Als die 68er die Dritte Welt entdeckten

Nord-Süd-Zeitschrift
Das „informationszentrum 3. welt“ (iz3w) feiert in diesem Jahr sein 50-jähriges Jubiläum. Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen halten mit Engagement und einer gehörigen Portion Selbstausbeutung vor allem die gleichnamige Zeitschrift am Leben.

Studenten und Studentinnen der „Aktion Dritte Welt“ (ADW) hatten das iz3w 1968 in Freiburg im Breisgau gegründet, um über die Länder des Südens zu informieren und deren Interessen zu vertreten. Etwa 500 Aktive haben sich seitdem im Archiv, in Bildungsprojekten und vor allem in der Redaktion von iz3w engagiert – eine der ältesten Nord-Süd-Zeitschriften in der Bundesrepublik, die nicht von staatlichen oder kirchlichen Entwicklungsorganisationen herausgegeben werden.

Zunächst wurden Zeitungsausschnitte aus Blättern wie „Le Monde diplomatique“, „Jeune Afrique“, „Far Eastern Economic Review“ oder „Financial Times“ gesammelt, um „Artikel über Länder zu schreiben, die wir in den meisten Fällen noch nie gesehen hatten“, erinnert sich Archivar Christian Neven-du Mont, der seit 1978 im iz3w aktiv ist. Zu den Redaktionssitzungen seien damals immer zwischen 20 und 30 Leute gekommen, um die Beiträge zu diskutieren. „1980 erreichten die blätter des iz3w eine Auflage von 7000, unser Buch ‚Entwicklungspolitik – Hilfe oder Ausbeutung?‘ durfte in keiner Wohngemeinschaft fehlen“, erzählt Neven-du Mont. Mittlerweile ist die Zeitschriften-Auflage auf 2700 gesunken. Auch die Zahl der Ehrenamtlichen ist zurückgegangen, in der Redaktion arbeiten jetzt vier Profis in Teilzeit.

Einer von ihnen ist Christian Stock, der sich – seit 1995 dabei – selbst „langjährigster Redakteur aller Zeiten“ nennt. Trotz Internet, überall und immer verfügbarer Informationen zu Nord-Süd-Themen sei die „iz3w noch etwas Besonderes“, sagt Stock. Die Zeitschrift habe ein „starkes linksplurales Profil“, spiegele kritische wissenschaftliche Debatten und erreiche dennoch durch gute Lesbarkeit mehr als nur die aktive Szene. Die Leserschaft sei sehr heterogen, abonniert werde die Zeitschrift von politisch interessierten Privatpersonen ebenso wie von Bibliotheken, Medien oder nichtstaatlichen Organisationen – von linksalternativen Zentren bis zur Katholischen Landjugend in Bayern. Die meisten neuen Abos kämen von Studentinnen und Studenten.

Die Autorinnen und Autoren schreiben ohne Honorar für iz3w – fast nur Originalbeiträge. Dass das funktioniert, erklärt Stock so: „Die Zeitschrift ist attraktiv, hat ein anständiges Lektorat und ein seriöses Umfeld.“ Und auch bei den zwei bis vier Praktika ohne Aufwandsentschädigung, die das iz3w jährlich anbietet, sei „die Nachfrage ungebrochen“. Junge Leute fänden es spannend, selbstverwaltet im Kollektiv zu arbeiten.

Die Zeitschrift hält sich ­„einigermaßen“

Das iz3w macht nicht nur eine Zeitschrift. Aus der Kritik am Dritte-Welt-Tourismus entstand 1999 etwa das von der Europäischen Union finanzierte iz3w-Projekt „FernWeh“, das in Veranstaltungen und Publikationen die Zusammenhänge zwischen Fernreisen, Kultur und Rassismus thematisiert. Und aus zwei iz3w-Heften zu „100 Jahre Deutscher Kolonialismus“ 2004 ging zwei Jahre später das Informationsprojekt „freiburg-postkolonial“ hervor. Unter der Devise „Aus Print mach mehr“ startete das iz3w zudem 2014 den „südnordfunk“, eine monatliche einstündige Magazinsendung bei Radio Dreyeckland.

Die Bereiche Archiv, Medien und Bildungsarbeit tragen sich finanziell gegenseitig und die Beteiligten arbeiten inhaltlich eng zusammen, erläutert Friedemann Köngeter, der sich seit 2009 als Vollzeitkraft um das kaufmännische Alltagsgeschäft kümmert. Das Archiv bringt keine Einnahmen, während die Zeitschrift sich laut Köngeter durch Spenden und Abos „einigermaßen hält“. Die  Bildungsarbeit bringe einen Überschuss, der Defizite ausgleiche. Christian Stock sagt, seit der Ausschuss für Bildung und Publizistik der Evangelischen Kirche in Deutschland vor acht Jahren seine Unterstützung von einem globalen Zuschuss auf punktuelle Projektförderung umgestellt habe, müsse noch mehr Arbeitszeit für Antragsstellungen aufgewendet werden.

Das 50-jährige Jubiläum feiern die iz3w-Aktiven mit dem Heftschwerpunkt „68 international“, einer Chronik, einer Geburtstagsgala im April und im Juni mit einem Open-Air-Festival in Freiburg. Außerdem macht sich „iz3w on tour“ auf den Weg zur Leserschaft in anderen Städten, mit Vorträgen und Filmen über Autoritarismus, Islamismus, Freihandel und Postkolonialismus. Im Herbst ist eine Veranstaltungsreihe in Freiburg geplant. Größter Wunsch der iz3w-Engagierten ist eine bessere Finanzierung: „500 neue Abos wären großartig“, sagt Stock.

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erschienen in Ausgabe 3 / 2018: Kunst und Politik: Vom Atelier auf die Straße
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