Tauziehen um die Europäische Investitionsbank

Brüssel
Ihr Schwerpunkt liegt in Europa, doch die Europäische Investitionsbank (EIB) fördert auch in Ländern des Südens Projekte. Möglich ist das, weil die EU sie mit milliardenschweren Garantien gegen Zahlungsausfälle versichert. Doch diese Garantien stehen jetzt infrage.

EIB-Präsident Werner Hoyer machte es im Januar einmal mehr klar: „Wir stehen bereit, mehr zu tun“, sagte der Deutsche mit Blick auf die Aktivitäten der Bank außerhalb der EU. Dort betrug das Geschäftsvolumen 2018 gut acht Milliarden Euro. Das sind rund 12,5 Prozent des EIB-Gesamtvolumens, denn die Hauptaufgabe der 1958 gegründeten Bank liegt in der Förderung des EU-Binnenmarktes. Lediglich daneben kann die EIB gemäß Lissabon-Vertrag der Entwicklungspolitik dienen.

Anders als die EU-Kommission, die vor allem Zuschüsse vergibt, arbeitet die EIB dabei mit Darlehen für öffentliche sowie für private Stellen. So hilft die EIB etwa in Sri Lankas Hauptstadt Colombo mit einem Darlehen von 50 Millionen Euro bei der Verbesserung der Sanitärversorgung. In Marokko wurde ein 70-Millionen-Kredit für den Bau eines energieeffizienten Universitätscampus zugesagt.
Um die Bank gegen Ausfälle zu schützen – in den letzten Jahren hat etwa Syrien Darlehen nicht zurückbezahlt –, haben EU-Kommission, Europaparlament und Ministerrat zwei Sicherungsinstrumente eingerichtet, die aus Haushaltsmitteln gespeist werden.

Diese Garantien erlaubten es der EIB überhaupt erst, außerhalb der EU zu arbeiten, heißt es aus gut informierten Kreisen.
Entsprechend überrascht war man in der Bank vergangenen Juni, als die EU-Kommission ihre Pläne für das auswärtige Handeln der Union von 2021 bis 2027 vorstellte. Im Entwurf des Finanzin­struments für Nachbarschaft, Entwicklungszusammenarbeit und internationale Zusammenarbeit (NDICI) ist von den EIB-Garantien nämlich keine Rede mehr. Stattdessen würde eine neue „Garantie für Außenmaßnahmen“ von 60 Milliarden Euro eingeführt. Um daraus  Deckung zu erhalten, müsste sich die EIB jeweils wie andere Finanzierungsinstitutionen bewerben. Der Europaabgeordnete Cristian Dan Preda (EVP-Fraktion, Rumänien) erklärt, diese offene Struktur der Garantie solle „zu gleichen Wettbewerbsbedingungen“ für Entwicklungsbanken führen.

Pro und Kontra eigene Garantien für die EIB

In den gut informierten Kreisen sieht man das genau umgekehrt. Gleiche Ausgangsbedingungen herrschten erst dann, wenn die EIB exklusive EU-Garantien erhalte. Denn nationale Entwicklungsbanken wie die niederländische FMO und die deutsche KfW profitierten bereits von nationalen Garantien. Das Hauptargument von Befürwortern eigener EIB-Garantien sind das Können und die Geschichte der Bank, die schon seit über 50 Jahren verlässlich die Politik der EU in Afrika und anderswo in der Welt  flankiere. Auch im Parlament wird das nicht übersehen. Preda hält zwar die offene Garantie generell für nötig. Zugleich würdigt  er aber „die Erfahrung und den positiven Beitrag“ der EIB zur Entwicklungspolitik. Er hat sich deshalb dafür eingesetzt, einen Teil der offenen Garantie wiederum für die EIB zu reservieren.

Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die die Anteilseigner der EIB sind, sind vom geplanten Radikalumbau offenbar ebenfalls nicht überzeugt. Sie fordern von Kommission und EIB, sich in bilateralen Verhandlungen zu einigen. Diese Gespräche dauern hinter verschlossenen Türen an. Die Kommission sagt dazu nur, es gehe darum, wie man im Außenbereich künftig „am besten zusammenarbeitet“. „Die Kommission erkennt die wichtige Rolle der EIB in diesem Bereich an und wiederholt ihr Ziel einer künftigen Partnerschaft“, erklärt eine Sprecherin. Aus den informierten Kreisen heißt es, es habe „einen gewaltigen Fortschritt“ gegeben, die EIB  in die entwicklungspolitischen Aufgaben des nächsten mehrjährigen Finanzrahmens einzubinden. 

San Bilal vom European Centre for Delevelopment Policy Managament (ECDPM) hingegen spricht mit Blick auf den NDICI-Entwurf von einer „unvertretbaren Ungewissheit“ für die Bank. Er hält es für möglich, dass die EIB in Zukunft weniger Aufgaben und Aufmerksamkeit für ihre Aktivitäten außerhalb der EU hat.

Doch selbst wenn der Status quo erhalten würde, entspräche das nicht Werner Hoyers Willen zu mehr Engagement. Der EIB-Präsident hatte bereits im November 2017  die Idee einer EIB-Tochter für Entwicklungsländer ins Spiel gebracht, die dann wegen der Brexit-Turbulenzen auf Eis gelegt wurde. Diese könnte mehr tun und damit die Sichtbarkeit und den Einfluss der EU in aller Welt erhöhen, sagen Befürworter dieser Idee. Sie könnte zudem der verbreiteten Kritik entgegenwirken, dass die EIB in Entwicklungsländern zu risikoscheu agiere. Laut dieser Kritik achten die EIB-Banker mehr auf die sichere Rückzahlung von Krediten als auf den entwicklungspolitischen Nutzen. 

Die EIB will eine Tochter für Entwicklungsfinanzierung

Die Bank akzeptiert diese Kritik zum Teil – und erklärt die Risikoscheu mit der von den Mitgliedstaaten verantworteten Struktur des Geldinstituts. „Wenn wir mehr für die Entwicklung tun sollen, dann müssen wir die Bank für diesen Zweck fit machen“, heißt es. Mit anderen Worten: In einer Tochter für Entwicklungsfinanzierung könnten eigene Leitlinien für Entwicklungsländer gelten und im Verwaltungsrat die Entwicklungsressorts statt der Finanzministerien den Ton angeben.

Xavier Sol, Direktor des zivilgesellschaftlichen Bündnisses Counter Balance, überzeugen solche Überlegungen nur halb.  Ihm zufolge ist nicht nur der Nutzen von EIB-Projekten zu klein, er beklagt auch Menschenrechtsverletzungen, die mit von der EIB kofinanzierten Projekten einhergingen. Eine ähnliche Kritik trifft auch andere öffentliche Entwicklungsbanken. Für Counter Balance geht es bei der künftigen EU-Finanzarchitektur deshalb um mehr Rechenschaftspflichten für Banken überhaupt, die von EU-Garantien profitieren.

Ein weiterer Punkt in der Diskussion um die EIB ist ihre Rolle bei der Risikobewertung von Projekten, für die auch andere Banken schon jetzt EU-Garantien erhalten können. Derzeit sitzt die EIB der damit betrauten Technischen Gruppe zur Garantiebewertung (G-TAG) vor. Nach den bisherigen Plänen der EU-Kommission für 2021 bis 2027 würde eine ähnliche Gruppe die Risikobewertung für die 60-Milliarden-Garantie übernehmen, aber unter ihrem  eigenen Vorsitz. Befürworter dieser Änderung argumentieren, die EIB könnte gegenüber potenziellen Mitbewerbern in Interessenkonflikte geraten. Kritiker hingegen sagen, die Einschätzung der EIB beschränke sich auf Bankfragen, und am Ende entscheide ohnehin die Kommission.

Zudem wird die Expertise der Bank ins Feld geführt – und ein Zitat von EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker, der die Arbeitsteilung der beiden EU-Institutionen einmal so auf den Punkt gebracht hat: „Die Kommission ist keine Bank. Die EIB ist keine Kommission. Deshalb müssen beide mano in mano zusammenarbeiten.“

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erschienen in Ausgabe 4 / 2019: Erde aus dem Gleichgewicht
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