Aids, Tuberkulose und Malaria zählen zu den schlimmsten Geißeln der Menschheit. Um die Jahrtausendwende töteten sie sechs Millionen Menschen pro Jahr. Und die internationale Gemeinschaft war sich einig: Es musste dringend etwas geschehen – und zwar im großen Stil. Die USA als größter Geldgeber bestanden darauf, dass es außerhalb der eigentlich zuständigen Weltgesundheitsorganisation WHO geschah. Das war die Geburtsstunde des Globalen Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria.
Staatliche Geldgeber wie die USA, Großbritannien und – mit Bauchschmerzen – Deutschland taten sich mit privaten Firmen, Lobbyorganisationen der Pharmaindustrie, der Bill-und-Melinda-Gates-Foundation und den Unternehmensberatern von McKinsey zusammen, die alle einen Sitz im Verwaltungsrat des Fonds bekommen haben.
2002 wurde der Globale Fonds als unabhängige Stiftung Schweizer Rechts gegründet. Er betreibt nicht selbst Projekte, sondern verteilt Geld, das betroffene Länder beantragen. 40 Milliarden Euro wurden bis heute verteilt – finanziert zu 95 Prozent von Steuerzahlern der Industrieländer, zu vier Prozent von der Gates-Stiftung und zu einem Prozent von privaten Unternehmen. Der Globale Fonds verbraucht für den Kampf gegen drei Krankheiten mehr Geld als die WHO für globale Gesundheit insgesamt.
Mit dem Geld hat der Fonds vor allem Medikamente finanziert, 800 Millionen Moskitonetze und die Suche nach Impfstoffen. Der Erfolg: Die HIV-Infektionsrate weltweit ist um 40 Prozent gesunken, der Preis für die medikamentöse Aids-Behandlung pro Patient von 10.000 US-Dollar pro Jahr auf hundert Dollar gefallen; die Zahl der Aids-Toten pro Jahr hat sich zwischen 2005 und 2016 halbiert. Die Malaria-Infektionsrate ist sogar um 60 Prozent gesunken; der Durchbruch bei der Entwicklung eines Impfstoffs scheint unmittelbar bevorzustehen. Nur der Kampf gegen Tuberkulose kommt relativ langsam voran, weil Betroffene schwer zu erreichen sind. Insgesamt hat der Globale Fonds dazu beigetragen, 22 Millionen Menschenleben zu retten.
Um die drei Krankheiten wirklich unter Kontrolle zu bekommen, brauche der Fonds aber noch viel mehr Geld, sagen seine Funktionäre. Und deshalb verstärkt er in jüngster Zeit seine Zusammenarbeit mit dem Privatsektor. Verbände privater Unternehmen, in denen zumeist Pharmakonzerne das Sagen haben, sitzen, gleichberechtigt mit zivilgesellschaftlichen Organisationen und Betroffenenverbänden im Verwaltungsrat des Fonds und in den Koordinationsgremien der Länder, die von ihm Geld bekommen. Zusätzlich unterhält der Fonds Partnerschaften mit einzelnen Unternehmen.
Chevron und Coca-Cola als Vorkämpfer für Gesundheit
Ausgeschlossen von solchen Partnerschaften seien Firmen der Tabak-, Porno- und Waffenindustrie, sagt der Arzt Christoph Benn, Mitbegründer des Globalen Fonds, bis vor kurzem dessen Direktor für externe Beziehungen und bis heute Berater des Fonds. Unternehmen würden vor der Zusammenarbeit nach einer internen Checkliste geprüft, sagt Benn: „Was ist der Ruf der Firma? In welchen Bereichen sind sie engagiert? Hat es Verletzungen von Menschenrechten, von Umweltkriterien gegeben?“
Der Globale Fonds im Pharmamarkt
Der Bedarf ist groß: Für den Kampf gegen Malaria, Aids und Tuberkulose werden kostspielige Medikamente und Produkte wie imprägnierte Mückennetze und Labormaterial benötigt. Das ist f ...
Bei anderen Partnerschaften treten unterdessen Interessenkonflikte zutage: Der Ölkonzern Chevron etwa, dessen umweltverpestenden Aktivitäten in Ecuador zahlreiche Menschen krank gemacht haben, ist der größte Spender des Globalen Fonds. Chevron kann so mithilfe des Fonds ein irreführendes Image als Vorkämpfer für öffentliche Gesundheit aufbauen. Ganz ähnlich Coca-Cola, dessen Süßgetränke, so Kritiker, Millionen Menschen weltweit krank machen. Coca-Cola hilft dem Globalen Fonds im Rahmen des Projekts „Letzte Meile“, Medikamente in entlegenen Regionen zu verteilen.
Anfang 2018 startete der Fonds eine auf die Demokratische Republik Kongo begrenzte Partnerschaft mit dem niederländischen Brauereikonzern Heineken, um dessen Vertriebsnetze in dem schwer zugänglichen Land für die Verteilung von Medikamenten und Moskitonetzen zu nutzen. Für Benn war die Partnerschaft unproblematisch, nicht so für die Regierungen Schwedens und Norwegens, wichtige Finanziers des Fonds. Alkoholkonsum sei ein wichtiger Risikofaktor sowohl für HIV/Aids als auch für Tuberkulose, stellt das norwegische Entwicklungsministerium fest. Die Partnerschaft des Fonds mit dem Brauereikonzern sei nicht vereinbar mit der Entwicklungspolitik Norwegens.
Ein Partner ist in Geldwäscheskandale verwickelt
Nach einigen Wochen legte der Fonds die Partnerschaft mit Heineken auf Eis – allerdings nicht, weil der Konzern die Krankheiten fördert, die der Fonds bekämpft. Heineken, so hatten die Fonds-Gremien erfahren, setzt seit vielen Jahren sogenannte Promo-Girls ein: junge Frauen, die bei Events und in Kneipen für Heineken-Bier werben und dabei häufig Opfer sexueller Ausbeutung werden. Eine üble Praxis des Brauereikonzerns, die aber seit mindestens 20 Jahren bekannt ist.
Autor
Thomas Kruchem
publiziert als Journalist sowie Hörfunk- und Buchautor zu entwicklungspolitischen Fragen.So teilte das US-amerikanische Justizministerium im Dezember 2015 mit, um ein Gerichtsverfahren zu vermeiden, zahle Lombard Odier eine Strafe von fast hundert Millionen Dollar, weil die Bank US-Kunden geholfen habe, Vermögen und Einkommen vor den Steuerbehörden zu verstecken.
Lombard Odier ist zudem ein wichtiger Spieler im sogenannten Usbekistanskandal. Dies hat der britische Medizin-Professor Anthony Costello, bis Anfang 2018 Direktor bei der WHO, im April vergangenen Jahres in der weltweit führenden Medizin-Zeitschrift „The Lancet“ dokumentiert. Im Gespräch mit dem Autor erklärt Costello: „Im Mittelpunkt des Skandals steht Gulnara Karimova, Tochter des verstorbenen Expräsidenten von Usbekistan Islam Karimov. Sie schaffte etwa 800 Millionen US-Dollar Bestechungsgelder außer Landes. Geld, das dann gewaschen wurde – mithilfe von Transaktionen zwischen Lombard Odier und der britischen Standard Chartered Bank.“
Im Dezember 2016 eröffnete die Schweizer Staatsanwaltschaft in dieser Sache ein Strafverfahren gegen Lombard Odier und einen ehemaligen Mitarbeiter der Bank. Auch die US-Regierung klagte vor einem New Yorker Distriktgericht. In der Klageschrift vom 18. Februar 2016 steht, dass zwischen März 2009 und September 2010 347 Millionen Dollar auf Karimova-Konten bei Lombard Odier überwiesen wurden – von der Hongkonger Filiale der britischen Bank Standard Chartered. Diese in New York aktenkundige Geldwäschebeziehung zwischen Lombard Odier und Standard Chartered lenkt den Blick auf eine Schlüsselperson beim Globalen Fonds: Peter Sands, seit März 2018 der Exekutivdirektor des Fonds, war von 2006 bis 2015 Chef von Standard Chartered. Und diese Bank steckte unter Sands besonders tief im Geldwäschesumpf.
So stellte die Finanzbehörde des US-Bundesstaates New York im Jahr 2012 fest, Standard Chartered habe dem Iran geholfen, 250 Milliarden US-Dollar zu waschen; die britische Bank habe dabei zahlreiche Dokumente gefälscht. Unter anderem dafür musste Standard Chartered 667 Millionen Dollar Strafe zahlen. Im August 2014 verhängt die New Yorker Finanzbehörde eine weitere Strafe in Höhe von 300 Millionen Dollar. Standard Chartered habe Auflagen, Geldwäsche künftig zu vermeiden, nicht erfüllt.
Zweifel an Schlüsselpersönlichkeit des Globalen Fonds
In der Folge sank der Stern von Peter Sands. Im Visier von Behörden weltweit schrumpften die Gewinne seiner Bank. Zum 1. Juni 2015 wurde er entlassen und galt seitdem als verbrannt in der Branche, sagt ein Insider. Es stellt sich die Frage: Besitzt Sands jenseits aller Zweifel die Integrität und die Kompetenz, eine Institution zu führen, die Milliarden Euro an Steuergeldern verwaltet? Hat der Verwaltungsrat des Globalen Fonds Peter Sands’ Vergangenheit als Bankmanager überhaupt ausreichend durchleuchtet, bevor er Sands zum Exekutivdirektor ernannte?
Anthony Costello hegt Zweifel auch an einer weiteren Schlüsselpersönlichkeit des Globalen Fonds: John Simon, früher Leiter eines US-Programms gegen Aids, ist seit Mitte 2017 stellvertretender Vorsitzender im Verwaltungsrat des Fonds. Er besitzt als Vertreter des größten Geldgebers USA sehr viel Macht dort und tritt ähnlich engagiert wie Peter Sands für eine Kooperation mit privaten Unternehmen ein.
Zugleich jedoch ist John Simon Gründungspartner des amerikanischen Investmentunternehmens Total Impact Capital, das Investoren Geldanlagen im Gesundheitswesen armer Länder anbietet. Genau auf diesen Bereich aber konzentriert sich auch die Zusammenarbeit zwischen dem Globalen Fonds und der Bank Lombard Odier. „Das wirft die Frage auf, ob John Simons engagiertes Eintreten für Privatinvestitionen im Gesundheitswesen armer Länder nicht auch geprägt ist von seinem Interesse an eigenen finanziellen Vorteilen“, sagt Costello.
Tatsächlich wollen immer mehr Anleger – Pensionsfonds, Gewerkschaften und auch Privatleute – ihr Geld ethisch vertretbar anlegen. Sie wollen, dass ihr Geld sozial oder ökologisch Gutes bewirkt. Das allerdings dürfe nicht auf Kosten der Rendite gehen, sagte Patrick Odier, der Chef von Lombard Odier, in einem Interview mit dem US-Fernsehsender CNN. „Wir können unseren Investoren versichern, dass sie – wenn sie finanzielles und soziales Engagement verbinden – genauso viel verdienen wie bei anderen Formen des Investments.“
Als eine beim Globalen Fonds viel genannte Form ethisch verantwortungsbewussten Investments gelten sogenannte social impact bonds, Investitionen mit eingebauter sozialer Wirkung: Ein privater Investor stellt zum Beispiel für ein Gesundheitsprojekt in Afrika das nötige Kapital bereit; Hilfsorganisationen setzen das Projekt um. Und die Regierung des betreffenden afrikanischen Landes bürgt dafür, dass der Investor nach erfolgreichem Abschluss des Projekts sein Geld aus öffentlichen Mitteln zurückerhält – zuzüglich einer zuvor vereinbarten Rendite. Allerdings lassen sich Privatinvestoren in der Regel auf solche Geldanlagen nur ein, wenn zahlungskräftige Institutionen wie der Globale Fonds oder die Weltbank die Rückzahlung und die Rendite garantieren. Mit anderen Worten: Letztlich verbürgen sich die Steuerzahler der Industrieländer für die Rendite privater Investoren, die in social impact bonds investieren.
Kritiker sagen, der Globale Fonds tue gut daran, nicht nur rein praktische Aspekte seiner Kooperation mit dem Privatsektor zu prüfen, sondern auch ethische Aspekte. Genau diesem Zweck soll sein Ethikkomitee mit beratender Funktion dienen. Das Problem: Das Komitee wird zu einem Großteil der ethischen Fragen gar nicht erst angehört. Das sagt zumindest dessen früherer Vorsitzender Professor Mohamed Salah Ben Ammar, früher Gesundheitsminister von Tunesien und einer der führenden Medizinethiker weltweit.
Rund anderthalb Jahre stand Ben Ammar dem Komitee vor, doch Anfang 2018 habe er die Nase voll gehabt, berichtet sein Kollege Anthony Costello. „Im März 2018 nahm er Kontakt mit mir auf und berichtete, er sei soeben als Vorsitzender des Ethikkomitees zurückgetreten“, sagt Costello. Anlass sei gewesen, dass Empfehlungen des Komitees zur Auswahl eines Vizevorsitzenden des Verwaltungsrats komplett ignoriert worden seien. Wörtlich habe Ben Ammar zu ihm, Costello, gesagt: „Man hätte mich als Gesundheitsminister in Tunesien gefeuert, wäre ich derart intransparent mit öffentlichen Geldern umgegangen, wie es der Globale Fonds bis heute tut.“
Ethikkomitee nie konsultiert
Mohamed Salah ben Ammar habe ihm berichtet, schreibt Costello, das Ethikkomitee sei während seiner Amtszeit nicht ein einziges Mal konsultiert worden, wenn es um Investitionen in Ländern mit Menschenrechts- und Korruptionsproblemen ging. Es sei auch nie zu Partnerschaften mit kommerziellen Unternehmen befragt worden. Von den Deals habe das Komitee aus den Medien erfahren.
In einer Stellungnahme gegenüber dem Autor schreibt der Sprecher des Globalen Fonds, Seth Faison: „Es gehört nicht zu den Aufgaben des Ethikkomitees, bei der Auswahl von Firmen- oder Regierungspartnern mitzuwirken. Und ja, es ist richtig, dass das Komitee bei der Auswahl von Unternehmenspartnern nicht konsultiert wurde. Es ist ebenfalls richtig, dass das Ethikkomitee zur Zusammenarbeit des Globalen Fonds mit Ländern, die Menschenrechtsprobleme haben, nicht konsultiert wurde. Jedes Land dieser Welt hat in einem gewissen Umfang Menschenrechtsprobleme; es ist nicht das Mandat des Ethikkomitees, hier einzelne Länder zur Prüfung ihrer Menschenrechtssituation herauszugreifen.“
In einer kurzen Stellungnahme schreibt Mohamed Salah Ben Ammar dem Autor, es sei der Führung des Globalen Fonds geradezu lästig gewesen, das eigene Ethikkomitee zu konsultieren. „Die sogenannte Ethikkultur beim Globalen Fonds geht nicht über das bloße Ankreuzen von Checklisten hinaus. Ethik und das korrekte Befolgen von Vorschriften gelten als Ein- und Dasselbe – im Rahmen eines rein privatwirtschaftlich orientierten Weltbildes.“
Selbst beim Bundesentwicklungsministerium (BMZ), das internationale Organisationen selten kritisiert, ist man nicht zufrieden mit dem Globalen Fonds. Das BMZ trete dafür ein, dass das Rahmenwerk des Fonds zur Überprüfung von Partnerschaften „verbessert wird“, heißt es in einer Stellungnahme gegenüber dem Autor. Und: „Die Höhe unseres finanziellen Engagements wird in direktem Zusammenhang mit der inhaltlichen Ausrichtung des Fonds stehen.“
Die Bundesregierung wirft schon mal einen Blick nach vorn auf die dieses Jahr anstehenden Verhandlungen zur Wiederauffüllung des Fonds. Entscheidend für die Höhe des deutschen finanziellen Engagements sei „eine eindeutige Ausrichtung in Richtung Gesundheitssystemstärkung und allgemeine Gesundheitsversorgung“, heißt es in der BMZ-Stellungnahme.
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