Der Auftritt war ein Triumph für die rechte FPÖ. Am vergangenen Mittwoch verkündeten Vizekanzler Heinz-Christian Strache und Innenminister Herbert Kickl, flankiert von weiteren Kabinettsmitgliedern, Österreichs Ausstieg aus dem UN-Migrationspakt, der im Dezember in Marrakesch feierlich unterzeichnet werden soll. Österreich sei kein Einwanderungsland, betonten Strache und Co. Und: „Österreich muss in der Migrationsfrage souverän und selbstbestimmt bleiben.“ Strache fürchtet, dass der Pakt zu Völkergewohnheitsrecht werden und Österreich dann binden könnte – obwohl der Vertrag ausdrücklich nicht rechtsverbindlich ist.
Die FPÖ verdankt ihren Aufstieg und ihre Regierungsbeteiligung ihrer fremdenfeindlichen Haltung. Sachargumente werden durch Symbolhandlungen ersetzt, die an das Bauchgefühl appellieren. So auch im Fall des Migrationspaktes, der Empfehlungen gibt, wie die Wanderung von Menschen in aller Welt gesteuert und in geregelte Bahnen geführt werden könnte. Es geht ausdrücklich nicht um Flüchtlinge, für die derzeit ein eigener Pakt bei den Vereinten Nationen ausgehandelt wird. Nur Klimaflüchtlinge, deren Zahl über kurz oder lang deutlich steigen dürfte, werden angesprochen.
Die Befürchtung, die Vorschläge des Paktes könnten als Folge einer Anwendung zu Gewohnheitsrecht werden, wird von fast allen Völkerrechtsexperten entkräftet. Wenn Österreich sie nicht anwendet, könne sich auch niemand darauf berufen. Auch die Behauptung, der Pakt postuliere ein Recht auf Migration, ist schlicht Fake News. Er fordert lediglich, dass Menschenrechte auch für Migranten volle Geltung haben müssen.
In einem Boot mit Trump und Orbán
Nicht weniger als 17 von 23 Empfehlungen des Paktes weist Innenminister Kickl als „toxisch“ zurück. Dass die FPÖ nicht gerne auf Massenabschiebungen und auf „ethnic profiling“ verzichten will, also auf die gezielte polizeiliche Überprüfung von Personen allein auf Grund ihres äußeren Erscheinungsbildes, sagt mehr über den Geist, der in dieser Partei herrscht, als über die reale Gefahr für Österreichs Rechtsordnung. Der Pakt fordert, dass Migranten einen Zugang zum Arbeitsmarkt, zur Gesundheitsversorgung oder zu Bildungsangeboten bekommen und schneller Unternehmen gründen können. Im Sinne der Integration wäre das wünschenswert. Nicht aber für die von Sebastian Kurz (ÖVP) geführte Koalition.
Für Kurz, der sich gerne als Brückenbauer präsentiert und Österreichs Ruf als weltoffenes Land und Sitz verschiedener UN-Organisationen zu verteidigen hat, ist die Entscheidung nicht nur jämmerlich, sondern schädlich. Man setzt sich offenen Auges in ein Boot mit Donald Trump und Ungarns Premier Viktor Orbán, die schon vorher aus dem Pakt ausgestiegen sind.
Kurz protestiert immer wieder heftig gegen die Kritik, er sei rechtspopulistisch. Mit der Ablehnung des Migrationspaktes mag er den fremdenfeindlichen Koalitionspartner bei Laune halten. Doch zugleich begibt sich der Kanzler damit zunehmend in eine Ecke, aus der er ohne Schaden für seine Reputation und seine christlich-soziale Partei nicht mehr herauskommen wird.
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