Wenn die britische Regierung am 29. März offiziell ihre Absicht erklärt hat, aus der EU auszutreten, sollen gemäß den EU-Verträgen in einem Zeitraum von zwei Jahren die Einzelheiten ausgehandelt werden. Dabei geht es um über 20.000 EU-Regeln, in die Großbritannien eingebunden ist. Für viele ist es auch finanzielle Verpflichtungen eingegangen.
Schwierig ist die Anpassung der über tausend bilateralen und multilateralen Verträge der EU mit anderen Ländern. Durch den Brexit ändern sich ihr Geltungsbereich und der europäische Vertragspartner. Ein Teil dieser Verträge betrifft nur den Außenhandel oder Zölle, für die allein die EU zuständig ist. Hier reicht es, wenn die EU den Drittstaaten mitteilt, dass die Verträge künftig nicht mehr für Großbritannien gelten. Allerdings besteht das Risiko, dass Drittländer nicht einverstanden sind und neu verhandeln wollen; dafür wäre dann Brüssel zuständig.
Noch komplizierter sind Verträge, die auch Bestimmungen zu Politikfeldern mit „gemischter Zuständigkeit“ enthalten, zum Beispiel zu Fischerei. In solchen Fällen entscheidet die EU nur gemeinsam mit den Mitgliedstaaten. Hierzu gehören Assoziationsverträge, darunter so wichtige wie mit Mexiko und mit der Gruppe afrikanischer, karibischer und pazifischer Staaten (AKP-Staaten), sowie die Wirtschaftspartnerschafts-Abkommen (EPAs) mit Gruppen von afrikanischen Staaten. Werden solche Verträge infolge des Brexit geändert, dann müssen die Regierungen und viele Parlamente der EU-Mitgliedsländer ebenfalls dem Ergebnis zustimmen.
Klein klares Konzept zu erkennen
Direkt betroffen sind die AKP-Länder: Der Europäische Entwicklungsfonds (EEF), aus dem die Entwicklungszusammenarbeit mit diesen Ländern finanziert wird, beruht auf einer Vereinbarung zwischen den Regierungen der EU-Länder. Und der Rahmen der Zusammenarbeit mit den AKP-Ländern, der Vertrag von Cotonou, läuft 2020 aus; die ohnehin stockende Neuverhandlung ist wegen der Unwägbarkeiten des Brexit seit Ende 2016 vollends blockiert.
Für die Ausgestaltung des Brexit ist bisher weder in London noch in Brüssel ein klares Konzept zu erkennen. Das gilt auch für die Entwicklungszusammenarbeit. Soll zum Beispiel die britische Hilfe weiterhin mit dem EEF abgestimmt werden? Die Londoner Entwicklungsministerin Priti Patel hat immerhin erklärt, dass die britische Hilfe mehr auf "kleine lokale" Entwicklungs-NGOs ausgerichtet werden soll; das ist eine Absage an die "zentralistische" Entwicklungszusammenarbeit der EU, aber auch an große in Großbritannien verankerte NGOs wie Oxfam oder Save the Children. Gleichzeitig sind sehr konservative Mitglieder der Regierung darauf aus, den Anteil der Entwicklungshilfe am britischen Haushalt zu senken und Mittel aus diesem Topf für den Einsatz in Osteuropa umzuwidmen.
Verlust durch Umlage ausgleichen?
Die übrigen EU-Länder sind uneins, wie sie auf den Ausfall der britischen Beiträge zum EEF und zum Haushalt für Außenbeziehungen reagieren sollen. Die skandinavischen Regierungen, Deutschland und die Niederlande neigen dazu, den Verlust durch eine Umlage unter den restlichen EU-Staaten auszugleichen. Von osteuropäischen EU-Ländern – voran Polen und Ungarn – ist daran Kritik zu hören.
Zu leiden unter den EU-Querelen haben schon jetzt einige Hilfswerke. Seit dem Brexit-Referendum im Juni letzten Jahres hängen Projekt-Entscheidungen in der Luft, berichtete der Banchendienst "devex" – das heißt die Bewilligung von neuen Entwicklungsprojekten von NGOs verzögert sich. Da spielt freilich auch eine Rolle, dass die EU-Kommission bremst, solange die Diskussionen über einen neuen „Konsens für Entwicklung“ in der EU noch laufen.
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