Der gegenwärtige Ebola-Ausbruch ist schon der zehnte in der DR Kongo seit der Entdeckung des Virus 1976. Aber der erste im konfliktträchtigen Nordosten des Landes. Wie schwierig ist das für Ihre Partner?
Es macht die Arbeit extrem schwer. Aufgrund der Unruhen ist es riskant für die Teams, die Kontakte der Erkrankten zu erreichen, und sie können die Nachverfolgung nicht gewährleisten. Wenn zum Beispiel ein Patient 20 Kontakte angegeben hat, müsste man die Menschen regelmäßig besuchen, Fieber messen und gegebenenfalls isolieren, damit sie niemanden anstecken. Aber das ist oft nicht möglich. Im Moment ist gerade Beni, eine Stadt in der Provinz Nord-Kivu, unter Beschuss von verschiedenen Rebellengruppen. Dort ist es sehr gefährlich. Alle Teams, die dort unterwegs sind, haben unsere größte Hochachtung verdient.
Der UN-Sicherheitsrat hat jüngst in einer einstimmigen Resolution die Konfliktparteien aufgefordert, den Helfern Zugang zu gewähren. Bringt das etwas?
Die Rebellen im Busch in Nord-Kivu lassen sich wohl kaum von UN-Resolutionen beeindrucken. Das ist eher ein Ausdruck von Hilflosigkeit der internationalen Gemeinschaft. Immerhin wird die Krise wenigstens wahrgenommen. Aber es ist ja nicht damit getan, den Helfern Zugang zu gewähren. Das wäre nur ein erster Schritt. Die UN müssten endlich für Frieden in der Region sorgen, das wünschen sich die Menschen dort.
Wie beurteilen Sie die Reaktion der Weltgesundheitsorganisation (WHO), die unter anderem bereits mehr als 20.000 Menschen im Ost-Kongo gegen Ebola geimpft hat?
Ohne die Impfungen wäre diese Epidemie schon zur Katastrophe ausgeartet. Nach den jüngsten Zahlen von Ende Oktober sind 279 Fälle registriert, davon sind 179 Menschen gestorben. Diese Zahlen könnten viel höher sein. Das ist ein riesengroßer Unterschied im Vergleich zu dem Ebola-Ausbruch in Westafrika 2014/2015. Damals hat die Welt wirklich geschlafen und die Aktivitäten der WHO waren sehr unkoordiniert. Das ist jetzt völlig anders – sehr systematisch, sehr koordiniert. Auch unserer kirchlichen Partner werden einbezogen und können die Versorgungslücken füllen, die in ihren Regionen entstehen. Wir arbeiten mit einer der evangelischen Kirchen zusammen, die dort Krankenhäuser und Gesundheitsstationen unterhält.
Wie läuft die Zusammenarbeit mit der kongolesischen Regierung?
Es gibt eine sehr enge Zusammenarbeit zwischen Regierung und WHO vor Ort. Das läuft so gut es laufen kann unter den schwierigen politischen Bedingungen. Wenn die Unruhen nicht wären, wäre die Epidemie wohl schon vorbei. Aber nun gibt es immer wieder neue Fälle.
Nicht nur die Unruhen erschweren die Arbeit. Die Menschen in Nord-Kivu reagieren außerdem voller Misstrauen auf die Gesundheitshelfer. Sie weigern sich zum Beispiel, Leichname für eine sichere Bestattung freizugeben, weil sie fürchten, ihnen würden die Organe entnommen. Wie können Sie dem begegnen?
Wer jahrzehntelang mit einer ständigen Angst lebt und das Gefühl hat, die eigene Regierung und die UN können ihn nicht schützen, misstraut auch den Gesundheitshelfern, die als Abgesandte der Regierung angesehen werden. Das ist verständlich. Deshalb ist es wichtig, alle zivilgesellschaftlichen Gruppen vor Ort einzubeziehen und dafür zu sorgen, dass diejenigen, die Vertrauen genießen, eine klare Sprache sprechen. Das wird auch gemacht. Ich war Anfang September in Nord-Kivu und Ituri. Dort haben wir neben dem medizinischen Personal auch Kirchenleitungen über Ansteckungswege und Schutz informiert. Es war erstaunlich, wie sie gleich am nächsten Sonntag über Ebola gepredigt haben. Die Kirche hat gute Möglichkeiten, sich als unabhängig vom Staat darzustellen und die Kommunikation positiv zu beeinflussen.
Weit mehr als die Hälfte der Ebola-Kranken sind Frauen. Woran liegt das?
Frauen sind diejenigen, die sich um Kranke kümmern, vor allem um ihre Kinder und Männer. Der Mann schickt seine kranke Frau in die Klinik, die Frau wird dagegen versuchen, ihre Angehörigen zu Hause zu pflegen. Der Zugang für Frauen zur medizinischen Versorgung muss verbessert werden. Aber in der Region ist die Gewalt gegen Frauen unglaublich hoch, sie sind quasi Freiwild. Niemals würde eine Frau nachts ihr Haus verlassen und ein Gesundheitszentrum aufsuchen, wenn sie nachts 39 Grad Fieber bekommt oder sich erbrechen muss. Männer können sich freier bewegen.
Wie groß ist die Gefahr, dass Ebola die Grenzen zu den Nachbarländern Uganda und Ruanda überspringt?
Die Gefahr ist da. Aber in Ruanda und Uganda ist man sehr vorsichtig. Die Grenzregionen werden gut überwacht, damit Menschen, die mit Fieber ankommen, sofort isoliert und diagnostiziert werden können. Die Gesundheitssysteme in beiden Ländern sind gut aufgestellt. Allerdings halte ich das Risiko immer noch für ziemlich hoch, dass sich Ebola in Richtung Norden, nach Ituri, ausbreitet. Einer unserer Partner kümmert sich um die medizinische Versorgung in den Flüchtlingslagern in Bunia. Die Mitarbeitenden haben es geschafft, Handwaschanlagen mit chloriniertem Wasser aufzubauen und sauberes Trinkwasser zur Verfügung zu stellen. Aber da müsste man natürlich noch mehr tun, um eine Ausbreitung von Ebola zu verhindern. Bislang ist zum Glück noch kein Fall aufgetreten, das wäre eine Katastrophe.
Das Gespräch führte Gesine Kauffmann.
Neuen Kommentar hinzufügen