Kein Geld mehr aus Brüssel

Schweizer NGOs
Das war kein Geschenk: Kurz vor Weihnachten hat die Europäische Kommission zehn Schweizer Hilfsorganisationen informiert, dass sie ab Januar keine EU-Gelder mehr erhalten. Die Organisationen vermuten politische Beweggründe, die EU-Kommission weist das zurück.

Mit dieser Entscheidung aus Brüssel, die Anfang Februar bekannt wurde, verlieren die Schweizer Hilfsorganisationen (NGOs) jährlich rund 50 Millionen Euro für humanitäre Projekte. Die Organisationen wussten zwar, dass die EU eine Überprüfung eingeleitet hatte. Sie haben aber nicht mit einem derart kurzfristigen und drastischen Beschluss gerechnet. Es sei ein Schock gewesen, sagt Felix Gnehm, Direktor des Hilfswerks Solidar Suisse. „Uns fällt ein wichtiger Geldgeber weg, der auch für gute Qualität steht.“

Die EU begründet ihre Entscheidung damit, eine eingehende Prüfung habe ergeben, dass es keine rechtliche Grundlage für die Finanzierung von Organisationen aus Drittstaaten gebe. Schweizer NGOs zweifeln jedoch an dieser Auslegung. Gemäß ihren Quellen in Brüssel, sei sich die EU-Verwaltung nicht einig gewesen. Die für humanitäre Hilfe zuständige Generaldirektion wolle weiter mit den Schweizer Organisationen arbeiten. Der juristische Dienst der Europäischen Kommission habe aber auf der Entscheidung beharrt.

Ist der Brexit schuld?

Die Schweizer Hilfsorganisationen vermuten indes, dass der Beschluss mit dem Brexit zusammenhängt. Mark Herkenrath, Geschäftsleiter von Alliance Sud, sagte in einem Radiointerview, weil britische Hilfsorganisationen nach dem Brexit keinen Zugang mehr zu EU-Geldern haben sollen, wolle die EU ein Zeichen setzen, dass NGOs aus anderen Ländern außerhalb der EU gleich behandelt werden. „Humanitäre Entwicklungsorganisationen der Schweiz, die gute Arbeit leisten, werden bestraft für politische Ränkespiele“, sagte Herkenrath. Aus Kreisen der Europäischen Kommission lässt sich diese Sichtweise jedoch nicht bestätigen. Die Entscheidung sei juristisch begründet, nicht politisch, heißt es dort.

Zehn Schweizer Organisationen betroffen

Organisationen aus europäischen Staaten, die nicht zur EU gehören, konnten sich bisher bei der EU registrieren und akkreditieren lassen, um fünfjährige Partnerschaftsabkommen mit der ...

Den Schweizer NGOs bleibt die Option, sich als „Implementing Partner“, also als Durchführungspartner, auf Mandate zu bewerben, sagt Felix Gnehm von Solidar Suisse. Die Projektführung müsste jedoch eine Organisation aus einem EU-Land übernehmen; die Schweizer NGOs wären nicht mehr in der privilegierten Position, die sie in bisherigen Partnerschaften mit der EU hatten. Bereits vor der Entscheidung aus Brüssel hatte Solidar Suisse zusammen mit dem Welternährungsprogramm und PLAN Schweden ein Projekt zur Förderung eingereicht. Caritas Schweiz hatte ein Projekt schon relativ weit entwickelt, als der Brief aus Brüssel eintraf. Für das Vorhaben kann die Organisation nun über einen Partner aus der EU Fördermittel dafür beantragen.

Schweizer Regierung kann die Lücke nicht schließen

Im Rahmen der bisherigen Partnerschaft mit der EU seit 2010 hat Solidar Suisse 3,7 Millionen Schweizer Franken für sieben Projekte bewilligt bekommen, etwa für den Wiederaufbau nach Katastrophen und Bürgerkriegen und für die Katastrophenvorsorge. Caritas Schweiz hat 2011 erstmals ein Rahmenabkommen mit der EU abgeschlossen. Für ein Ende 2018 abgeschlossenes Projekt zur Katastrophenvorsorge in Tadschikistan hat die Organisation 500.000 Euro erhalten, für ein laufendes Bildungsprojekt in Syrien 1,2 Millionen Euro.

Die Schweizer Botschaft in Brüssel ist im Kontakt mit der EU, das Außendepartement betont aber, die beiden Vertragsparteien müssten in erster Linie selbst nach einer Lösung suchen. Die Finanzierungslücke der NGOs könne nicht von der Schweizer Regierung geschlossen werden.

Die Hilfsorganisationen erwarten vom Außendepartement hingegen, „dass man sich für uns bei der EU einsetzt“, sagt Caritas Kommunikationschef Stephan Gribi. Denn immerhin erhielten auch europäische NGOs Projektgelder aus der Schweiz. Laut dem Außendepartement, haben Organisationen aus elf EU-Ländern in den vergangenen fünf Jahren jährlich rund 18 Millionen Schweizer Franken für humanitäre Hilfsprojekte erhalten. Die Schweizer Hilfsorganisationen müssten sich weiter auf das „Recht auf Gegenseitigkeit“ berufen können, sagt Gribi. Die Schweizer Entwicklungsagentur DEZA schreibe Projekte international aus. „Das ist ein Wettbewerb, der in beiden Richtungen funktionieren muss.“

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erschienen in Ausgabe 4 / 2019: Erde aus dem Gleichgewicht
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