Ein indisches Gericht hat den Ganges als eine mit Rechten ausgestattete Persönlichkeit anerkannt. Warum?
Zunächst muss man klarstellen: Das Gericht hat dem Ganges nicht den Rechtsstatus eines Menschen zuerkannt, wie es in Medienberichten hieß. Es hat ihn lediglich als juristische Person anerkannt. Das Urteil, in dem das Gericht das getan hat, bezog sich auf einen Streitfall, in dem es um Bergbau und andere Eingriffe am Ufer des Ganges im Bundesstaat Uttarakhand ging. Das Gericht hat bei dieser Gelegenheit außerdem geprüft, ob die für den Fluss zuständigen bundesstaatlichen Behörden richtig aufgestellt sind und ob die Verantwortung der betroffenen Regionen, darunter Uttarakhand, ausreichend klar ist.
Für Hindus ist der Ganges heilig. Hat das für das Gericht eine Rolle gespielt?
In Indien werden vielen natürlichen Dingen wie Wäldern, Bergen oder Flüssen eine Art Persönlichkeit zugeschrieben. Sie gelten als ähnlich wertvoll wie der Mensch. Das mag das Gericht beeinflusst haben, war aber nicht ausschlaggebend für das Urteil.
Wer darf in künftigen Streitfällen im Namen des Ganges sprechen?
Laut dem Urteil sind der Direktor der Nationalen Mission zur Reinhaltung des Ganges, der Chief Secretary von Uttarakhand – der ranghöchste Beamte des Staates – und der Generalanwalt von Uttarakhand damit beauftragt, den Fluss zu schützen.
Wird der Richterspruch helfen, den Ganges sauberer zu halten?
Das Urteil verlangt, dass die genannten Behörden und Personen die Interessen des Flusses wahrnehmen und gewissermaßen seinen Besitz vor Schaden schützen. Die Anerkennung als juristische Personen fußt auf einer Doktrin zur Verwaltung der Besitztümer von Hindu-Tempeln. Gemäß dieser Doktrin sind die Götter Rechtspersonen, deren Reichtum treuhänderisch von den Tempel-Managern verwaltet wird. In Anlehnung daran müssen die genannten Treuhänder nun die Interessen des Ganges vertreten. Es ist nicht klar, ob das die Verschmutzung reduzieren wird. Das Urteil sagt kaum etwas dazu, wie die Treuhänder mit den bereits existierenden staatlichen Umweltschutzbehörden zusammenarbeiten sollen. Und deren Bilanz ist nicht gerade berauschend.
Das Gespräch führte Tillmann Elliesen
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