Lidl hat als erster deutscher Supermarktdiscounter sein Bananen-Sortiment vollständig auf Fairtrade umgestellt. Beim Besuch einer Berliner Lidl-Filiale Mitte März hat Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) den Discounter dafür gelobt. Zu Recht?
Lidl hat bereits 2006 die ersten Produkte mit dem Fairtrade-Zeichen eingeführt. Bis zu diesem Beschluss sind also 13 Jahre vergangen. Sollte Lidl plötzlich wirklich das Ziel haben, ein nachhaltiger Einzelhändler zu werden, wäre es ein Schritt in die richtige Richtung und der Besuch von Müller begrüßenswert. Wenn das Unternehmen allerdings nur bei Bananen auf Fairtrade umstellt und in anderen Bereichen keine nennenswerte Entwicklung macht, wäre es Greenwashing, also Schönfärberei.
Inwiefern?
Lidl ist Teil eines hochproblematischen Systems: Konventionelle Supermärkte und Discounter locken ihre Kunden ständig mit Kampfpreisen, die es für Erzeuger schwer machen, zu einem menschenwürdigen Leben zu kommen und die Umweltzerstörungen ignorieren. Zugleich wird in den Köpfen der Konsumenten hier das Bewusstsein für den Wert der Produkte und Lebensmittel zerrüttet: Sie halten die extrem niedrigen Preise für normal – in Wirklichkeit wirken sie aber zerstörerisch und sind letztlich unmoralisch. Es ist zwar gut, wenn mehr fairer Handel in die Supermärkte kommt; das Fairtrade-Siegel wird aber teilweise benutzt, um sich einen grünen Anstrich zu geben, ohne dass sich an der grundlegenden Firmenpolitik etwas ändert. Aldi – immerhin 2018 mit dem Fairtrade-Award ausgezeichnet – hat das mit seiner Entscheidung, Bananen-Bauern in Zukunft weniger zu zahlen, gerade sehr deutlich demonstriert.
Die Banane zählt zu den beliebtesten Früchten in Deutschland. Macht Lidl mit der Fairtrade-Umstellung den Handel mit der begehrten Südfrucht gerechter?
Die fair gehandelten Bananen, die Lidl im Sortiment hat, kosten lediglich zehn Cent mehr als die konventionellen Vorgänger. Da fragt man sich schon, ob mit diesem minimalen Aufschlag etwas grundlegend verändert werden kann. Dadurch sendet Lidl das Signal, dass billige Einkaufspreise für die Verbraucher hier und faire Preise für die Erzeuger ohne Widerspruch zusammengehen. Wer sich von diesem Supermarkt- und Preiskampf-System abwenden möchte, sollte mehr im Weltladen oder beim alternativen Biohändler einkaufen. Trotzdem ist der Kauf von Fairtrade-Produkten im Supermarkt eindeutig den konventionellen Waren vorzuziehen.
Was unterscheidet die Produkte in einem Weltladen von den Fairtrade-zertifizierten Waren im Discounter?
Mit dem Fairtrade-Siegel können Händler einen kleinen Teil ihrer Produkte auszeichnen. In Weltläden hingegen sind nur Unternehmen zugelassen, die sich voll und ganz dem fairen Handel verschrieben haben und dabei wenig Kompromisse machen. So schließen wir aus, dass einzelne Produkte als Feigenblatt für den Rest des Sortiments herhalten. Wir wollen das System verändern und nicht bloß ein symbolisches Signal senden, mit dem sich die Kunden dann ein wenig besser fühlen.
Was heißt das?
Ein angemessener Preis für die Erzeuger spielt eine große Rolle und hier gehen unsere Lieferanten meist über die bei anderen Siegeln üblichen Zahlungen hinaus. Der faire Preis ist aber bei weitem nicht alles, was für benachteiligte Produzenten wichtig ist. Es geht für die Weltladen-Lieferanten um langfristige und gleichwertige Partnerschaften mit den Produzenten, die auch nicht gleich beendet werden, wenn ein Produzent mal Probleme hat. Außerdem unterstützen unsere Lieferanten ihre Partner bei Investitionen und gehen dafür in Vorleistung. Fairer Handel, wie wir ihn verstehen, will den Erzeugern nicht nur bessere Preise zahlen, sondern ist ein umfassender Ansatz, bei dem Entwicklung hin zu mehr Nachhaltigkeit auch von den Unternehmen im globalen Norden gefordert wird.
Lidl-Chef Matthias Oppitz hat bei dem Besuch von Müller gesagt, dass sein Unternehmen es geschafft habe, Fairtrade aus der Nische zu holen. Sind die Weltläden jetzt überflüssig?
Dass eine nennenswerte Zahl von Bürgern überhaupt versteht, was mit Fairer Handel gemeint ist, geht auf die Arbeit der Weltläden und ihrer Lieferanten wie GEPA und El Puente zurück. Die Weltläden beweisen, dass fairer Handel auch über Kontinente und extreme Machtungleichgewichte hinweg möglich ist. Konventionelle Supermärkte dagegen haben einen großen Anteil an den Missständen, die wir mit dem fairen Handel bekämpfen wollen. Um diese Missstände abzustellen, müsste der Anteil der fair gehandelten Produkte auf 90 Prozent oder mehr in den Supermärkten wachsen, die Preise für die Produzenten müssten deutlich steigen und auch die unfairen Handelspraktiken gegenüber Mitarbeitern und Produzenten in Deutschland beendet werden. Davon sind wir noch weit entfernt. Die Weltläden haben daher weiterhin eine sehr wichtige Rolle, weil sie zeigen, dass es auch anders geht.
Laut der Organisation Transfair steigt der Marktanteil von Fairtrade-Waren seit Jahren kontinuierlich. Wie wirkt sich dieser Trend auf die Weltläden aus?
Die Läden unseres Verbandes wachsen jährlich im Schnitt um knapp drei Prozent. Angesichts des Drucks, der derzeit auf dem Einzelhandel liegt, ist das eine Leistung. Die Weltläden haben sich aber auch weiterentwickelt. Mancher Weltladen sieht heute auf den ersten Blick eher wie ein Feinkostladen aus. Dennoch stehen auch diese Läden für eine andere Wirtschaft. Insgesamt wollen wir weiter wachsen, weil Handel und Produktion im Norden und im Süden dadurch gerechter und nachhaltiger werden. Aber grundsätzlich freuen wir uns auch über jeden zusätzlichen Marktanteil von Fairtrade-Produkten.
War der Entwicklungsminister auch schon mal zum Pressetermin in einem Weltladen?
Gerd Müller war schon in Weltläden und unterstützt unsere Arbeit. Das Entwicklungsministerium fördert unsere Bildungsarbeit und unsere politische Arbeit. Das ermöglicht es uns, den Fairen Handel weiter zu verbreiten und für seine Ziele zu werben.
Das Gespräch führte Moritz Elliesen.
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