Mohammed al Mohammed mit einem Flüchtlingskind im Flüchtlingslager in Bar Elias, Libanon (Archivbild)
Beirut (epd). Mohammed al Mohammed steht vor seinem Zelt und blickt auf die Bergkette im Osten. Dahinter liegt Syrien, die Grenze ist nur wenige Kilometer entfernt. Er ist Mitte 50 und lebt seit fünf Jahren mit seiner Frau und seinen drei Kindern in einem Flüchtlingslager in Bar Elias, einer Kleinstadt in der Bekaa-Ebene im Libanon. "Wenn ich könnte, würde ich sofort zurück. Selbst wenn ich laufen müsste", sagt der ehemalige Fabrikarbeiter.
Im Libanon kommen solche Aussagen gut an. Das kleine Land mit seinen sechs Millionen Einwohnern hat mehr als eine Million Syrer aufgenommen. Doch libanesische Politiker beklagen, die Flüchtlinge überlasteten die Infrastruktur und drückten die Löhne. Im April forderte der christliche Präsident des Libanons, Michel Auon, die Syrer dazu auf, schnellstmöglich in ihre Heimat zurückzukehren.
Letzte Hochburg der Rebellen
Rund 50.000 Syrer sind offiziellen Angaben zufolge 2018 zurückgekehrt, teils auf eigene Faust, teils unterstützt von libanesischen Behörden. Mohammed ist noch da: "Uns bleibt nichts anderes übrig, als hier auszuharren." Die Familie stammt aus Idlib. 2014 seien sie zwischen die Kriegsfronten geraten und über Aleppo in den Libanon geflohen, erzählt er. Heute wird in Idlib wieder gekämpft, die Provinz gilt als letzte Hochburg der Rebellen. Hunderttausende haben die Stadt aus Angst vor Kämpfen und Luftangriffen in den vergangenen Wochen verlassen.
Auch viele Syrer aus Regionen, die wieder unter Kontrolle des Regimes von Baschar al-Assad sind, sehen noch keine Grundlage für eine sichere Rückkehr. Das belegt ein Bericht der Hilfsorganisation Sawa mit Sitz in Beirut, die Anfang des Jahres Syrer aus 25 Flüchtlingslagern befragt hat. Viele Männer befürchten demnach, in Syrien entweder zum Militärdienst eingezogen oder inhaftiert zu werden. Auch die Angst vor Kriminalität und wirtschaftlicher Not schreckt viele ab. Rund 65 Prozent der Befragten gaben an, dass ihre Häuser zerstört seien.
Von der Welt im Stich gelassen
Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR unterstützt die individuelle Rückkehr, sieht die Voraussetzungen für eine Umsiedlung großer Gruppen aber nicht erfüllt. Auch Bernhard Hillenkamp, Leiter des Libanon-Büros des Forums Ziviler Friedensdienst, hält es für unrealistisch, dass in naher Zukunft viele Menschen zurückkehren werden. Zugleich versuche die libanesische Regierung zu verhindern, dass sich die Syrer im Libanon integrierten: "Es soll nicht so laufen, wie bei den Palästinensern, die vor Jahrzehnten aus Israel in den Libanon geflohen sind und noch immer da sind", erklärt er.
Für viele Syrer ist es im Libanon schwer, sich über Wasser zu halten. Sie dürfen nur in der Landwirtschaft, als Putzhilfen und im Baugewerbe arbeiten, die Löhne sind gering. Rund zwei Drittel der Flüchtlinge leben unterhalb der Armutsgrenze, die meisten sind verschuldet. Unterstützung erhalten die Familien in Bar Elias von der syrisch-libanesischen Organisation Basmeh & Zeitouneh, die auch vom Forum Ziviler Friedensdienst unterstützt wird. Ansonsten fühlen sie sich von der Welt im Stich gelassen. "Das UNHCR hat uns zwar registriert, aber wir erhalten keine Hilfe mehr", erklärt Mohammed.
"Ich weiß nicht, wie ich das bezahlen soll"
Eine Sprecherin des UNHCR im Libanon bestätigt, dass nur noch jede fünfte registrierte Flüchtlingsfamilie im Libanon die monatliche Bargeldhilfe von umgerechnet 155 Euro erhält. Dem Hilfswerk fehlt es seit Jahren an Geld. Auch für 2019 hätten die internationalen Geber erst 20 Prozent der nötigen 500 Millionen Euro für die Hilfe im Libanon zugesagt.
Viele syrischen Flüchtlinge sehen sich indes von libanesischen Behörden bedrängt. Medienberichten zufolge ließen sie in jüngster Zeit syrische Läden und vereinzelt informelle Camps schließen. Auch Mohammed fürchtet um seine provisorische Behausung. Rund 50 Familien leben in dem Lager in einfachen Zelten. Der private Eigentümer des Grundstücks habe vor kurzem die jährliche Miete pro Parzelle von 650 auf 1.000 US-Dollar (rund 900 Euro) angehoben, erklärt Mohammed. "Ich weiß nicht, wie ich das bezahlen soll." Wegen eines Arbeitsunfalls könne er nicht arbeiten. Er habe noch nicht einmal Geld, um seine Frau wegen ihrer kaputten Bandscheiben zum Arzt zu schicken.
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