Das ist wieder einmal typisch Deutsch: Da gehen seit einigen Wochen jeden Freitag tausende junge Frauen und Männer auf die Straße und demonstrieren für einen wirksameren Klimaschutz – und was müssen sie sich von miesepetrigen Kommentatoren aus Politik und Medien anhören? Dass sie dafür bitteschön nicht die Schule schwänzen, sondern in ihrer Freizeit protestieren sollten. Dazu passt, was Lenin einmal gesagt haben soll: Mit den Deutschen seien Revolutionen nicht zu machen; die würden erst eine Bahnsteigkarte kaufen, bevor sie einen Bahnhof stürmen.
Nein, die Schülerinnen und Schüler machen das völlig richtig. Würden sie ihre Aktion „Fridays for Future“ nicht als Streik durchführen, dann bekämen sie viel weniger Aufmerksamkeit. Wir sollten froh sein, dass die so häufig als unpolitisch und desinteressiert gescholtene Jugend sich auf diese Weise Gehör verschafft und eine andere Politik fordert. Ihr lauter und bunter Protest macht Hoffnung in einer Zeit, in der der öffentliche Raum in Deutschland zunehmend von AfD- und Pegida-Anhängern und ihrem finsteren Weltbild vereinnahmt wird.
Nicht den Tonfall der ergrauten Klimaschützer übernehmen
Es ist außerdem das Privileg der Jugend, radikal in ihrer Kritik und ihren Forderungen zu sein und hier und da über das Ziel hinauszuschießen – die brüske Ablehnung des Kohlekompromisses durch Vertreter der neuen Klimaschutzbewegung ist ein Beispiel. Schade wäre allerdings, wenn „Fridays for Future“ zu einer neuen „No Future“-Bewegung wird. Die gab es schon einmal und die war, vorsichtig gesagt, politisch nicht sehr wirksam.
Greta Thunberg, die schwedische Anführerin der neuen Klimaschützer, und auch deren deutsches Gesicht, Jakob Blasel, sagen, ohne Klimaschutz in ihrem Sinne habe ihre Generation keine Zukunft; für Thunberg geht es gar um den Fortbestand der menschlichen Zivilisation. Diesen Pessimismus und apokalyptischen Tonfall vieler schon ergrauter Klimaschutzkämpfer sollten die jungen Leute nicht übernehmen.
Es ist wichtig, sich heute für möglichst wirksamen Klimaschutz zu engagieren, um möglichst viel von der Welt, so wie wir sie kennen, zu retten. Wichtig ist aber auch, sich von der Aussicht nicht entmutigen zu lassen, dass sich die Verhältnisse auf unserem Planeten in den kommenden Jahrzehnten dramatisch verändern werden – hier zum Besseren, da zum Schlechteren. Jede Generation muss mit der Welt klarkommen, in die sie hineingeboren wird. Und der Auftrag der Jungen ist es, sie nach bestem Wissen und Gewissen gut zu gestalten. „Früher war alles besser“ – dieses Lamento sollte weiter den Alten vorbehalten bleiben.
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