„Die Reichen sollten unter Druck stehen und transparent machen, was sie mit ihrem Geld anfangen“, findet Charly Kleissner.
Reichtum verpflichtet – von diesem Grundsatz ist Charly Kleissner überzeugt. Der 61-Jährige ist Multimillionär und hätte sich längst zur Ruhe setzen können. Stattdessen versucht er seit 15 Jahren, mit seinem Geld den Klimawandel und die Armut im globalen Süden zu bekämpfen – und dabei noch den einen oder anderen Dollar zu verdienen. Die Welt verbessern und dabei Rendite machen. Geht das? Und wie?
Skype-Anruf in Kalifornien: Charly Kleissner spricht schnell, wechselt zwischen Englisch und Deutsch mit Tiroler Akzent. Der gebürtige Österreicher lebt mit seiner Frau Lisa in Big Sur, einem Küstenstreifen südlich von San Francisco. Eine raue Gegend mit schroffen Felsen und alten Mammutbäumen. Ruhe und Natur – und langsames Internet. So ziemlich das Gegenteil von Kleissners früherem Leben.
Bis Anfang der 2000er Jahre war er einer der wichtigsten Programmierer im Silicon Valley. Gemeinsam mit Apple-Gründer Steve Jobs entwickelte er das Betriebssystem OS X, das bis heute in jedem Mac-Computer und i-Phone steckt. Später baute er beim US-Softwarekonzern Ariba eine Abteilung mit 700 Entwicklern auf, bis er 2002 wegen eines Streits mit seinem damaligen Chef den Job hinschmiss. Der Verkauf seiner Firmenanteile brachte ihm kurz nach dem Börsengang von Ariba viel Geld: Kleissner hatte plötzlich 100 Millionen US-Dollar auf dem Konto.
Weder Philantroph noch Kapitalist
„Da war viel Glück dabei“, sagt er. Deshalb sei er mit seiner Frau schnell einig gewesen, das Vermögen sinnvoll zu nutzen. Das Geld zu spenden kam nicht in Frage – außer für Katastrophenhilfe. Bei sozialen Projekten oder in der Entwicklungshilfe versickere viel Geld, kritisiert Kleissner: „Einfach nur zu geben, schafft neue Abhängigkeiten.“
Autor
Sebastian Drescher
ist freier Journalist in Frankfurt und betreut als freier Mitarbeiter den Webauftritt von "welt-sichten".Für das Ehepaar wird die Mission zum Vollzeitjob. Sie fliegen um die Welt, versuchen, andere Wohlhabende für ihre Idee zu gewinnen und halten Ausschau nach Anlagemöglichkeiten. Anfangs sind sie vor allem auf nachhaltige oder ethische Fonds angewiesen, die ihr Anlageportfolio „entgiften“, also von Investitionen in Waffen oder fossile Energien bereinigen – beziehungsweise neben Profit auch Umweltfolgen und soziale Auswirkungen berücksichtigen. In der Finanzbranche haben sich solche Anlagen unter dem Begriff ESG (Environment, Social, Governance) durchgesetzt.
Wirkungsorientiertes Investieren
Aber nur Schaden zu vermeiden, ist Kleissner zu wenig. Er will gestalten. Deshalb setzt er mehr und mehr auf das sogenannte Impact Investment, wirkungsorientiertes Investieren. Dafür beteiligt sich die Stiftung an jungen Firmen und Projekten, die in erster Linie soziale oder ökologische Ziele verfolgen. Etwa das Sozialunternehmen Ma‘O Farms auf Hawaii, das arbeitslose Jugendliche im Biolandbau beschäftigt. Oder Biolite: Das New Yorker Start-up stellt effiziente Holzkocher und Solarlampen her. Die Kunden sind Camper aus den USA und Europa, aber auch Familien, die in Entwicklungsländern nicht an das Stromnetz angeschlossen sind.
Auch an sogenannten Impact-Fonds wie „Global Partnerships“ hält die Stiftung Anteile. Der Fonds unterstützt in Südamerika und in Ostafrika Firmen, die Bauern via SMS Erntetipps geben, Gesundheitsstationen, die gegen eine geringe Gebühr Patienten behandeln, sowie Initiativen, die Kleinkredite an Frauen vergeben. Er wolle armen Menschen Zugang zu Kapital verschaffen, statt sie nur als Empfänger sozialer Dienstleistungen zu behandeln, meint Kleissner.
Wie die Anlagen wirken, dokumentiert die Stiftung in einem Bericht. Darin steht, dass dank der Holzkocher von Biolite 114.000 Menschen sauberere Luft einatmeten. Oder dass die Investition in Global Partnerships dazu beigetragen habe, die Gesundheitsversorgung von 60.000 Menschen zu verbessern. Die Erfolge sind den entsprechenden Zielen der Nachhaltigkeitsagenda der Vereinten Nationen zugeordnet. Kleissner ist überzeugt, dass jede Wirkung messbar ist, vorausgesetzt, es werden ausreichend Daten erhoben und alles läuft transparent ab.
Diese Transparenz fordert der Investor auch von den Firmen und Fonds, denen er Geld in Aussicht stellt. Vor einer Zusammenarbeit prüfe er mögliche Risiken, denn jede Investition habe auch Schattenseiten. So habe er die Beteiligung an einem Windpark in Mittelamerika abgeblasen, weil das Projekt die einheimische Bevölkerung vertrieben hätte. Dass Windräder für Vögel zur Falle werden können – und damit nicht unbedingt die Artenvielfalt fördern –, nimmt Kleissner dagegen in Kauf. Zudem könnten auch andere Investoren zum Problem werden, die Einfluss auf das Unternehmen ausüben, aber nur Profit machen wollen und sich wenig um Umweltverträglichkeit und soziale Belange kümmern.
Die Verluste sind einkalkuliert
Finanziell zahlen sich für die Stiftung vor allem Anlagen in erneuerbare Energien aus, Investitionen im sozialen Bereich dagegen weniger. Ein Hebel, das zu ändern, seien die Social Impact Bonds (soziale Wirkungskredite), sagt Kleissner. In England etwa konnten Anleger in Firmen investieren, die entlassene Straftäter beschäftigen und betreuen. Sinkt die Rückfallquote nach einer bestimmten Zeit unter 20 Prozent, werden die Investoren ausgezahlt. Kleissner beteiligte sich und machte gut drei Prozent Rendite. Er kann sich ähnliche Modelle auch für Entwicklungsländer vorstellen, etwa bei der Versorgung von Flüchtlingen oder im Gesundheitsbereich. „Die Regierungen können nicht genug Geld aufbringen, um all diese Probleme zu lösen. Private Investoren müssen sich beteiligen“, sagt Kleissner.
Der Österreicher sieht sich als Risikoinvestor, der neuen Ideen zum Durchbruch verhilft und dabei eben ab und an Geld verliert. Wie bei der Beteiligung an eHealthpoint, einer jungen Technologiefirma, die in indischen Dörfern mit Telemedizin und der Aufbereitung von Trinkwasser die Gesundheitsversorgung verbessern wollte. Die Telemedizin floppte, das Start-up ging pleite. Das Geschäft mit dem Trinkwasser übernahm ein indisches Unternehmen, das heute erfolgreich arbeitet. „Wer nie scheitert, meint es nicht ernst“, sagt Kleissner. Die Verluste sind einkalkuliert. Schließlich müssen Stiftungen in den USA jährlich mindestens fünf Prozent ihres Stammkapitals so ausgeben, dass sie damit keine Gewinne erzielen.
Ihr Vermögen hat die Stiftung trotzdem fast halten können – auch dank des Geldes, das sie bis heute nach eher konventionellen Nachhaltigkeitskriterien investiert. Diesen Anteil will Kleissner bald von derzeit 15 Prozent auf null zurückfahren. Denn dass Impact Investment funktioniert, ist für ihn nach 15 Jahren erwiesen.
Von einer Revolution des Finanzmarktes dagegen ist er noch weit entfernt. Immerhin hat er als Mitgründer des Toniic-Netzwerkes inzwischen potente Nachahmer gefunden, die meisten stammen aus den USA und Europa. Gemeinsam kontrollieren sie sechs der rund 250 Milliarden US-Dollar, die nach Kleissners Schätzung weltweit wirkungsorientiert investiert sind. Nicht viel im Vergleich zu den mehr als 100 Billionen, die dem globalen Finanzmarkt zur Verfügung stehen. Wären zehn Prozent davon Impact Investment, hätte man einen Nischenmarkt geschaffen, der auch die großen Pensionsfonds anziehen könnte. Spätestens dann, wenn auf dem Finanzmarkt die nächste Blase platzt.
Bis dahin will Kleissner möglichst viele Millionäre und Milliardäre von seinem Vorhaben überzeugen. In Afrika oder Asien fällt das schwer, den Neureichen dort gehe es meist noch um möglichst viel Profit, meint Kleissner. In Europa beobachte er dagegen ein allmähliches Umdenken in der jüngeren Generation und unter weiblichen Anlegern, meist reiche Erben. „Die Leute kommen zu uns, weil sie vor schlechtem Gewissen nachts nicht mehr schlafen können“, erzählt Kleissner. Und das sei gut so. Die Reichen sollten unter Druck stehen und transparent machen, was sie mit ihrem Geld anfangen.
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