Bürgermeister trinken fairen Kaffee, Minister nicht

Öffentliche Beschaffung
Der faire Handel hat in den letzten Jahren in Deutschland enorm zugelegt. Auch viele Kommunen achten auf fairen Handel, doch die Bundesländer halten sich bisher zurück.

Die Bundesländer bekennen sich zur Idee des fairen Handels. Für ihren eigenen Einkauf haben neun von ihnen in ihren Vergabegesetzen ausdrücklich erwähnt, dass nicht nur Preis und Qualität ausschlaggebend sind, sondern fair gehandelte Produkte eingekauft werden dürfen. Was bedeutet das in der Praxis?

Derzeit gibt es keine Daten, die angeben, wie viele Produkte aus fairem Handel die öffentliche Hand in Deutschland bezieht. Bisher sind es nur einzelne Pioniere unter den Landesbehörden, die zum Beispiel in ihren Kantinen faire Produkte anbieten. Kommunen sind da viel weiter. In über 400 Städten, die in Deutschland als Fairtrade Towns ausgezeichnet wurden, sind fair gehandelter Kaffee in der Ratssitzung und faire Schokoladen oder Blumen in Parlamenten zu finden.

Einzelne Bundesländer wie Rheinland-Pfalz oder Nordrhein-Westfalen unterstützen zwar die Weltläden, helfen bei der Qualifizierung von Ehrenamtlichen oder fördern einzelne Projekte. Doch beim Einkauf von fair gehandelten Produkten halten sich Behörden und Einrichtungen der Länder zurück.

In Bayern hat das Eine-Welt Netzwerk 2015 zum zweiten Mal die Ministerien des Landes gefragt, ob sie fair gehandelte Produkte einkaufen. Die Ergebnisse waren ernüchternd. Weniger als die Hälfte bietet fairen Kaffee, Tee oder Säfte in ihren Kantinen an. Bei Veranstaltungen sind es noch weniger. Das soll sich ändern. Die entwicklungspolitischen Leitsätze des bayerischen Landtags vom Februar 2016 verlangen, dass Kantinen staatlicher Einrichtungen zukünftig Produkte aus fairem Handel sowie aus ökologischer und regionaler Produktion berücksichtigen. In Bayern soll der faire Handel ausgebaut werden. Dazu werden derzeit einige Projekte erarbeitet.

Polizisten in fairer Uniform

Außer für Lebensmittel gibt die öffentliche Hand Geld vor allem für Textilien aus, etwa für Dienstbekleidung. Vor allem in Nordrhein-Westfalen engagieren sich Städte wie Bonn, Dortmund oder Neuss mit Pilotprojekten für den Einkauf fairer Textilien. Sie verlangen von ihren Bietern, dass sie die Einhaltung von Sozial- und Umweltstandards in der Herstellung nachweisen, etwa durch ein Siegel oder die Mitgliedschaft in der Fair Wear Foundation. Bei den Landesbehörden gibt es bisher erst einzelne Pilotprojekte, wie etwa fair produzierte Polizeiuniformen in Schleswig-Holstein.
Computerhersteller wollen ihre Zulieferer kontrollieren

Zu den kritischen Produktgruppen gehört auch die Informationstechnologie. Nach Angaben des Branchenverbands Bitkom gibt die öffentliche Hand dafür jedes Jahr rund 20 Milliarden Euro aus, über zwei Milliarden Euro allein für IT-Hardware. Für diese Produkte gibt es noch kein Fair­trade-Siegel, wohl aber Bemühungen, die häufig problematischen Arbeitsbedingungen in Fernost oder Osteuropa zu überprüfen.

Das haben die drei Nordländer Bremen, Hamburg und Schleswig-Holstein in einer gemeinsamen Ausschreibung ihres IT-Dienstleisters Dataport versucht. Beraten wurden sie dabei von der nichtstaatlichen Organisation Weltwirtschaft, Ökologie und Entwicklung (WEED). Die bietenden Unternehmen mussten ein glaubwürdiges Konzept zur Einhaltung sozialer und ökologischer Standards vorlegen. So wurde über vier Jahre bis 2016 faire Hardware für rund 70 Millionen Euro eingekauft. Im Rahmen des Bieterverfahrens stellte sich heraus, dass die IT-Firmen durchaus interessiert daran sind, ihre Zulieferer besser zu kontrollieren und staatliche Auflagen für bessere Arbeits- und Sozialstandards zu erfüllen. Staatliche Stellen müssen ihre Marktmacht stärker nutzen; die Bundesländer stehen hierbei allenfalls am Anfang.

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erschienen in Ausgabe 2 / 2017: Europa: Die zaudernde Weltmacht
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