Kochen ohne Rauch – das mögen nicht alle

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Gesundheitsfreundliches Kochen
Es gibt gesunde und umweltfreundliche Alternativen zum Kochen auf offenem Feuer. Trotzdem bevorzugen viele Menschen die traditionelle Art und sind skeptisch gegenüber Neuerungen.

Ruß und Qualm in der Wohnung sind eins der größten Probleme weltweit – für die Umwelt, das Klima und vor allem die menschliche Gesundheit. Drei Milliarden Menschen kochen mit Holz, Holzkohle, Ernteabfällen, Kerosin, Dung und Plastikmüll. In den Steppen der Mongolei, in der peruanischen Sierra oder im Hochland Kenias vertreibt offenes Feuer auch die Kälte.

Das Problem: Beim Kochen und Heizen mit offenem Feuer entsteht Ruß: Feinstaub, der Stickoxide und gefährliche Kohlenstoffverbindungen enthält, oft auch Schwefelsäure, Quecksilber, Fluor und Arsen. In Millionen Hütten in Entwicklungsländern entstehen hundertmal mehr Rauch und Ruß, als die Weltgesundheitsorganisation (WHO) als Höchstwert empfiehlt – mit dramatischen Folgen für die Gesundheit der Bewohner.

Sie bekommen besonders häufig Schlaganfälle, grauen Star, Krebs der oberen Atemwege. Und Feinstaub, der sich in der Lunge abgelagert hat, lässt sich nicht mehr aushusten. Es kommt zu Entzündungen, Lungengewebe stirbt ab und vernarbt, langfristig drohen chronische Lungenerkrankungen und Lungenkrebs. Die WHO schätzt, dass häusliche Abgase jährlich 3,5 Millionen Menschen töten – fast so viele wie die Abgase von Autos, Industrie, Brandrodung und das Abbrennen abgeernteter Felder zusammen. Mehr Kinder sterben an durch Rauch verursachter Lungenentzündung als an Malaria, Durchfallerkrankungen und Masern zusammen.

Kuhdung und Asbest

Weltweite Bemühungen um umwelt-, klima- und gesundheitsfreundlicheres Kochen koordiniert die Globale Allianz für saubere Kochherde. Sie wurde 2010 von den Vereinten Nationen ins Leben gerufen und sitzt in Washington, D. C. In der Allianz bemühen sich Regierungen, Unternehmen, Stiftungen und nichtstaatliche Organisationen, weltweit ein Bewusstsein zu schaffen und Geld zu mobilisieren für sauberes Kochen. Zudem fördert die Allianz die Weiterentwicklung angepasster Kochtechnologie.

Bekämpft wird die häusliche Produktion von Qualm derzeit vor allem mit verbesserten offenen Kochstellen. Diese sind technisch weitgehend ausgereift und an die Kochgewohnheiten der Zielgruppen angepasst; kulturelle Akzeptanz ist selten ein Problem. In Haushalten der Adivasi (Ureinwohner) des südindischen Bundesstaates Andhra Pradesh hat die lokale Organisation Laya 6000 verbesserte Holzherde in­stalliert – finanziert vom deutschen katholischen Hilfswerk Misereor. Im Dorf Kulluba erklärt der Techniker Lova Raju, wie die mit zwei Kochstellen ausgestatteten Herde funktionieren. Durch einen Kanal strömt die Hitze von der einen zur anderen Kochstelle, während der Rauch in den Schornstein aufsteigt. Ist der Schornstein verrußt, wird er von oben gefegt. Die Asche fällt in ein Gefäß; die Hausfrau fügt Dung hinzu und reinigt mit dem Gemisch den Boden der Hütte.

Die Herdmulde, der Rost und der Rahmen des Herdes sind aus Metall, die Verkleidung aus mit Kuhdung gemischtem Lehm. Stark beanspruchte Stellen wie die Einfüllöffnung für Holz sind verstärkt mit Zement und Ziegelsteinen. Ein Problem: Der Schornstein enthält Asbest. Das kann, wenn es eingeatmet wird, das Risiko für eine Krebserkrankung erhöhen. Aber es gebe keine Alternative, sagt der Techniker. Metallschornsteine würden glühend heiß und damit brandgefährlich. Schornsteine aus Lehm lösten sich schnell auf, gemauerte aus Ziegeln seien unbezahlbar.

Laut einer Studie der Universität von Colorado brauchen Frauen, die die neuen Herde der Organisation Laya benutzen, deutlich weniger Zeit zum Kochen als früher. Und weil die Herde 30 Prozent weniger Energie benötigen, müssen die Frauen auch seltener Holz holen. Frauen und Kinder haben zudem weit weniger Atemwegs- und Augenbeschwerden als früher.

Über verbesserte Holz- und Holzkohleherde hat auch der Fachkongress der Globalen Allianz für saubere Kochherde im Oktober 2017 in Neu-Delhi diskutiert. Der Umweltmediziner Thomas Clasen von der Emory-Universität verwies auf eine Studie, nach der verbesserte Brennholzherde im ländlichen Malawi nicht zu einem Rückgang von Lungenentzündungen bei Kleinkindern geführt haben. Auch eine Studie in Nordindien dokumentiere eine Verminderung der Abgasbelastung im Haus, die sich aber nicht signifikant auf die Gesundheit der Bewohner ausgewirkt habe. Die Rauchbelastung sei wohl immer noch zu hoch, meinen Fachleute und verweisen auf Kochtechniken, die sauberer sind als verbesserte Holz- und Holzkohleherde.

Aber diese Techniken sind teuer und kulturell nicht unproblematisch. Indien etwa fördert seit Jahren die umwelt- und klimafreundliche Nutzung von Biogas. Doch nur wenige Inder sind bereit, Kuhdung anzufassen. Und die Anfangsinvestitionen in eine Biogasanlage sind hoch.

Die ländliche Bevölkerung zeigt sich skeptisch

Mit beachtlichem Erfolg propagieren viele Regierungen derweil das Kochen mit aus Erdöl gewonnenem Flüssiggas. Das Gas brennt relativ sauber und es entsteht wenig Kohlendioxid. In aufwendigen Kampagnen preisen insbesondere Indiens Ölkonzerne und die Regierung das Gas als Lösung aller Kochprobleme an; allein 2016/2017 haben sie die Installation von 30 Millionen Herden mit Gasflaschenanschluss subventioniert. 95 Prozent der städtischen Bevölkerung nutzen inzwischen Flüssiggas – oft aber nur zum Kochen von Tee und Kaffee. Denn auch das Gas ist nicht billig und könnte rasch unerschwinglich werden, wenn der Erdölpreis steigt.

Trotzdem gewinnt das Kochen mit Flüssiggas zusehends an Boden in armen Ländern.Allerdings nur in den Städten. Die ländliche Bevölkerung zeigt sich eher skeptisch gegenüber allem Neuen. Viele Inder sagen: Was nicht auf dem traditionellen offenen Herd, dem Chulha, gekocht sei, schmecke nicht. Viele Afrikaner rösten Mais nur auf offenem Feuer, so wie Europäer ihr Steak auf dem Holzkohlegrill. Das offene Feuer ist – Rauch hin, Rauch her – ­auch ein Ort abendlichen Beisammenseins und kultureller Aktivitäten.

Neue Kochtechniken für Menschen in Entwicklungsländern müssten deshalb nicht nur komfortabel, zuverlässig und robust sein, sagt Radha Muthiah, bis vor kurzem Leiterin der Globalen Allianz für saubere Kochherde. „Jeder Kunde ist verwurzelt in seiner Kultur, die wir verstehen müssen, um ihm einen Herd zu verkaufen. Wie kocht dieser Mensch – und was? Kocht er im Winter anders als im Sommer? Wie kocht er für Gäste und bei besonderen Anlässen?“

Autor

Thomas Kruchem

publiziert als Journalist sowie Hörfunk- und Buchautor zu entwicklungspolitischen Fragen.
Um neue Herde in traditionell lebenden Gesellschaften zu verankern, müssten Experten, Hersteller und Händler insbesondere die Rolle der Frau verstehen, meint Muthiah. „Was erwartet die Familie von ihr? Was sagen die Schwiegermutter und der Mann, wenn ein Gericht plötzlich anders schmeckt, weil es mit einem anderen Brennstoff gekocht wurde? Erst wenn wir die Kultur der Menschen verstanden haben, können wir ihnen erklären, warum sie umsteigen sollten auf sauberere und effizientere Herde und Brennstoffe.“

Das ist eine mühsame und oft langwierige Aufgabe, für die sich viele Entwicklungsorganisationen nicht die Zeit nehmen und die deshalb scheitern. Ganz anders die südindische Organisation Laya, erklärt deren Mitarbeiter Siddharth D’Souza. Über Jahre habe man sich mit anderen Projekten Vertrauen unter den Adivasi erarbeitet. „Unsere verbesserten Herde unterscheiden sich nur geringfügig von den Herden, die die Adivasi traditionell benutzen. Wir haben eigentlich nur den Luftdurchlauf verbessert. So kochen die Leute effizienter, belasten ihre Gesundheit weniger und die Chancen wachsen, dass sie die neuen Herde dauerhaft akzeptieren.“

Adivasi-Familien: Überzeugt von den neuen Herden

Gerade 100 Rupien (umgerechnet etwa 1,25 Euro) zahlen die Adivasi für einen Herd; die tatsächlichen Kosten liegen bei 800 Rupien. Derlei Subventionen gefährden, wenn sie nicht strikt begrenzt als Katalysator von Innovation gewährt werden, den dauerhaften Erfolg von Entwicklungszusammenarbeit. D’Souza rechtfertigt sie damit, dass Laya so die Gesundheit der Ureinwohner schütze und dem Klimawandel entgegenwirke. Außerdem zeigen sich immer mehr Adivasi-Familien derart überzeugt von den neuen Herden, dass sie bereit sind, Ersatzbedarf zum Marktpreis zu kaufen.

Der Kanadier Peter Scott, Gründer des Unternehmens Burn Manufacturing in der kenianischen Hauptstadt Nairobi, engagiert sich wie Laya in Indien für möglichst sauberes Kochen in Entwicklungsländern. Von geringfügig verbesserten Herden in indischen oder afrikanischen Dörfern jedoch hält der Kanadier ebenso wenig wie von Subventionen. Scott baut in Kenia mit 250 Mitarbeitern sogenannte Raketenherde. Sie sehen aus wie ein großes L. Unten werden Holzkohle oder Brennholz eingeführt; im isolierten Brennraum wird eine derart hohe Temperatur erreicht, dass fast alle Abgase verbrennen.

Kochen mit Strom aus Solarzellen

Diese Herde sparten doppelt so viel Energie ein wie die bei den Adivasi Indiens installierten Einbauherde, sagt Scott; er verkaufe sie erfolgreich für 40 Dollar das Stück, ohne jede Subvention. „Familien im Afrika südlich der Sahara zahlen 10 bis 75 US-Dollar monatlich für Holzkohle. Wir geben den Leuten einen Herd, mit dem sie 60 Prozent dieser Kosten sparen. Dieser Herd bezahlt sich selbst – innerhalb von höchstens sechs Monaten.“ Seine Kunden vor allem in den Städten wüssten das zu schätzen; er habe bereits 350.000 Stück verkauft.

Neben smarten Kaufleuten und sozial engagierten Idealisten gibt es noch Visionäre im weltweiten Kampf für saubere Kochenergie. Zu ihnen zählt Simon Batchelor, ein britischer Photovoltaikexperte. Das Kochen in Töpfen, die von gebündeltem Sonnenlicht erhitzt werden, habe sich nicht durchgesetzt, sagt er. Weit komfortabler und auch kulturell unproblematisch sei das Kochen mit Strom aus Solarzellen, der in großen Akkus gespeichert wird.

Diese Technik galt lange als zu teuer für Entwicklungsländer. Inzwischen aber sind die Preise für die Bauteile drastisch gesunken. Es gibt hocheffiziente Induktionskocher, und Simon Batchelor weiß aus Untersuchungen: Jeder dritte Nutzer von Holz und Holzkohle wäre bereit, mit Solarstrom zu kochen, wenn ihn das nicht mehr als zehn US-Dollar im Monat kosten würde. Ein derart preisgünstiges Kochen mit Solarstrom werde schon sehr bald möglich sein, meint Batchelor, „weil der einsetzende Elektroauto-Boom zu einem drastischen Preisverfall bei Akkus geführt hat, dem maßgeblichen Baustein eines effizienten Solarsystems“.

Der britische Experte gerät ins Schwärmen: Mininetze für einzelne Häuser, Siedlungen oder ganze Dörfer mit Strom aus Solarzellen, Strom speichernden Akkuanlagen und Stromleitungen in die Haushalte seien in armen, aber sonnenreichen Regionen der Weg schlechthin zu nachhaltig sauberem Kochen. Die nächsten Jahre seien eine entscheidende Zeit wie die der Handy-Revolution. „Dann wird es auf einmal weltweit sehr schnell sehr viele von Solarenergie gespeiste Mininetze geben. Wir Experten sollten die kommenden Jahre nutzen, effiziente Geräte zu entwickeln für das Kochen mit Solarstrom.“

Nicht alle Fachleute teilen den Optimismus von Simon Batchelor. Immer mehr Familien in Dörfern der Entwicklungsländer dürften zunächst verbesserte Holz- und Holzkohleherde erhalten, glauben die meisten. Für anspruchsvollere Kochtechnik fehle es vorläufig an Geld und Logistik – außer in den Städten, wo sich auch in Afrika zusehends das Kochen mit Flüssiggas durchsetze. Dennoch: In vielen Entwicklungsländern gehört die Zukunft wohl dem emissionsfreien Solarkochen.

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erschienen in Ausgabe 6 / 2018: Neu ist Kult
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