforderung für den Industriestandort Deutschland.

Deutschland auf Importe angewiesen

Bei vielen dieser Rohstoffe ist Deutschland komplett auf Importe angewiesen. Der BDI räumt dabei selbst ein, dass die Abhängigkeit auch von solchen rohstoffreichen Ländern steigt, „die deutsche oder europäische Sozial- und Umweltstandards oder die der guten Regierungsführung nicht erfüllen“. Der Verband bekennt sich zwar zu Sozial-, Umwelt- und Menschenrechtsstandards und bekräftigt das Ziel, nachhaltig und verantwortlich einzukaufen. Aber die weltweite Nachfrage sei so groß, dass Förderländer und Minen sich ihre Kunden heutzutage aussuchen könnten – und nicht umgekehrt.

Die Zivilgesellschaft fordert dagegen, in Deutschland ansässige Unternehmen gesetzlich zu verpflichten, Verantwortung für ihre Rohstofflieferketten zu übernehmen. Nicht nur mit Blick auf unzureichende Schutzvorkehrungen, wie etwa bei dem verheerenden Dammbruch einer Eisenmine in Brasilien, hatte der Arbeitskreis Rohstoffe von der Bundesregierung im Mai gefordert, die Rohstoffpolitik grundsätzlich zu reformieren. Eine nach der Ressortabstimmung geplante Anhörung finde wohl doch nicht statt, hieß es von Seiten des federführenden Wirtschaftsministeriums gegenüber dem Arbeitskreis. Soweit man wisse, habe das Ministerium aber weder Anregungen für die Verringerung von Rohstoffimporten und stärkere Anreize für mehr Recycling von Geräten zur Rückgewinnung von Rohstoffen noch die Forderung nach Schonung der Tiefsee berücksichtigt.

Jeder Deutsche produziert im Jahr 23 Kilo Elektroschrott

„Wir müssen viel stärker nutzen, was in unserem Land verfügbar ist“, sagt AK-Sprecher Reckordt. So könnten Quoten für Rohstoffe in recyclingfähigen Produkten eingeführt oder die Reparatur von elektronischen Geräten durch Steuervergünstigungen gefördert werden. Jeder Touchscreen enthält seltene Rohstoffe; Deutschland produziert 23 Kilo Elektroschrott pro Kopf und Jahr, mehr als drei Mal so viel wie der weltweite Durchschnitt.

Besonders sorgt sich der Arbeitskreis um die Pläne, den Tiefseebergbau voranzutreiben. „Als Zivilgesellschaft wollen wir das verhindern, weil wir die Folgen für Umwelt und Artenvielfalt gar nicht absehen können“, mahnt Reckordt. Zwar beteure die Strategie, es sollten höchstmögliche Schutzstandards gelten. „Aber wer sollte das in der Tiefsee überprüfen?“, fragt er.
Interessant auf dem Meeresboden sind beispielsweise Manganknollen, die Kupfer, Eisen, Nickel und Kobalt enthalten, oder Kobaltkrusten aus erloschenen Vulkanen. Die Umweltorganisation Greenpeace hat berichtet, jenseits der nationalen Rechtsgrenzen von Küstenstaaten habe die zuständige Internationale Meeresbodenbehörde bereits 29 Erkundungslizenzen an interessierte Länder vergeben. Sie umfassten 1,3 Millionen Quadratkilometer im Pazifik, im Atlantik und im Indischen Ozean. Die Meeresschutzbehörde von Jamaika entwickelt laut Reckordt bereits Standards für den Tiefseebergbau.

An dem Rennen um die Rohstoffe auf dem Meeresboden beteiligt sich auch die Bundesanstalt für Geowissenschaften. Laut Koalitionsvertrag will die Bundesregierung Projekte im Tiefseebergbau vorantreiben. Zugleich heißt es, für einen umweltverträglichen Tiefseebergbau sollten internationale Regeln entwickelt werden. Statt aufwändige zwischenstaatliche Rohstoffpartnerschaften wie mit Kasachstan, der Mongolei oder Peru und Chile abzuschließen, will die Regierung künftig auch die Außenhandelskammern fördern. Deren Kompetenzzentren für Bergbau und Rohstoffe sollen in rohstoffreichen Ländern ausgebaut werden, um den Export deutscher Technik und den Import von Rohstoffen zu fördern.

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erschienen in Ausgabe 10 / 2019: Ab in die Steueroase
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