Der Papst lehnt den Schutz vor Aids mittels Kondomen ab, lautete die Botschaft der Medien. Doch so direkt hatte es Benedikt XVI. auf seiner Afrika-Reise gar nicht gesagt. Er hatte aber den Nutzen von Kondomen in Zweifel gezogen. Das ließ Spielraum - für harsche Schelte wie für differenziertere Interpretationen.
Mit als erste meldeten sich nach den Äußerungen des Papstes die Bundesministerinnen Ulla Schmidt (Gesundheit) und Heidemarie Wieczorek-Zeul (Entwicklung) zu Wort. Zu „moderner Entwicklungszusammenarbeit" gehöre selbstverständlich auch der Einsatz von Kondomen, da sie Leben retteten. „Alles andere wäre unverantwortlich", erklärten die Ministerinnen, ohne freilich den Papst zu erwähnen. Andere wurden direkter und schärfer. Die Deutsche Aidshilfe wies die Äußerungen als „menschenverachtend, zynisch und weltfremd" zurück. Wolfgang Wodarg, gesundheitspolitischer Sprecher der SPD im Bundestag, sprach von „schwerer Schuld" des Papstes. Im Ausland fielen viele Urteile ebenso harsch aus. Frankreichs Expremier Alain Juppé erkannte beim Oberhaupt der katholischen Kirche „totalen Autismus".
Über den genauen Wortlaut gibt es unterschiedliche Angaben, aber im Kern hatte der Papst vor mitreisenden Journalisten an Bord seines Flugzeugs nach Kamerun offenbar dies gesagt: Die Immunschwächekrankheit Aids sei durch die Verteilung von Kondomen nicht zu überwinden, im Gegenteil: Nur darauf zu setzen, verschlimmere das Problem. Notwendig sei eine „spirituelle und menschliche Erneuerung", um aus der vor allem in Afrika grassierenden Pandemie herauszukommen. Allein in Subsahara-Afrika sind 22 Millionen Menschen mit dem HI-Virus infiziert. 17 Millionen Menschen sind bereits an Aids gestorben.
Was der Papst mit seiner Bemerkung meinte, der Einsatz von Kondomen verschlimmere das Problem, blieb offen. Er sagte auch nichts weiter zu dem von ihm geforderten geistigen und menschlichen Umsteuern. Stattdessen lieferten andere Kirchenvertreter die Erklärungen. Ihr Tenor: Kondome könnten zwar helfen, Ansteckung zu vermeiden. Aber allein mit Werbung für Kondome lasse sich Aids nicht überwinden. Sie verleiteten zu freiem Geschlechtsverkehr mit wechselnden Partnern. Das berge die Gefahr weiterer Ansteckungen und sei aus kirchlicher Sicht zudem eine „inhumane" Sexualpraxis.
Die Kirche stehe nicht „in einer finsteren Anti-Kondom-Ecke", versuchte der Hamburger Weihbischof Hans-Jochen Jaschke in einem Beitrag für die Wochenzeitung „Die Zeit" die Dinge zurechtzurücken. Geboten sei ein umfassender Ansatz von Aufklärung, Vorbeugung und Hilfen für die Kranken. Der Weihbischof und andere Kirchenvertreter stellten sich hinter die so genannte ABC-Methode, die etwa in Uganda von Staat und Kirche propagiert wird: A steht dabei für Abstinenz, B für „Bleib treu" - und C für die Benutzung von Kondomen (Condoms).
Josef Sayer, der Geschäftsführer des Bischöflichen Hilfswerks Misereor, befand auf Nachfrage von „welt-sichten", die katholische Kirche brauche sich jedenfalls nicht nachsagen lassen, gegen Aids vor allem im Vergleich zu staatlichen Stellen nichts zu tun - im Gegenteil. In Südafrika etwa liege die Arbeit mit Aidskranken zu 80 Prozent in den Händen der Kirchen. Misereor helfe den Partnern, ihre Selbsthilfekonzepte zu verwirklichen. Und für die kirchlichen Partnerorganisationen von Misereor vor Ort sei klar: Der Kampf gegen Aids muss „mit allen Mitteln" geführt werden - auch mit Hilfe von Kondomen.
Die Deutsche Bischofskonferenz stellte sich hinter die Hilfswerke und verwies darauf, dass die Lebensumstände der Menschen verbessert werden müssten. Darauf hob auch Caritas International ab. Die Organisation kümmert sich in ihren Entwicklungsprojekten unter anderem um Straßenkinder, Kindersoldaten und Prostituierte. Kondome prinzipiell abzulehnen, wäre da realitätsfremd.
„Es ist richtig, der Aids-Pandemie auch mit Kondomen entgegenzutreten", verteidigte denn auch der entwicklungspolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Christian Ruck, eine Meldung, das deutsche Entwicklungsministerium habe für zehn Millionen Euro Kondome zur Verteilung in Entwicklungsländern geordert. Doch Papst Benedikt XVI., so Ruck, habe deshalb nicht Unrecht. Zur Prävention gehöre auch eine „verantwortungsbewusste Kultur der Partnerschaft", übersetzte der Unionspolitiker die päpstliche Maßgabe, geistig und menschlich umzusteuern.
Johannes Schradi