Zum Kampf gegen Steuerflucht bekennen sich viele Regierungen – auch wenn nicht alle das ernst meinen. Internationale Organisationen wie der Weltwährungsfonds und die Europäische Union führen Listen von Ländern, die intransparente Finanzflüsse anlocken und Steuerflucht erleichtern. Wer auf die Liste solcher sogenannter Offshore-Finanzzentren (OFC) kommt, richtet sich danach, wie die Regulierung des Finanzsektors und das Steuerrecht dort bewertet werden. Das lässt den Prüfern Ermessensspielraum – politisch einflussreiche Staaten tauchen fast nie auf solchen Listen auf.
Zu Unrecht, behauptet eine neue Studie aus der Arbeitsgruppe zu Konzern-Netzwerken an der Universität Amsterdam. Darin geht es nicht um Steueroasen wie Panama, in denen reiche Privatleute ihre Einkommen vor dem Fiskus verstecken, sondern darum, wie Unternehmen mittels OFC Steuern vermeiden. Konzerne übertragen zum Beispiel das Eigentum an Patenten und Lizenzen an Tochterfirmen in Niedrigsteuergebieten; mit den Lizenzgebühren fließen dann die Gewinne dorthin ab. Unter anderem so hat Apple seine Unternehmenssteuerlast in Europa 2014 auf unter ein Prozent gedrückt.
Zehntausende Firmen untersucht
Die Studie identifiziert OFC nicht aufgrund von Urteilen über die Regulation, sondern aufgrund der tatsächlichen internationalen Ströme von Investitionen und Profiten in Konzernen. Dazu haben die Forscher für zehntausende Firmen mit ihren Töchtern, Niederlassungen und Holdings die Eigentumsbeziehungen analysiert. Daraus folgern sie, wie diese Firmen ihre Vermögen und Gewinne über die Welt verteilen. Und OFC könne man daran erkennen, dass dorthin viel mehr dieser Vermögen fließt, als der Größe ihrer Wirtschaft entspricht.
Mit der Methode finden die Forscher 24 sogenannte „Sink OFC“: Steueroasen, in die Firmenvermögen geht und dort auch großenteils bleibt. Die meisten sind bekannte Kleinstaaten mit extrem niedrigen Unternehmenssteuern wie die britischen Kanalinseln, die Seychellen, Monaco, Liechtenstein, Gibraltar und Luxemburg; auch Liberia, Zypern, Malta, Hongkong und Taiwan gehören dazu.
Zusätzlich wird so sichtbar, was die Forscher „Durchgangs-OFC“ nennen: Sie sind keine Sink OFC, dienen aber als Zwischenstation für den Transfer zwischen Steuerparadiesen und anderen Ländern. Denn sie bieten Firmen Rechtssicherheit und schützen vor Steuern auf Kapitaltransfer. Nur fünf Länder – die Niederlande, Großbritannien, die Schweiz, Singapur und Irland – dominieren laut der Studie diesen Markt: Fast die Hälfte der Investitionen von Firmen aus Sink OFC läuft über sie, obwohl auch die meisten Sink OFC zugleich Durchgangs-OFC sind.
Die Niederlande haben sich spezialisiert
Zudem seien manche OFC spezialisiert. So offerieren der Studie zufolge die Niederlande besonders Holding-Gesellschaften und schleusen Kapital zwischen Europa und Steueroasen wie den Bermudas, Zypern und Luxemburg. Der hohe Zufluss nach Taiwan beruhe darauf, dass Technologie-Firmen Eigentum an Unternehmen auf dem chinesischen Festland halten, oft vermittelt über Hongkong oder karibische Inseln.
Die Methode der Studie ist schwer nachvollziehbar. Im Kern überzeugt es aber, unverhältnismäßig hohe Vermögenszuflüsse zu einem Kriterium für OFC zu machen – wenn auch nicht zum einzigen. Nicht plausibel ist indes eine politische Folgerung der Forscher: Um Steuervermeidung zu bekämpfen, sei es möglicherweise wirksamer, bei den Durchgangs-OFC anzusetzen, denn das seien wenige hoch entwickelte Länder.
Zwar ist richtig, dass die deshalb in der Lage sind, besser zu regulieren. Aber genau diese Länder sind auch interessiert und zugleich mächtig genug, strengere internationale Regeln zu verhindern. Aufschlussreich ist hier eine Studie von Markus Henn, die jüngst die Friedrich-Ebert-Stiftung vorgelegt hat. Sie verfolgt nicht nur im Detail bisherige Ansätze, Steuervermeidung zu erschweren, sondern zeigt auch, welche Länder wirksame Schritte immer wieder behindert haben.
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