Die Zivilgesellschaft applaudierte, als aus dem Entwicklungsministerium (BMZ) Anfang Februar ein Gesetzentwurf für Sorgfaltspflichten von Unternehmen in globalen Lieferketten bekannt wurde. Aber die Aufbruchsstimmung währte nur kurz: Keine zwei Wochen später stutzte Arbeitsminister Hubertus Heil den Vorschlag als „wesentlichen Denkanstoß“ zurecht und stellte klar: Sein Ressort werden nun die Führung übernehmen.
Man werde in einem Jahr wieder darüber reden, erklärte Heil bei einem Auftritt mit Gastgeber Gerd Müller beim BMZ-Zukunftsforum Mitte Februar. Erst wenn die Umsetzung des Nationalen Aktionsplans für Wirtschaft und Menschenrechte (NAP) in einem ersten Monitoring geprüft worden sei, werde über ein nationales Gesetz entschieden. „Dann sehen wir, wie wir in Europa vorankommen, und was wir darüber hinaus noch tun können.“
Das Arbeitsministerium nimmt sich der Sache an, verortet sie aber zunächst bei der Europäischen Union. Dort will Heil gemeinsame menschenrechtliche Standards für nachhaltige Lieferketten und menschenwürdige Arbeitsbedingungen zu einem Schwerpunkt machen, wenn Deutschland im zweiten Halbjahr 2020 den Ratsvorsitz der EU übernimmt. Mit Frankreich, den Niederlanden und anderen Partnern solle bis dahin eine Mehrheit geschmiedet werden: möglichst mit den Ländern Ost- und Südeuropas, notfalls als eine Koalition der Willigen.
Weitgehende Pläne im BMZ
„Die Fixierung auf ein nationales Gesetz bringt nicht den Erfolg, den wir brauchen“, erklärte der SPD-Minister. Auch Entwicklungsminister Gerd Müller betrachtet das als „vernünftig“, fügte aber hinzu, wenn Nachdruck nötig sei, werde man eine nationale Lösung suchen. Was das Arbeitsministerium in die EU-Debatte einbringen will, ist noch offen. Heil sprach von einer Regelung für innerbetriebliche Standards von großen europäischen sowie außereuropäischen, in der EU tätigen Firmen. In der Vergangenheit war Berlin in Brüssel bemüht, den Mittelstand von aufwändigen Dokumentationspflichten in Zusammenhang mit Unternehmensverantwortung zu verschonen. Heil kündigte an, in einem Gutachten „Risikobranchen“ zu identifizieren und mit ihnen in den Dialog treten zu wollen. Es gehe etwa darum, Rohstoffe zu akzeptablen Bedingungen zu fördern.
Der Entwurf aus dem BMZ sah vor, alle rund 14.000 großen und in sogenannten Hochrisikosektoren auch alle mittelständischen Betriebe in die Pflicht zu nehmen – dazu gehören Landwirtschaft, Bergbau, Nahrung, Textilien, Bekleidung, Lederwaren und Schuhe, Elektrogeräte und Energieversorgung. Die Unternehmen sollten laut Entwurf menschenrechtliche oder umweltbezogene Risiken in den Geschäftsbeziehungen analysieren und Maßnahmen für Prävention und Abhilfe ergreifen. Vorgesehen waren auch eine Beschwerdemöglichkeit und der Schutz von Hinweisgebern.
Nach Einschätzung von Rechtsexperten sind große Unternehmen und die meisten Mittelständler mit vergleichbaren Systemen für ihr Risikomanagement vertraut. Für Überraschung hatte gesorgt, dass der BMZ-Entwurf für Wertschöpfungsketten neben den Menschenrechten auch Umweltbelange einbezog. Bislang seien beide Rechtsgebiete nur in dem französischen Sorgfaltsgesetz sowie in einer Schweizer Konzerninitiative zusammengeführt, so ein Fachanwalt. Im Umweltrecht seien Sorgfaltspflichten neu. Heil selbst legte in seiner Rede den Fokus auf Vereinigungsfreiheit, Sozialpartnerschaften sowie sozialstaatliche und arbeitsrechtliche Absicherung. Das Umweltbundesamt plant ein eigenes Gutachten in der Sache.
Der gemeinsame Auftritt der Minister war ein Signal an die Wirtschaft, dass eine gesetzliche Verankerung von Sorgfaltspflichten auch in Deutschland unvermeidbar sein wird. Das sieht auch der NAP vor; zumindest dann, wenn die freiwilligen Meldepflichten keine Wirkung zeigen. Ob das der Fall ist, wird in den Jahren 2018 bis 2020 in drei Stufen geprüft. Heil erwartet bereits 2019 erste aussagekräftige Daten zur Bewertung. „Vielleicht hilft diese Debatte, dass sich möglichst viele beteiligen“, mahnte er.
Cornelia Füllkrug-Weitzel, Präsidentin des evangelischen Hilfswerks Brot für die Welt, begrüßte, dass frühzeitig ein Anstoß erfolgt. Kritik übte sie am Ablauf des Verfahrens, erst europäisch zu sondieren, und dann eventuell national zu handeln. Sie forderte, Deutschland sollte mit hohen Ambitionen vorangehen.
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