Ende Januar luden Russland, die Türkei und der Iran Vertreter der syrischen Regierung und der Opposition zu Verhandlungen in die kasachische Hauptstadt Astana. Auch nach dem Treffen in Astana gibt es mehr Grund zur Skepsis als zur Hoffnung, dass der Krieg in Syrien bald beendet sein könnte. Denn keines der Probleme, die schon die drei Genfer Vermittlungsrunden der Vereinten Nationen im Frühjahr 2016 sowie die nachfolgenden Bemühungen der USA und Russlands scheitern ließen, ist ausgeräumt. Im Gegenteil: Einige stellen sich nach dem militärischen Etappensieg der syrischen Streitkräfte in Aleppo sogar noch schärfer als zuvor.
Das Spektrum der bei der Astana-Konferenz vertretenen Oppositionskräfte war noch enger und damit noch weniger repräsentativ als bei den drei Genfer UN-Runden. Einige Rebellengruppen, die von den USA und Saudi-Arabien als „legitime Opposition“ unterstützt, von den Regierungen in Moskau, Damaskus und Teheran wegen ihrer Nähe zur Al-Kaida aber als „Terroristen“ eingestuft werden, waren erst gar nicht eingeladen. Darunter sind militärisch sehr starke und einflussreiche Milizen, ohne die eine politische Lösung oder auch nur ein dauerhafter, verlässlicher Waffenstillstand kaum möglich sein werden. Andere Rebellengruppen schlugen die Einladung nach Astana aus, weil sie Russland und Iran als gegnerische Konfliktpartei wahrnehmen und nicht als Vermittler akzeptieren. Die türkische Regierung sorgte ähnlich wie vor den UN-Runden vor einem Jahr dafür, dass die von ihr als „Terroristen“ eingestuften syrischen Kurden keine Einladung nach Astana erhielten.
Hunderttausende von der Versorgung abgeschnitten
Doch selbst zwischen dieser abgespeckten Vertretung der syrischen Opposition und der Regierungsdelegation wurde in Astana wie zuvor in Genf kein einziges Wort gewechselt. Umso heftiger waren die gegenseitigen Beschimpfungen auf den Pressekonferenzen beider Seiten. Sie beide verweigerten die Unterschrift unter das von Russland, der Türkei und dem Iran vorgelegte Dokument zur verbesserten Überwachung und Umsetzung der seit dem 30. Dezember geltenden Waffenruhe.
Diese Waffenruhe wurde in den ersten sechs Wochen 2017 immer brüchiger. Mitte Februar drohte ein direkter Zusammenstoß zwischen den türkischen und den syrischen Streitkräften, die beide auf die bislang vom Islamischen Staat (IS) kontrollierte Stadt Al Bab vorrückten. Zudem eskalierten die türkischen Streitkräfte den Krieg gegen die Kurdenmiliz YPG. Die Waffenruhe hat zudem kaum Fortschritte für die humanitäre Versorgung der Bevölkerung erbracht. Mitte Februar waren unverändert 15 militärisch belagerte Städte mit insgesamt rund 600.000 Einwohnern vollständig von humanitärer Versorgung abgeschnitten; 13 davon sind von syrischen Regierungstruppen belagert.
Die Gespräche in Astana sollten nach Aussage aller Beteiligten die Bedingungen für die Wiederaufnahme der Syrienverhandlungen am Genfer UN-Sitz verbessern. Doch den dafür ursprünglich angepeilten Termin Anfang Februar musste Chefvermittler Staffan de Mistura zunächst auf den 20. Februar verschieben, weil sich die Opposition nicht auf die Zusammensetzung ihrer Delegation verständigen konnte. Wie im Frühjahr 2016 einigte sich die Opposition schließlich in der saudischen Hauptstadt Riad unter erheblicher Einflussnahme der dortigen Regierung. Dominiert wird die Delegation wieder von sunnitischen Rebellen, die Kurden wurden auf Drängen Ankaras erneut ausgeschlossen, der Anteil der Frauen liegt noch unter den zehn Prozent des Vorjahres.
Völlig unklar ist zudem, was bei den Genfer Verhandlungen herauskommen kann. Grundlage ist nach wie vor der vom UN-Sicherheitsrat im Dezember 2015 einstimmig beschlossene Dreistufenplan: dauerhafter Waffenstillstand und ungehinderte humanitäre Versorgung der Bevölkerung; Vereinbarung einer Übergangsregierung aus Vertretern von Regierung und Opposition, die dann dem syrischen Volk den Entwurf einer neuen Verfassung des Landes zur Abstimmung vorlegen soll; freie, von den Vereinten Nationen überwachte Parlaments- und Präsidentschaftswahlen.
Die Widersprüche des Konflikts
Es wäre schon ein wesentlicher Fortschritt, wenn die Konfliktparteien einen dauerhaften Waffenstillstand vereinbaren und einhalten und die Belagerung von Städten aufheben würden, so dass die Bevölkerung versorgt werden kann. Eine notwendige Bedingung dafür ist, dass US-Präsident Donald Trump wie im Wahlkampf angekündigt die Unterstützung für bewaffnete Rebellengruppen in Syrien beendet. Doch selbst dann blieben als großer Unsicherheitsfaktor Saudi-Arabien und Katar, die wegen ihrer eigenen, gegen den schiitischen Iran gerichteten Interessen, sunnitische Rebellengruppen in Syrien möglicherweise weiter unterstützen werden.
Dass sich die Konfliktparteien auf eine Übergangsregierung verständigen und dass Präsident Baschar al-Assad – wie von sämtlichen Oppositionsgruppen trotz aller sonstigen Differenzen geschlossen gefordert – vor dem Amtsantritt dieser Regierung abtritt, scheint noch unwahrscheinlicher als bereits bei den Genfer Verhandlungen im Frühjahr 2016. Denn Assad steht seit seinem militärischen Sieg und angesichts der starken Rückendeckung aus Moskau und Teheran noch weniger als vor einem Jahr unter Druck, dieser Forderung nachzugeben. Zumal auch die türkische Regierung inzwischen nicht mehr öffentlich verlangt, Assad solle auf die Macht verzichten. Und nach allen bisherigen Signalen aus der Trump-Administration zu urteilen, werden auch die USA nicht mehr darauf bestehen.
Autor
Andreas Zumach
ist Journalist und Publizist in Genf.Dieser Widerspruch dürfte sich zunehmend als Störfaktor erweisen für ein koordiniertes Vorgehen dieser vier Staaten gegen den IS, der derzeit noch knapp die Hälfte des syrischen Territoriums kontrolliert. Eine stabile „Friedenslösung“, die auch die sichere Rückkehr der syrischen Flüchtlinge in ihre Heimat erlauben würde, ist noch lange nicht in Sicht.
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