Der „Ureinwohner“ kehrt zurück

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Rechte indigener Völker
Indigene Völker haben sich international besondere Rechte erstritten. Dazu haben sie alte Vorstellungen über Ureinwohner neu belebt – auch solche, die europäische Kolonialherren einst benutzt hatten, um sie zu unterwerfen und ihr Land zu rauben.

Wenn sich heute Menschen als Indigene bezeichnen, schwingt darin die alte Vorstellung einer seit Urzeiten bestehenden Bindung an den Heimatboden mit. Indigene sehen sich als die Ureinwohner ihres Landes; das aus dem Lateinischen abgeleitete Wort bedeutet nichts anderes als „eingeboren“. Doch handelt es sich dabei um eine romantische Idee. Wissenschaftlich haltbar ist sie nicht. Seit dem Aufbruch ihrer ersten Vorfahren aus Afrika waren die Menschen unterwegs. Erst mit der Erfindung der Landwirtschaft ist es vor etwa 10.000 Jahren zu ersten Formen der Sesshaftigkeit gekommen. Dass ein und dieselbe Population seit Urzeiten dasselbe Stück Land bewohnt haben könnte, ist daher sehr unwahrscheinlich. Denn irgendwann müssen auch die Ahnen der ältesten Altansässigen eingewandert sein.

Das anzuerkennen fiel aber offensichtlich schon immer schwer. Bereits in vielen antiken Religionen findet sich die Idee, dass die Menschen dem Land entstammten, von dessen Erzeugnissen sie sich ernährten. Die alten Sumerer kannten sie, und auch in der biblischen Erzählung von der Erschaffung Adams aus einem Erdenkloß klingt sie an. Der Bevölkerung des antiken Griechenlands war sie ebenfalls geläufig. Die Vorstellung, dass die Ureinwohner eines Landes der Erde entsprossen sind, wird als Autochthonie bezeichnet. Auch in außereuropäischen Gesellschaften ist sie weit verbreitet.

Das mystische Band der Autochthonen zu ihrem Heimatboden ist von den später Gekommenen, den Zuwanderern und den Eroberern, meist auch anerkannt worden. Selbst wenn man sie unterwarf und von ihnen Tribute einforderte, respektierte man doch, dass sie weiterhin die Rituale an ihre Ahnen verrichteten, von denen die Fruchtbarkeit des Bodens abzuhängen schien.

Als die Europäer im 15. Jahrhundert begannen, erst Amerika und später fast die ganze Welt zu unterwerfen, spielten solche Rücksichtsnahmen allerdings keine Rolle mehr. Die Beziehung der Ureinwohner zu ihrem Land wurde von ihnen durchgängig missachtet, ja sogar als Begründung für Enteignung, Ausbeutung und Unterdrückung herangezogen. Ohne alle Anzeichen von Kultur in der Wildnis lebend, schienen sie selbst Teil der Natur zu sein. In allen europäischen Sprachen wurden sie daher mit Wörtern bezeichnet, die sich auf ihren Lebensraum, die tiefen Wälder, bezog; im Deutschen hießen sie Wilde. Da sie sich die Erde nicht untertan machten, wie Gott es den Menschen befohlen hatte, sondern allein von dem lebten, was sie ihnen reichlich gab, glaubten die Kolonisatoren sich ihr Land selbst aneignen zu dürfen.

Je effizienter die technischen Mittel wurden, mit denen es den Europäern gelang, die Natur für ihre Zwecke nutzbar zu machen, desto rückständiger erschienen ihnen die Bewohner ihrer Kolonien und unter ihnen besonders die Ureinwohner. Für sie wurden daher im 19. Jahrhundert die Begriffe „Naturvölker“ und „Primitive“ gebräuchlich. Völker, die wie in China und Indien schon bei der Ankunft der Europäer staatlich organisiert waren, betrachtete man dagegen als Repräsentanten der „barbarischen“ Stufe der Menschheitsentwicklung und beließ ihnen meist ihre Eigennamen. Gemeinsam fielen aber alle Bewohner der Kolonien unter den Sammelbegriff „Eingeborene“. Damit wurde der Bezug zu ihrem Heimatboden hervorgehoben und zugleich ins Negative gewendet: Eingeborene waren faktisch die Unterworfenen und Kolonisierten.

Eine Frage des Begriffs

Sie schienen auf einer früheren Entwicklungsstufe stehen geblieben zu sein und galten nicht nur als technisch, sondern auch als mental rückständig. Die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts populär werdenden Rassentheorien lieferten eine theoretische Begründung für diese Annahme: Als die schwächeren Rassen hatten sie den stärkeren weichen und sich in unwirtlichere Zonen zurückziehen müssen. Da das Gesetz vom „Überleben des Stärksten“ auch die Beziehungen zwischen den Gesellschaften zu beherrschen schien, waren die Anthropologen davon überzeugt, dass die Naturvölker über kurz oder lang zum Aussterben verurteilt seien.

Das Ende der europäischen Kolonialherrschaft war auch mit einer Kritik an den Begriffen verbunden, mit denen man die unterworfenen Völker bis dahin bezeichnet hatte. Nach dem Abschluss des Dekolonisierungsprozesses wollte niemand mehr von „Wilden“, „Primitiven“ oder „Eingeborenen“ sprechen. Gegen den Begriff „Stammesgesellschaften“, der früher auch noch gängig war, protestierten afrikanische Intellektuelle und Politiker: Die meisten der sogenannten Stämme seien Erfindungen der Kolonialzeit, und Stammesbindungen spielten in den modernen afrikanischen Staaten keine Rolle mehr. Auch die Bezeichnungen, auf die man stattdessen zurückgriff, gelten heute als überholt und politisch inkorrekt. Denn wer von „schriftlosen“, „staatenlosen“ und „vorindustriellen“ Gesellschaften spricht, bestimmt sie nur anhand dessen, was sie im Vergleich zu den modernen westlichen Gesellschaften nicht sind.

Die Ethnologie verfügte damit über keinen allgemein akzeptierten Begriff mehr, mit dem sich ihr traditioneller Untersuchungsgegenstand fassen ließ. Sie wäre nach wie vor in dieser schwierigen Lage, wären ihr nicht die Angehörigen der Gesellschaften zu Hilfe gekommen, mit denen sie sich seit jeher beschäftigt hat.

Seit den späten 1960er Jahren begannen sich in fast allen ehemaligen britischen Siedlerkolonien die von den weißen Kolonisten entrechteten und meist in großer Armut lebenden Ureinwohner zu politischen Organisationen zusammenzuschließen, um gemeinsam ihre Rechte einzufordern. Zu ähnlichen Autonomiebewegungen kam es bald auch in Mittel- und Südamerika. Ihre politischen Wortführer nutzten moderne Kommunikationsmittel, um sich international Gehör zu verschaffen. Zahlreiche transnationale NGOs wie Amnesty International und Survival International, die ihre Mitglieder vor allem in westlichen Metropolen rekrutierten, unterstützten ihre Vorhaben und stellten ihnen Foren zur Verfügung. Auch verschiedene Unterorganisationen der Vereinten Nationen (UN) setzten sich für sie ein und gaben ihnen die Möglichkeit, sich stärker untereinander auszutauschen und zu vernetzen. Dabei stellten sie fest, dass sich ihre Situation in den Nationalstaaten weitgehend glich.

Um die Interessen der australischen Aborigines, der nord- und südamerikanischen Indianer und der neuseeländischen Maori, der finnischen Sami, der südafrikanischen !Kung-San, der sibirischen Tungusen oder der brasilianischen Yanomami gemeinsam durchzusetzen, bedurfte es auch eines gemeinsamen Namens. Notgedrungen griff man dabei auf einen Begriff aus der Kolonialzeit zurück, der aufgrund seiner lateinischen Herkunft in allen großen Weltsprachen verstanden wird: „Indigene“. Das Wort ist etwas weniger vorbelastet als das englische „natives“ oder das deutsche „Eingeborene“. Doch wurde es früher ebenfalls oft in einem abfälligen Sinn verwendet. Um auch in den offiziellen internationalen Sprachgebrauch Eingang finden zu können, musste „Indigenität“ daher um seine negativen Nebenbedeutungen bereinigt und gewissermaßen neu erfunden werden. Das geschah denn auch in sehr langen Diskussionen unter Federführung der von den UN 1982 eingesetzten Arbeitsgruppe für die Belange indigener Bevölkerungen. Auch weitere UN-Institutionen wie die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) und ein eigens eingesetzter UN-Sonderberichterstatter beteiligten sich daran.

Bei den Bemühungen um eine Neubestimmung des Begriffs ging man wesentlich von der Geschichte und gegenwärtigen Lage der Ureinwohner in Neuseeland, Australien, Kanada, den USA und Lateinamerika aus. Ein Grund dafür war, dass es sich bei ihnen um ethnische Minderheitengruppen handelte, die ihr Land nachweislich schon viele Jahrtausende vor der Ankunft der ersten europäischen Kolonisten besiedelt hatten. Ihre alten Rechtsansprüche waren daher unbestreitbar. In den erst nach dem Zweiten Weltkrieg unabhängig gewordenen Staaten Afrikas oder Asiens sahen die Verhältnisse dagegen anders aus. In vielen afrikanischen Ländern erheben mehrere konkurrierende Gruppen den Anspruch, die eigentlichen Ureinwohner zu sein. In Malaysia stellen die sogenannten Pribumi oder „Söhne der Erde“ die Bevölkerungsmehrheit und leiten aus ihrem Status Sonderrechte gegenüber den Nachkommen der zum Teil schon vor vielen Generationen eingewanderten Inder und Chinesen ab.

Kriterien für "Indigenität"

Die jahrelangen Debatten mündeten schließlich in die Indigenous and Tribal Peoples Convention der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) von 1989, deren Bestimmungen dann leicht modifiziert zur Grundlage der UN- Deklaration über die Rechte Indigener Völker von 2007 wurden. Das erste Kriterium für Indigenität ist danach die historische Erfahrung von Unterdrückung, Marginalisierung und Diskriminierung: Indigene sind entweder entrechtete Opfer der Kolonisierung oder aber – außerhalb von Siedlerkolonien – machtlose Minderheiten in Staaten, deren dominierende Gruppe sie an der Entfaltung ihrer eigenen Traditionen hindert.

In diesem letzten Punkt unterscheiden sie sich allerdings kaum von anderen ethnischen Minderheiten. Auch nicht beim zweiten Kriterium: Besonderheiten im Bereich der Sprache, der sozialen Organisation, des Wertesystems sowie der Religion, die sich über Jahrhunderte erhalten haben und die Grundlage eines ausgeprägten Gruppenbewusstseins in Abgrenzung zur Mehrheitsgesellschaft bilden.

Das wichtigste Bestimmungsmerkmal indigener Völker bleibt indes ihre Beziehung zu dem Territorium, in dessen Besitz sie ihrer Überlieferung nach schon immer waren und dem sie sich emotional eng zugehörig fühlen. Die Verfasser der Deklaration sprechen ausdrücklich von der besonderen „spirituellen Bindung“, die Ureinwohner überall zu ihrem angestammten Land unterhielten. Darin bestehe der entscheidende Unterschied sowohl zur dominierenden Gesellschaft als auch zu allen übrigen ethnischen Minderheiten.

Mit dieser Festlegung haben sich die UN den Standpunkt der Indigenen zu Eigen gemacht. Daraus ergeben sich weitreichende rechtliche Folgen: Der Status als spirituelle Hüter ihres Heimatbodens verleiht den Indigenen einen nie erlöschenden Rechtstitel auf dessen Besitz. Alles Land, das nicht durch ordentliche Verträge abgetreten wurde, bleibt daher laut der von den UN vertretenen Rechtsauffassung Eigentum der Nachkommen der ethnischen Gruppen, die es vor der Ankunft der Kolonisten nutzten – als Ackerland oder auch nur als Jagd- und Sammelterritorium. Da ihnen individuelle Eigentumsrechte an Boden aber weitgehend unbekannt waren, ist auch der Besitzanspruch von Indigenen kein individueller, sondern ein kollektiver. Wie aber bestimmt man, wer zu dem Kollektiv gehört? In den Beratungen hat man hierfür eine relativ einfache Lösung gefunden: Der Einzelne muss sich nicht nur mit seiner kulturellen Herkunftsgruppe identifizieren, sondern von deren Mitgliedern auch als einer der ihren anerkannt werden.

Bei den australischen Aborigines genügt hierfür die bloße Bestätigung aller Gruppenmitglieder, dass eine Person zu ihnen gehört. In den USA gilt dagegen meist immer noch das Abstammungsprinzip: Ein Native American kann sich nur dann in die Stammesrolle seines Reservates einschreiben, wenn mindestens ein Viertel indianisches Blut in seinen Adern fließt. Als Folge verdienen biomedizinische Firmen gut an Abstammungsnachweisen mittels DNA-Bestimmung. Denn die anerkannte Gruppenzugehörigkeit ist mittlerweile mit zahlreichen Vorteilen verbunden, vor allem finanziellen. In den USA, in Kanada und Australien gelingt es einzelnen Ureinwohnergruppen immer häufiger, von großen Bergwerks- und Ölgesellschaften vor Gericht hohe Entschädigungen für das ihren Vorfahren geraubte Land einzuklagen.

Das Glücksspielgeschäft in indianischer Hand

In vielen amerikanischen Bundesstaaten befindet sich heute überdies das Glücksspielgeschäft fest in indianischer Hand, nachdem man eine Gesetzeslücke entdeckt hat, die es den Reservationen erlaubt, die staatlichen Verbote zu umgehen und eigene Spielcasinos zu betreiben. Die Einkünfte aus den Entschädigungen und Gewinnen werden entweder in soziale und kulturelle Einrichtungen investiert oder einfach unter die einzelnen Stammesmitglieder umverteilt. Gerade in kleineren ethnischen Gruppen sind sie oft so hoch, dass man von ihnen mühelos leben kann.

Schon 2003 hat der englische Anthropologe Adam Kuper diese und andere Entwicklungen in einem Aufsatz mit dem Titel „The Return of the Native“ scharf kritisiert. Er wendet sich vor allem dagegen, den Nachkommen der Ureinwohner heute nicht nur privilegierte, sondern exklusive Rechte auf ihre Territorien, deren Bodenschätze und sonstige Ressourcen einzuräumen und den Kinder der späteren Einwanderern nur noch den Status von Gästen zuzuweisen. Sollte man etwa in England den Nachfahren der Kelten größere Rechte zubilligen als denen der Römer und Normannen? Kuper polemisiert auch gegen die romantische Vorstellung, dass sich die Indigenen durch ein besonders harmonisches Verhältnis zur Natur auszeichneten. Er spricht sogar von einer neuen Blut- und Bodenideologie, in der Kultur und kulturelle Identität an die Stelle des alten Begriffs Rasse getreten seien.

Diese und andere kritischen Einwände blieben jedoch weitgehend ungehört. Aufsehen erregende Fälle wie etwa die Versuche amerikanischer Nahrungsmittel- und Pharmakonzerne, von indigenen Völkern hervorgebrachte Nutzpflanzenarten und Arzneimittel für sich patentieren zu lassen, wogen da weit mehr. Sie machten deutlich, wie schlecht es um deren Sache immer noch bestellt ist. Nach einer fast fünfundzwanzigjährigen Debatte hat die UN-Generalversammlung am 13. September 2007 die Deklaration über die Rechte Indigener Völker verabschiedet. Zu diesen Rechten zählt sie neben der politischen Selbstbestimmung auch ein kollektives Urheberrecht an kulturellen Hervorbringungen im weitesten Sinn, das neben ihren mündlichen Überlieferungen und traditionellen künstlerischen Ausdruckformen auch ihr besonderes botanisches und pharmazeutisches Wissen einschließt.

Die Indigene haben, was der moderne Mensch vermisst

Die Verabschiedung der Deklaration hat der damalige venezolanische Staatspräsident Hugo Chávez als welthistorisches Ereignis gewürdigt. Sie wurde aber nicht von allen Staaten gebilligt. Bereits im Vorfeld hatten sich einige afrikanische Staaten dagegen ausgesprochen mit dem Argument, dass sie faktisch einen Aufruf zum Separatismus darstelle und auf Afrika gar nicht bezogen werden könne. Burundi, Kenia und Nigeria enthielten sich denn auch der Stimme.

Die vier Gegenstimmen kamen ausgerechnet aus den Staaten, in denen die internationale Indigenenbewegung begonnen hatte, nämlich aus den USA, Kanada, Australien und Neuseeland. Den Vertretern ihrer Regierungen gingen die erweiterten Restitutionsforderungen, die aus der Deklaration abgeleitet werden können, offensichtlich zu weit. Sogar der neuseeländische Minister für Maori-Angelegenheiten, der selbst dieser Minderheit angehört, sprach sich mit dem Verweis auf die vielen möglichen Konflikte gegen die Erklärung aus. Doch haben seither alle vier Staaten ihre Einstellung zur Deklaration revidiert und sie, wenn auch mit Einschränkungen, akzeptiert.

Autor

Karl-Heinz Kohl

ist emeritierter Professor für Ethnologie an der Universität Frankfurt am Main und hat dort bis 2016 das Frobenius-Institut geleitet.
Die Ureinwohner sind damit offenbar in der Moderne angekommen. Alles andere als zurückgeblieben, wissen sie die Spielräume zu nutzen, die ihnen das internationale Recht bietet. Nicht weniger geschickt gehen sie mit den romantischen Vorstellungen um, die der Westen einst über „Eingeborene“ in die Welt gesetzt hat: Sie entnehmen ihnen die Versatzstücke, die sie für ihre Zwecke gebrauchen können, und weisen die zurück, die ihnen nicht passen. Um seine negativen Züge bereinigt, ist das von den europäischen Kolonisatoren entwickelte Fremdbild zur Grundlage ihres Selbstbildes geworden.

Dieses Bild unterstellt allerdings eine Einheitlichkeit, die so nicht existiert. So weisen zwar viele, aber keinesfalls alle indigenen Völker „spirituelle“ Beziehungen zu ihrem Land auf. In einigen Fällen handelt es sich schlicht um eine Übernahme europäischer Vorstellungen. Schon vor mehr als 20 Jahren hat zum Beispiel der amerikanische Ethnologe Sam Gill anhand sorgfältiger Quellenstudien dargelegt, dass die Mutter-Erde-Ideologie einiger indianischer Stämme auf den Erfindungsreichtum eines christlichen Missionars aus dem frühen 19. Jahrhundert zurückgeht, der dabei wahrscheinlich auf antike Autochthonievorstellungen zurückgriff. Solche historischen Beweisführungen werden von Ureinwohnern nicht besonders gern gesehen. Adam Kuper zitiert in seiner Polemik eine Cree-Aktivistin, die die heute allgemein akzeptierte Theorie der Besiedlung Amerikas durch Einwanderer aus Asien mit dem Argument zurückwies, dass die Schamanen ihres Stammes es viel besser wüssten. Die Ahnen der Cree hätten seit Urzeiten dort gewohnt, wo ihre Nachfahren auch heute noch lebten.

Verwunderlich ist, dass man sich in Kanada, in den USA und in Australien von offizieller Seite auf solche Argumentationen einlässt. Eine Rolle spielen dabei die Gräueltaten und Verbrechen, die den Indigenen im Namen der Zivilisation angetan worden sind. Das schlechte Gewissen treibt uns auch heute noch um. Wer möchte da einer Wiedergutmachung widersprechen? Zudem rührt die Behauptung einer besonderen spirituellen Beziehung zum Land an tief verwurzelte Emotionen: Die Indigenen scheinen das zu haben, was der moderne Mensch in einer Zeit des globalen Nomadismus schmerzlich vermisst – Zugehörigkeit zu einem überblickbaren und harmonischen Gefüge von Land, Kultur und Gesellschaft.

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erschienen in Ausgabe 3 / 2017: Indigene Völker: Eingeboren und ausgegrenzt
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