„Sanftmütig auf der Erde schreiten“

Islam und Umweltschutz
Der Verein Hima versucht, Muslimen Umweltschutz und eine nachhaltige Lebensweise nahezubringen. Das ist gar nicht so leicht.

Ausgerechnet im Fastenmonat Ramadan sammelt sich in Moscheen besonders viel Plastikmüll an. Hunderte Gläubige treffen sich zur gemeinsamen Mahlzeit nach Sonnenuntergang, und weil niemand abspülen will, essen sie vor allem von Plastik- und Papiertellern. Dabei gehe es im Ramadan vor allem darum, mit weniger auszukommen, sagt Samed Gülnur vom Umweltverein Hima. Gemeinsam mit seinen Mitstreiterinnen und Mitstreitern will er Muslime dazu anregen, mehr Verantwortung für Umwelt und Natur zu übernehmen. Sie beraten unter anderem Moscheen, wie sie nachhaltiger wirtschaften können – mit Hilfe von Mülltrennung zum Beispiel. 

Darüber hinaus würden die Mitglieder des Vereins oft zu Vorträgen, Workshops oder Podiumsdiskussionen eingeladen, häufig von muslimischen Studentengruppen, erzählt Max Rindfleisch, der gemeinsam mit Gülnur den Vereinsvorsitz innehat. Der Umweltschutz biete jedoch auch eine gute Gelegenheit zum interreligiösen Austausch. Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) hat Hima in diesem Jahr zum Reformationssommer in Wittenberg eingeladen. Außerdem haben sie zusammen mit der jüdischen Umweltschutzgruppe „Jews Go Green“ einen Bio- und Fairtrade-Brunch in einer Heidelberger Synagoge organisiert und dazu einen Rabbi und einen Imam eingeladen, um über umweltethische Unterschiede und Parallelen in beiden Religionen zu diskutieren.

Im Koran hielten viele Verse die Muslime dazu an, respektvoll mit der Natur und den Tieren umzugehen, sagen die beiden Studenten der Islamischen Theologie. „Die Diener des Allerbarmers sind diejenigen, die sanftmütig auf der Erde schreiten“, zitiert Gülnur. Im Gegensatz zu anderen Themen lasse die Heilige Schrift beim Umweltschutz keinen Raum für Interpretationen. „Es steht schwarz auf weiß da, dass man Schaden vermeiden und bewusst und so barmherzig wie möglich mit der Umwelt und den Tieren umgehen soll“, sagt er. Wenn man daran glaube, dass die Erde eine Leihgabe Gottes sei, dürften die Menschen nicht weiter so unachtsam mit ihr umgehen. Alle Lebewesen hätten das gleiche Recht auf eine gerechte Versorgung, ergänzt Rindfleisch. Laut dem Koran dürften Menschen ihre Kamele nicht vernachlässigten – auch wenn sie selbst nur wenig zu essen und zu trinken haben.

Der Name des Vereins, Hima, ist arabisch und bedeutet „geschützter Ort“. Entstanden ist der Umweltverein bei einer Tagung der Evangelischen Akademie Loccum über die Frage „Wie grün ist der Islam?“ im Jahr 2010. Derzeit zählt der Verein gut 20 Mitglieder, von denen allerdings nur ein Drittel aktiv ist. Sie leben über ganz Deutschland verstreut, deshalb sei es nicht ganz einfach, gemeinsame Aktionen zu planen, sagen Gülnur und Rindfleisch. Doch sie stoßen mit ihrer Arbeit auf eine gute Resonanz. Vor allem über Facebook erreichen sie die Menschen, mehr als 2600 Leute folgen ihnen zurzeit. Auch Gülnur hat Hima vor zwei Jahren über Facebook gefunden: Er wollte sein Interesse am Umweltschutz mit seinem Glauben verbinden. „Meine Suche hat damals begonnen, weil ich es als seltsam empfand, an einen Schöpfergott zu glauben, aber gleichzeitig unachtsam mit seiner Kreation umzugehen“, erklärt er.

Der Zusammenhang zwischen Religion und Natur sei für die  meisten Muslime verständlich, sagt Gülnur. Ganz anders sieht es aber aus, wenn sie ihr Verhalten ändern sollen. Aktiv werden wollten dann doch die wenigsten. Gülnur und Rindfleisch mussten sich auch schon die Frage gefallen lassen, ob es denn nichts Wichtigeres gebe als den Umweltschutz. Gerade aus muslimischer Sicht gebe es immer dringendere Probleme, sagen die beiden Aktivisten: Das Ansehen der Muslime in Deutschland, der Israel-Palästina-Konflikt oder  Schwierigkeiten in der Moscheegemeinde.
Gülnur und Rindfleisch wollen nicht nur innerhalb der muslimischen Gemeinschaften etwas bewegen, sondern mit Menschen verschiedener Glaubensrichtungen ins Gespräch kommen. Umweltschutz sei der gemeinsame Nenner, der über Religionen hinweg verbinde.
Das Thema helfe, „mit anderen Menschen in Kontakt zu treten, den Islam als Beitrag zur Gesellschaft zu sehen und neue Facetten an ihm zu entdecken“, sagt Gülnur.

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erschienen in Ausgabe 9 / 2017: Religion und Umwelt
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