In den ersten drei Wochen dieses Jahres sind mehr als 130 Häftlinge bei Kämpfen zwischen rivalisierenden Drogenbanden getötet worden – zum Teil auf bestialische Weise: Sie wurden verbrannt, zerstückelt oder enthauptet. Brasiliens Regierung will den blutigen Auseinandersetzungen mit Hilfe des Militärs ein Ende setzen. Soldaten sollen in den Gefängnissen verbotene Waffen und Drogen sicherstellen. Damit will Präsident Michel Temer die Kontrolle über die Haftanstalten zurückgewinnen, die zum Teil fest in der Hand der Drogenkartelle sind.
Das mag kurzfristig Wirkung zeigen, doch das ist nicht genug. Nötig wäre eine umfassende Reform des Strafvollzugs. Denn die katastrophalen Zustände in den Haftanstalten sind ein Dauerthema. Seit Jahren sind die Einrichtungen überlastet – laut Justizministerium drängen sich 622.000 Häftlinge in Zellen, die auf lediglich 372.000 Plätze angelegt sind. Es gibt zu wenig Sicherheitspersonal, und die Beamten sind überfordert. Immer wieder kommt es zu Revolten.
Der Staat vernachlässigt seine Pflicht, Häftlinge vor Missbrauch und Gewalt zu schützen – auch Verbrecher haben das Recht auf eine menschenwürdige Behandlung. Insassen haben nach offiziellen Angaben ein drei Mal so hohes Risiko, ermordet zu werden, wie die übrige Bevölkerung.
40 Prozent sitzen in Untersuchungshaft
Reformen müssten außerhalb des Strafvollzugs beginnen. Menschenrechtsaktivisten und Vertreter der katholischen Gefängnisseelsorge raten etwa dazu, den Konsum von Drogen und den Handel mit kleinen Mengen zu entkriminalisieren. Zudem sollten Gerichtsverfahren beschleunigt werden, Richter könnten häufiger Geld- oder Bewährungsstrafen verhängen oder gemeinnützige Arbeit anordnen. Damit ließe sich die Zahl der Häftlinge senken – denn 40 Prozent von ihnen sitzen lediglich in Untersuchungshaft.
In den Gefängnissen müsste der Staat dafür sorgen, dass die sogenannten Nelson-Mandela-Regeln der Vereinten Nationen zur Behandlung von Insassen angewendet werden. Sie legen Mindeststandards für Unterbringung, Verpflegung, Gesundheitsversorgung sowie den Kontakt zur Außenwelt fest und regeln Besitzverhältnisse, Arbeit und Bildung. Große Hoffnungen sind allerdings nicht angebracht. Die Empfehlungen von vier parlamentarischen Untersuchungskommissionen seit 1976 sind in der Schublade gelandet.
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