Was bedeutet der Abzug der Blauhelme für Haiti?

Zum Thema
Expertenfrage
Die UN-Mission in Haiti endet nach 13 Jahren. Sie hat das Land stabilisiert, aber auch für viele Skandale und neue Probleme gesorgt, erklärt Jürgen Schübelin von der Kindernothilfe.

2004 stand Haiti am Rande eines Bürgerkriegs. Die UN-Mission MINUSTAH sollte das Land stabilisieren. Hat sie ihren Auftrag erfüllt?
Ich wüsste nicht, wie Haiti heute aussehen würde, hätte es die UN-Mission nicht gegeben. Sie hat dazu beigetragen, dass Haiti in den vergangenen 13 Jahren nicht in bewaffnete Auseinandersetzungen versunken ist. Sie konnte die verschiedenen bewaffneten Gruppen, die 2004 um die Macht gekämpft haben, im Zaum halten. Und sie hat es geschafft, die extreme Kriminalität im Land zumindest in Teilen zurückzudrängen, vor allem das Geschäft mit Entführungen gegen Lösegeld.

Und was hat die UN-Mission nicht erreicht?
Sie hat sich in der Bevölkerung nie eine Legitimation für ihren Einsatz erarbeitet. Es gab überzogene Gewalteinsätze, Razzien mit Todesfolgen und sexuelle Übergriffe. Nach dem Erdbeben 2010 haben Blauhelme aus Sri Lanka den Leuten Ziegen gestohlen, um selbst etwas zu essen zu haben. Und dann brach die Cholera aus, die Blauhelme aus Nepal nach Haiti eingeschleppt hatten und an der 10.000 Menschen gestorben sind. Das hat der Mission den Sargnagel verpasst.

Wie geht es weiter in Haiti, wenn die Blauhelme weg sind?
Es steht zu befürchten, dass sich die Sicherheitslage wieder deutlich verschlechtert. Die Polizei von Haiti wird nicht in der Lage sein, das Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung zu befriedigen. Und auch die klammheimlichen Versuche der Regierung, erneut eine Armee aufzubauen, obwohl beschlossen war, dass Haiti darauf verzichtet, werden das Land nicht sicherer machen.

Warum wurde das Mandat nicht noch einmal verlängert?
Die derzeitige Regierung will sich beim Aufbau eigener Streitkräfte nicht in die Karten schauen lassen. Deshalb hat die politische Elite des Landes kein Interesse daran, dass die UN-Mission fortgesetzt wird. Und für die Geldgeber gilt das ebenso.

Wie kann Haiti derzeit am besten geholfen werden?
Es muss stark in Projekte zur Stärkung des Rechtsstaates investiert werden. Und es muss eine Polizei aufgebaut werden, die sich bei der Bevölkerung durch Verzicht auf Korruption und übertriebene Gewalt legitimiert und mit ihr zusammenarbeitet. Mit Blick auf die Geschichte Haitis wirkt das wie ein frommer Wunsch. Aber das Land hat keine andere Chance.

Das Gespräch führte Tillmann Elliesen.

Neuen Kommentar hinzufügen

Klartext

  • Keine HTML-Tags erlaubt.
  • Zeilenumbrüche und Absätze werden automatisch erzeugt.
CAPTCHA
Wählen Sie bitte aus den Symbolen die/den/das Fahrrad aus.
Mit dieser Aufforderung versuchen wir sicherzustellen, dass kein Computer dieses Formular abschickt.
Diese Sicherheitsfrage überprüft, ob Sie ein menschlicher Besucher sind und verhindert automatisches Spamming.
Dies ist keine Paywall.
Aber Geld brauchen wir schon:
Unseren Journalismus, der vernachlässigte Themen und Sichtweisen aus dem globalen Süden aufgreift, gibt es nicht für lau. Wir brauchen dafür Ihre Unterstützung – schon 3 Euro im Monat helfen!
Ja, ich unterstütze die Arbeit von welt-sichten mit einem freiwilligen Beitrag.
Unterstützen Sie unseren anderen Blick auf die Welt!
„welt-sichten“ schaut auf vernachlässigte Themen und bringt Sichtweisen aus dem globalen Süden. Dafür brauchen wir Ihre Unterstützung. Warum denn das?
Ja, „welt-sichten“ ist mir etwas wert! Ich unterstütze es mit
Schon 3 Euro im Monat helfen
Unterstützen Sie unseren anderen Blick auf die Welt!