Am Kopftuch scheiden sich die Geister

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Österreich will noch in diesem Jahr die Vollverschleierung in der Öffentlichkeit und das Tragen eines Kopftuches für bestimmte Berufe gesetzlich verbieten. Das Vorhaben hat eine heftige Debatte ausgelöst.

Die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ) hat ein religiöses Gutachten ins Internet gestellt, das als Kopftuchgebot gedeutet wurde. Mit Berufung auf islamische Rechtsgelehrte wird darin ausgeführt, dass Musliminnen ab der Pubertät in der Öffentlichkeit ihren Körper mit Ausnahme von Gesicht, Händen und – nach manchen Ansichten – Füßen bedecken müssen. Das sei ein religiöses Gebot (fard) und damit Teil der Glaubenspraxis.

Außen- und Integrationsminister Sebastian Kurz, der das Gesetz auf den Weg gebracht hat, reagierte verärgert: „Als Integrationsminister muss ich klar sagen: Eine Verpflichtung zum Kopftuch lehnen wir ab.“ Auch Staatssekretärin Muna Duzdar (SPÖ), die erste Muslimin im österreichischen Kabinett, sieht in der IGGÖ-Stellungnahme einen „Angriff auf die Freiheit und Selbstbestimmung der Frauen“. Es sei nicht akzeptabel, dass Männer Frauen und Mädchen vorschreiben, wie sie zu leben und sich zu kleiden haben.

"Keine Sympathie" für den Ganzkörperschleier

IGGÖ-Präsident Ibrahim Olgun stellte darauf klar, die Stellungnahme sei unverbindlich. Der theologische Beratungsrat der Organisation unterstreiche die Freiheit der Frau, ein Kopftuch zu tragen, gebe aber eine klare Empfehlung ab, das Gesicht nicht zu bedecken. Ähnlich sieht es Carla Amina Baghajati, die Frauenbeauftragte der IGGÖ, eine Konvertitin, die selbst Kopftuch trägt, und „keine Sympathie“ für die Ganzkörperverschleierung hegt. Trotzdem lehnt sie ein generelles „Burkaverbot“ ab.

Der Gesetzesvorschlag sieht vor, dass es Musliminnen untersagt werden soll, auf öffentlichen Plätzen und in öffentlichen Gebäuden ihr Gesicht zu verhüllen. Auf Kopftücher verzichten sollen zudem Richterinnen, Staatsanwältinnen und Frauen im Polizeidienst, da sonst das Neutralitätsgebot gefährdet sei. Wie viele Frauen in Österreich den Niqab tragen, ist unklar. Schätzungen reichen von einigen hundert bis zu mehreren tausend. Neben Migrantinnen und einer Handvoll heimischer Konvertitinnen sind es vor allem finanzkräftige Touristinnen aus den Golfstaaten. Sie sind in den teuren Urlaubsorten und den exklusiven Geschäftsstraßen gern gesehene Gäste.

Grober Eingriff in das Recht auf Religionsfreiheit

Neben Hoteliers, Juwelieren und Boutique-Besitzern sind aber auch Menschenrechtler von der geplanten Regelung nicht begeistert. Diese werde weder die Integration fördern noch die Teilhabe am öffentlichen Leben stärken, meint die Geschäftsführerin von Amnesty International Österreich, Annemarie Schlack: „Frauen, die sich aus religiösen Gründen in der Öffentlichkeit verhüllen, tun dies entweder freiwillig, oder sie werden dazu gezwungen.“ Ein Verbot sei für die einen ein grober Eingriff in ihr Recht auf Meinungs- und Religionsfreiheit sei, und mache es den zwangsweise Verhüllten “noch schwerer, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen“. Ablehnend äußerten sich auch die beiden großen Kirchen.

Über unerwarteten Zulauf freut sich indessen die katholische Kirche. Denn seit der Flüchtlingswelle von 2015 ist die Zahl der Erwachsenen, die sich taufen lassen wollen, sprunghaft angestiegen. Nach offiziellen Angaben werden in diesem Jahr 633 Menschen ab 14 Jahren nach mindestens einjähriger Vorbereitung die katholische Taufe empfangen. Das ist ein Anstieg um 50 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Allein die Täuflinge der Erzdiözese Wien stammen aus 19 Nationen, allen voran Iran, Afghanistan und Österreich, gefolgt von Ländern aus Fernost, anderen europäischen Ländern und Afrika. 80 Prozent von ihnen haben einen muslimischen Hintergrund, die meisten anderen sind ohne Religion aufgewachsen. Mehr als zwei Drittel der Konvertiten sind männlich.

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erschienen in Ausgabe 4 / 2017: Die Versuchung des Populismus
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