„Verharmlosung der Waffenexporte“

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Ein Experte wirft Rüstungskritikern Stimmungsmache vor. Der Politikwissenschaftler Max Mutschler kontert.

Wenn es um Waffenexporte geht, verfallen Kritiker in Hysterie – und verzerren die Fakten: So stellt es der Politikwissenschaftler Joachim Krause vom Institut für Sicherheitspolitik an der Universität Kiel in einem Beitrag in der Zeitschrift „Sirius“ dar. Krause versucht nachzuweisen, dass der Umfang der Rüstungsexporte überschätzt wird und deutsche Waffen keine Rolle in aktuellen Konflikten spielen. Max Mutschler vom Bonn International Center for Conversion (BICC) und Vorsitzender der GKKE-Fachgruppe Rüstungsexporte geht auf die Vorwürfe ein.  

Joachim Krause zweifelt an der Vergleichbarkeit der Daten zu Rüstungsexporten. Ist da was dran?   
Bei großen Datensätzen hat man immer Lücken und Ungenauigkeiten. Joachim Krause weist zu Recht darauf hin, dass Institute wie SIPRI in Stockholm nur öffentlich zugängliche Daten berücksichtigen. Das erschwert den Vergleich, weil die Zahlen davon abhängen, wie offen ein Land über die Exporte informiert. Und da ist Deutschland sicher transparenter als beispielsweise China. Aber das sollte allen bewusst sein, die mit solchen Zahlen arbeiten.

Wird Deutschland in den Rankings zu hoch eingeschätzt?
Da wäre ich vorsichtig. Die Rangliste von SIPRI reflektiert nur den Transfer von Kriegswaffen wie Panzern, Kampflugzeugen oder U-Booten. Nicht abgebildet werden sonstige Rüstungsgüter, also auch einzelne Komponenten und Technologien zur Herstellung von Waffen. Die Bundesregierung informiert nur über den Wert der tatsächlich ausgeführten Kriegswaffen, aber nicht über die Ausfuhr von sonstigen Rüstungsgütern. Die Frage ist also, wie hoch diese sind. Die Annahme von Joachim Krause, dass Deutschland weniger sonstige Rüstungsgüter ausführt als Kriegswaffen  ist gewagt. 2016 entfielen in Deutschland weniger als ein Drittel der genehmigten Rüstungsexporte auf Kriegswaffen, der Großteil entfiel also auf sonstige Rüstungsgüter.

Welche Rolle spielt es überhaupt, ob Deutschland nun der dritt-, fünft- oder sechstgrößte Exporteur ist?
Keine allzu große. Entscheidend ist, wohin deutsche Waffen geliefert werden. Und ob sie zu Gewalt und Unterdrückung in der Welt beitragen.

In der Diskussion geht es oft um Kleinwaffen. Joachim Krause kritisiert, dass die Bedeutung deutscher Kleinwaffen auf dem globalen Markt maßlos überschätzt wird. Teilen Sie diese Bewertung?
Es stimmt, dass Länder wie China, Iran oder Russland kaum oder nur unzureichend über Exporte informieren. Und dass Waffen aus älteren Beständen, etwa aus Sowjetzeiten, heute den Schwarzmarkt dominieren. Insgesamt ist es aber schwierig, genaue Zahlen zu nennen, weil man über die Verteilung der Kleinwaffen relativ wenig weiß. Selbst wenn der Anteil der deutschen Waffen eher gering ist, ist es nicht egal, an wen die Waffen geliefert werden. Und da geht aus Deutschland ein recht großer Anteil an Drittstaaten, die nicht zur Nato oder der Europäischen Union gehören, über die vergangenen Jahre jeweils zwischen 30 und 50 Prozent. Unter den Empfängern sind Länder wie Saudi-Arabien, Katar und die Vereinigten Arabischen Emirate. Krause hält diese Lieferungen für vertretbar – und übernimmt damit die Position der Bundesregierung. Diese Bewertung finde ich sehr problematisch.

Genauso wie seine Schlussfolgerung, dass deutsche Sturm- und Maschinengewehre keine Rolle in aktuellen Konflikten und Bürgerkriegen spielen?
Dafür reicht ein Blick in den Jemen: Es gibt Berichte über G3-Gewehre, die in Saudi-Arabien mit deutscher Lizenz produziert und an Milizen im Jemen weitergegeben wurden. Dort hätten die Waffen laut den Endverbleibsregeln niemals landen dürfen. In den 1960er Jahren hat Deutschland massenhaft G3 exportiert und Ländern wie Pakistan, Iran oder dem Südsudan Produktionslizenzen erteilt. Diese Politik benennt auch Joachim Krause als eindeutigen Fehler Und jetzt tut man das wieder in Saudi-Arabien. Wie Joachim Krause da zu der Überzeugung kommt, dass die Bundesregierung aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt habe, ist mir schleierhaft. Das verharmlost die Wirkung der deutschen Rüstungsexporte.

Man hört oft, dass deutsche Waffenexporte Fluchtursachen verstärken. Kann man diesen Zusammenhang herstellen?
Es gibt sicher mehr als nur eine Fluchtursache. Aber die Bedeutung von Rüstungsexporten muss man ernst nehmen. In Konflikten wie in Syrien oder Libyen spielen deutsche Exporte sicher keine große Rolle. Im Jemen-Konflikt dagegen schon: In den Eurofighter-Flugzeugen, die Saudi-Arabien im Jemen einsetzt, sind auch Komponenten aus Deutschland verbaut. Und auch die Patrouillenboote, die Deutschland an Saudi-Arabien exportiert, sind problematisch. Das Land hat durch seine Seeblockade die humanitäre Krise im Jemen verstärkt.   

Wird die Debatte über deutsche Rüstungsexporte hysterisch geführt?
Die Medien spitzen bei dem Thema sicher ab und an zu. Auch die Rüstungskritiker sollten seriös mit den Zahlen umgehen. Deshalb ist es gut, dass Joachim Krause auf die Probleme mit der Datenlage hinweist. Was ich nicht teile, sind seine Schlussfolgerungen.

Das Gespräch führte Sebastian Drescher.

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