Edelbitter vom Äquator

Bio-Schokolade aus Ecuador
Das Unternehmen Pacari aus Ecuador hat sich mit seinen dunklen Bio-Schokoladen weltweit einen Namen gemacht. Davon profitieren auch 3500 Kleinbauern-Familien.

Wer mit Santiago Peralta Schokolade isst, fühlt sich wie bei einer Weinprobe. Genüsslich lässt er sich die braune Masse im Mund zergehen, er lutscht und schmatzt, rollt die Augen und stößt Laute der Zufriedenheit aus. Dazwischen teilt er seine Geschmackserlebnisse mit. „Nüsse.“ Schmatzen, Schlucken. „Säure. Und Früchte.“ Dann, triumphierend: „Karamell!“ Was dem Mittvierziger da so gut schmeckt, ist die Schokolade seiner eigenen Firma Pacari. Gegründet hat er sie im März 2002 gemeinsam mit seiner Ehefrau Carla Barbotó in Quito, der Hauptstadt von Ecuador.

Über die anderen – Produzenten wie Konsumenten – kann er sich derweil prächtig aufregen. „Wir haben hier Kakaobauern, die in Armut leben. Und Ihr kauft Schokolade von Mars. Die lassen ihren Kakao von afrikanischen Sklaven produzieren, und der gesamte Gewinn bleibt in der Schweiz.“ In Ecuadors Supermärkten dagegen seien fast drei Viertel aller dunklen Schokoladen biozertifiziert – weitaus mehr als in jedem europäischen Land, wie der Schokoladenfabrikant betont.

Die Zutaten der Pacari-Schokoladen stammen nach Angaben des Unternehmens vollständig aus biodynamischem Anbau. Keine der derzeit etwa 40 Sorten enthält weniger als 60 Prozent Kakao, alle sind vegan, gluten- und sojafrei. Der Kakao der Sorte Arriba Nacional zählt laut Experten zum feinsten der Welt: Die Bohnen besitzen sogenannte Sekundär-Aromen, die etwa nach Früchten schmecken und der Schokolade ihren Charakter verleihen – je nach dem, in welchem Teil des fruchtbaren südamerikanischen Landes sie gediehen sind. Mithilfe dieser Aromen hat sich Pacari innerhalb weniger Jahre einen internationalen Ruf erarbeitet und rund hundert Preise gesammelt. Vor allem die Raw-Schokoladen kommen bei Feinschmeckern gut an: Sie werden extra schonend verarbeitet, bei niedrigen Röst- und Schmelztemperaturen. Dadurch entfalten sich die Sekundäraromen besonders gut.

Das junge Unternehmen wächst. Pacari beschäftigt gut 70 Mitarbeiter, setzt im Jahr rund fünf Millionen US-Dollar um und exportiert in 40 Länder. Knapp die Hälfte der Schokolade wird im Heimatland verkauft. Dennoch ist in der Schokoladenfabrik noch vieles Handarbeit – vom Aussortieren schlechter Bohnen über das Gießen der Tafeln in rechteckige Schablonen bis hin zum Falzen der Kartons, in die sie verpackt werden. Gelernter Chocolatier ist hier niemand. „Das haben wir uns selbst beigebracht“, sagt Peralta. Seinen Angestellten zahlt er mehr als den Mindestlohn, viele sind schon von Anfang an dabei.

Pacari ist es gelungen, mit der Rolle Ecuadors als reinem Rohstofflieferanten zu brechen, zumindest in Sachen Kakao. Seit Jahrhunderten exportiert das Land die fettreichen Bohnen nach ein paar Arbeitsschritten – ernten, schälen, trocknen – ins Ausland. Dort entsteht das fertige Produkt und wird nach Ecuador reimportiert. Bei Pacari hingegen läuft der gesamte Produktionsprozess im Ursprungsland der Bohnen ab: „From tree to bar“ – von der Pflanze bis zur Tafel lautet der Werbeslogan.

Zusammenarbeit mit indigenen Kleinbauern

Das Unternehmen arbeitet mit indigenen Kleinbauern zusammen. Geschätzte 500.000 Menschen in Ecuador besitzen ein paar Hektar Land und ernähren davon ihre Familien. Rund jede fünfte von ihnen baut laut Peralta vor allem Kakao an. Von diesen verkaufen etwa 3500 Familien Kakao an Pacari – direkt und ohne Zwischenhändler. Ihre Felder liegen am Rand des Amazonas oder an Ecuadors Pazifikküste und sind extrem fruchtbar. „Wenn die Kakaoernte mal nicht so gut ausfällt, haben sie noch Bananen, Yucawurzeln, Ananas und vieles mehr“, erklärt Peralta.

Um das Beste aus den Böden herauszuholen, hat Unternehmer Peralta von Beginn an versucht, bei den Bauern ein Bewusstsein dafür zu schaffen, was guten Kakao ausmacht: sanftere Erntetechniken, bessere Fermentierung, schonendere Röstung. Das wird mit traditionellen Anbaumethoden kombiniert: Als Dünger werden etwa zersetzte Kuhhörner verwendet. Chemikalien sind tabu. Ob Physalis, wilde Blaubeere oder Maracuja, Kaffee, Andenrose oder Zitronenkraut: Alles stammt aus regionaler, biologischer Kleinbauern-Produktion. Da zugleich natürliche Kreisläufe respektiert werden, tragen in Deutschland einige der Sorten das Demeter-Siegel.

Für die Bauern lohne es sich, Bio-Kakao zu produzieren, erklärt Peralta. Das halte sie davon ab, Monokulturen anzupflanzen und ihren Kakao zum Schleuderpreis an Großkonzerne zu verkaufen. Auf diese Weise bleibe die Diversität der Kakaopflanze erhalten. 60 Prozent aller Kakaosorten der Welt kommen laut Peralta in Ecuador vor – und sorgen für jene besonderen Geschmacksnoten, die es ihm erlauben, sein Produkt wie teuren Jahrgangswein zu präsentieren.

Darüber hinaus engagieren sich Peralta und seine Frau für ihre Produzenten: Auf den Plantagen vieler Pacari-Bauern wiegen die Kakaosäcke nur noch ein Viertel der ursprünglichen 50 Kilo. Nun können auch Frauen auf dem Feld mitarbeiten. Die Arbeit wird auch in der Morgen- und Abenddämmerung verrichtet – im Licht von Solartaschenlampen. Altbatterien landen nicht mehr in der Umwelt.

Eine Tafel Schokolade für vier Euro

All das hat seinen Preis. In Ecuador werden die 50-Gramm-Tafeln für zwei US-Dollar verkauft, in Deutschland selten für weniger als vier Euro. Peralta verteidigt das: 100 Gramm Bio-Schokolade für zwei Euro zu verkaufen – wie in vielen deutschen Bio-Supermärkten üblich – sei ohne Ausbeutung von Mensch und Natur nicht möglich. Er zahle den Kakaobauern fast das  Doppelte vom üblichen Preis: Aktuell werde die Tonne Kakao auf dem Weltmarkt für etwa 2600 US-Dollar verkauft, Pacari zahle 4400.

Autor

Johannes Süßmann

ist freier Journalist und lebt seit Dezember 2015 in Quito. Er schreibt vor allem über Soziales, Umwelt und Menschenrechte.
Efraín Alvarado bestätigt das nicht. Der 45-Jährige steht der Indigenen-Dorfgemeinschaft Santa Rita am Rande des Amazonas vor. Alle 145 Familien bauen Kakao an, beackern im Schnitt drei bis vier Hektar Land. Seit drei Jahren verkaufen sie an Pacari. „Die Bauern bekommen etwa einen US-Dollar pro Kilo Kakao“, sagt Alvarado. Vorherige Abnehmer hätten 80 Cent bezahlt. Die Preise beziehen sich auf die ganzen Kakaofrüchte mit rund 50 Bohnen pro Stück. Für das Kilo fertig getrocknete Bohnen erhielten die Bauern drei Dollar; einen US-Dollar mehr als früher. Pacari zahlt demnach also bis zu 50 Prozent mehr – nicht doppelt so viel.

Dennoch habe die Kooperation mit Pacari viel gebracht, sagt Alvarado. Das Unternehmen hat am Rand des Dorfes zwei Holzpavillons errichtet. In idyllischer Lage bekommen Touristen hier den Herstellungsprozess echter Bioschokolade vorgeführt, dürfen beim Rösten, Schälen, Zerstampfen der Bohnen mit anpacken. Dazu stehen eine Führung über die Kakaoplantage und ein traditionelles Mittagessen auf dem Programm. Bald wollen ein paar Familien Unterkünfte für Besucher anbieten. Ohne eine Investition in die Infrastruktur des abgeschiedenen Dorfes und höhere Einnahmen wäre das nicht möglich. „Ich bin Pacari sehr dankbar“, sagt Alvarado. „Auch wenn die Preise für den Kakao höher sein könnten.“

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erschienen in Ausgabe 9 / 2016: Tourismus: Alles für die Gäste
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