„Keine Zeit, sich für die nächste Katastrophe zu wappnen“

Klimawandel
Trockenheit und Überschwemmungen machen Bauernfamilien in Bangladesch zu schaffen und verteuern Lebensmittel. Anjalina Diana Podder von der katholischen Kirche erzählt, wie Christen und Muslime sich gemeinsam für mehr Umweltschutz engagieren.

Wie deutlich sind in Bangladesch die Auswirkungen des Klimawandels zu spüren – sind Sie persönlich davon betroffen?
Nein – wenn es darum geht, ob der Klimawandel meine Existenz gefährdet. Ich habe einen gut bezahlten Job und lebe in einer Gegend, in der es bisher noch keine Überflutungen oder andere Katastrophen gab. In Bezug auf die Umwelt bin ich aber wie alle anderen in Bangladesch betroffen. Im Sommer ist es zu heiß und im Winter ist es nicht kalt genug. Wir erleben Regen und sogar Hagel in der Trockenzeit von Dezember bis Februar und Regenmangel während des Monsuns. Die jährliche Gesamtmenge an Regen wird weniger. In meiner Kindheit und Jugend hat es während des Monsuns von Juni bis August drei bis vier Stunden am Tag stark geregnet. Jetzt regnet es vielleicht noch 15 Minuten heftig. Danach sinkt die Temperatur aber nicht mehr.

Welche Folgen hat das?
Vor allem in der Landwirtschaft sind die Auswirkungen zu spüren. In den Städten wird das Gemüse teurer. Der Meeresspiegel steigt. Laut einer Studie der Nationalen Abteilung für Forstwirtschaft und Umwelt ist der Meeresspiegel entlang der gesamten Küste Bangladeschs in den vergangenen zwanzig Jahren zwischen 6 und 21 Millimeter gestiegen. Das mag langsam erscheinen. Klar ist aber, dass der Klimawandel längst begonnen hat.

Was wird in Bangladesch unternommen, um den Klimawandel zu bewältigen?
2009 ist der Nationale Aktionsplan gegen den Klimawandel in Kraft getreten. Ernährungssicherheit ist darin ein Bereich, aber auch Infrastruktur wie der Bau von Staudämmen sowie Bildungsfragen werden genannt. Das Bangladesh Rice Research Institute und das Bangladesh Agricultural Research Institute etwa züchten Reis- und Gemüsesorten, die einen höheren Salzgehalt im Boden und höhere Temperaturen tolerieren.

Reicht das aus?
Noch sind die Nahrungsmittel in Bangladesch nicht knapp. Aber wir wissen nicht, ob die neuen Sorten dem sich weiter verändernden Klima gewachsen sind. Die Bangladesh Bank hat zudem 2016 den Umwelt-Transformationsfonds gegründet, über den Unternehmen gefördert werden, die umweltfreundlicher produzieren und ihre Kohlenstoffemissionen reduzieren wollen. Außerdem entdecken wir indigene Technologien wieder neu. Für unsere Vorfahren waren Aufforstung oder die Nutzung von schwimmenden Beeten auf den vom Monsun überschwemmten Feldern über Jahrhunderte selbstverständlich.

Wie wichtig nehmen einfache Leute in Bangladesch das Thema Klimawandel?
Das ist für uns ein sehr präsentes Thema. Man muss nicht studiert haben, um etwas über die Auswirkungen zu wissen. Die Bäuerinnen und Bauern warten auf Regen. Sie stellen fest, dass das Gemüse weniger Wasser bekommt, dass Trockenheit dem Gemüse schadet und sie am Ende weniger produzieren. Sie müssen Wasser zukaufen, was die Produktionskosten erhöht. In der Schule lernen die Kinder ab der fünften Klasse, welche Auswirkungen der Klimawandel hat und wie sie sich im Katastrophenfall zu verhalten haben. In den vergangenen Jahren ist Bangladesch von mehreren ungewöhnlich heftigen Wirbelstürmen getroffen worden. Dabei wurden Teile der Süßwasservorräte in der Küstenregion zerstört. Die Flutwellen haben Salzwasser auf die Felder gespült und sie unfruchtbar gemacht. Jeder in Bangladesch merkt, dass sich das globale Klima verändert.

Sprechen die Menschen in Bangladesch über Klimagerechtigkeit?
Ja. Selbst einfache Menschen machen den Industrieländern Vorwürfe. Sie wissen, dass die globalen CO2-Emissionen den Klimawandel verursachen und dass Bangladeschs Anteil daran mit 0,4 Prozent sehr gering ist. Sie empfinden es als unfair, dass sie die verheerenden Auswirkungen des Klimawandels mehr als andere zu spüren bekommen. Die Menschen in den betroffenen Gebieten haben gar keine Zeit, um zu lernen, sich gegen diese Katastrophen zu wappnen. Sie treten einfach zu häufig und zu schnell hintereinander auf. Die Menschen können sich nicht einmal von den Schäden erholen, bevor die nächste Kata­strophe eintritt. Sie fordern von der Regierung, mehr zu tun.

Bekommt Bangladesch genügend Unterstützung?
Nein. Wir brauchen keine bilaterale Hilfe, sondern multilaterale Unterstützung. Um den CO2-Ausstoß global zu reduzieren, müssen Menschen in westlichen Ländern ihren Lebensstil ändern und ihren CO2-Fußabdruck verkleinern. Dies ist ein sehr politisches Problem. Am Ende kommt es darauf an, dass Politiker ihre Bevölkerung auffordern, ihr Leben zu ändern. Doch welcher Politiker ist dazu bereit?

Wie sieht Ihre Arbeit bei der Bischofskonferenz von Bangladesch aus?
Es geht um Bewusstseinsbildung. Wir arbeiten an einem Zehnjahresplan zur Rolle der Kirche in den Bereichen Klimawandel, Klimagerechtigkeit und Klimaflüchtlinge. Für die Kirche ist dies eine theologische und humanitäre Anforderung.

Christen sind in Bangladesch eine kleine Minderheit, mehr als 70 Prozent der Bevölkerung sind Muslime. Welchen Einfluss hat da Ihre Kommission?
Wir Katholikinnen und Katholiken sind in der Tat eine sehr kleine Minderheit. Wir sind nur 385.000 unter 164 Millionen Menschen. Das sind 0,03 Prozent der Bevölkerung. Über unsere Schulen haben wir aber einen wesentlich größeren Einfluss auf die Gesellschaft. Die katholische Kirche betreibt 592 Schulen und Hochschulen sowie 13 Berufsbildungseinrichtungen, die alle offen sind für Kinder aus allen Religionen. Die Mehrheit unserer Schüler sind Muslime. In unseren Lehrplänen vermitteln wir ihnen Umweltthemen, zeigen ihnen, wie sie gesünder leben und wie wir unseren CO2-Fußabdruck senken können und was Nachhaltigkeit bedeutet.

Gibt es auch muslimische NGOs in Bangladesch, die am Klimawandel arbeiten?
Ja, die gibt es. Wir haben zwar keine gemeinsamen Projekte, sind aber auf den gleichen Plattformen präsent. Und auf lokaler Ebene organisieren wir auch gemeinsam Seminare und tauschen uns über neue Projekte aus, damit wir nicht doppelte Arbeit machen.

Das Gespräch führte Katja Dorothea Buck.

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erschienen in Ausgabe 12 / 2018: Mehr als Reis und Weizen
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