Mit Sicherheitsfirmen den Frieden sichern?

Humanitäre Einsätze finden häufig in unsicheren Krisenregionen statt. Um dort etwa ihr Personal oder Hilfslieferungen bewachen zu lassen, greifen die Vereinten Nationen zunehmend auf das Personal privater Sicherheitsfirmen zurück. Die New Yorker Denkfabrik Global Policy Forum hat in einer Studie scharf kritisiert, diese Zusammenarbeit schade dem Ruf der Weltorganisation. Branchenvertreter hingegen sehen in der Kritik nur alte Vorurteile gegen die Sicherheitsindustrie. Ein Pro und Kontra.

Pro: Unersetzbare Dienste für schwierige UN-Missionen

Von Siddha Hover und Doug Brooks

Private Sicherheitsfirmen leisten einen wichtigen Beitrag zu UN-Missionen, und es ist gut, dass das Global Policy Forum mit seinem Bericht darauf aufmerksam gemacht hat. Schade nur, dass das Forum eher eine Art „rhetorischen Kreuzzug“ führt, wie ein Kritiker es genannt hat, anstatt die Möglichkeit zu nutzen und einen ausgewogenen und fundierten Beitrag zur Debatte zu leisten.

Anbieter privater Sicherheitsdienste werden in dem Bericht durchgängig als „Kerle mit Tätowierungen und Sonnenbrillen“ dargestellt, als Anstifter von Staatsstreichen und als Killer. Diese voreingenommene Sicht verstärkt den falschen Eindruck, es handele sich bei privaten Sicherheitsdiensten stets um Ausländer. In Wahrheit geht es bei einem typischen Auftrag für private Anbieter darum, im Einsatzland Kapazitäten aufzubauen und lokale Kräfte zu trainieren, so dass sie in UN-Missionen dienen können. Die ständige Wiederholung von diesen und anderen überholten Ansichten untergräbt Bemühungen in den Vereinten Nationen, humanitäre Missionen pragmatisch zum Erfolg zu führen. Der Bericht des Global Policy Forum räumt selbst ein, dass die UN routinemäßig zum eigenen Vorteil auf die Fähigkeiten privater Anbieter zurückgreifen. Private Sicherheitsfirmen leisten in schwierigen UN-Missionen unersetzbare Dienste, welche die Mitgliedstaaten oft nicht selbst erbringen können oder wollen. Und sie tun das sehr kosteneffizient.

Autoren

Siddha Hover

ist Mitarbeiterin der International Stability Operations Association (ISOA), eines Verbands von privaten Sicherheitsfirmen mit Sitz in Washington. Sie ist dort für Rechtsfragen zuständig.

Doug Brooks

ist Präsident der International Stability Operations Association (ISOA).

Lou Pingeot

ist Mitarbeiterin des Global Policy Forum (GPF) in New York. Sie ist Autorin des GPF-Berichts „Dangerous Partnership“ zur Zusammenarbeit der Vereinten Nationen mit privaten Sicherheitsfirmen.

Privatunternehmen sind nicht frei von Fehlern, und wie in jeder Industrie gibt es auch bei Sicherheitsdiensten Raum für Verbesserungen und Regulierung. In schwachen oder gescheiterten Staaten ist es schwer, jemanden zur Verantwortung zu ziehen, wie Hunderte Fälle von kriminellen Vergehen von UN-Blauhelmen in den vergangenen Jahrzehnten gezeigt haben. Die UN bemühen sich, die Lage zu verbessern. Aber in der Regel werden Soldaten aus Friedenstruppen, die der sexuellen Ausbeutung oder Korruption überführt wurden, nur nach Hause geschickt; bestraft werden sie viel zu selten.

Vergehen sind bei Privaten ­seltener als bei UN-Blauhelmen
Bei privaten Sicherheitsdienstleistern sind solche Fälle viel seltener. Und wenn Mitarbeiter Verbrechen zur Last gelegt werden, dann werden sie mindestens gefeuert. Sie können auch im Einsatzland verurteilt werden (falls es ein funktionierendes Rechtswesen gibt) und die Unternehmen können ihre Aufträge verlieren. Allein das ist ein Ansporn, vorbeugend gegen Fehlverhalten vorzugehen.

Die Sicherheitsindustrie ist dafür verantwortlich, dass sie ihre eigenen Verhaltensstandards beachtet und wichtige internationale Regelwerke wie den Internationalen Verhaltenskodex für private Sicherheitsdienste unterstützt. Aber freiwillige Selbstverpflichtungen können verbindliche staatliche Vorgaben nur ergänzen. Das im September 2008 verabschiedete Montreux-Dokument zur Regulierung privater Sicherheitsfirmen leistet unschätzbare Dienste bei der Klärung der Frage, welche Staaten jeweils zuständig sind für Verbrechen in UN-Missionen. Auch wenn heute schon private Anbieter viel einfacher zur Rechenschaft gezogen werden können als Militärpersonal der UN, kann immer noch viel verbessert werden.

Es ist interessant, dass das Global Policy Forum in seinem Bericht die Entwicklung von UN-Missionen hin zu zunehmend robusteren Einsätzen grundsätzlich kritisiert. Ja, möglicherweise wurde die Rolle der Vereinten Nationen bei der Friedenssicherung überspannt. Andererseits ist es eine traurige Wahrheit, dass UN-Missionen oft die einzige Barriere darstellen, die unschuldige Zivilisten von unkontrollierter Gewalt schützt. Die UN, unterstützt von privaten Sicherheitsfirmen, bieten oft die einzige Möglichkeit, die Sicherheit von Zivilpersonen in Konfliktgebieten zu gewährleisten. Das mag in der abgehobenen Welt von Gelehrten und ihren Theorien eine unbequeme Wahrheit sein, aber allzu oft sind unzählige tote Zivilisten die trostlose Alternative.

Die Art, wie der Bericht das Mandat der UN kritisiert, verdeutlicht überdies, dass er die Fähigkeiten von Privatfirmen, Entscheidungen zu treffen, völlig falsch einschätzt. Die Sicherheitsdienste, die die UN unter Vertrag nehmen, vollziehen nur, was die Staatengemeinschaft beschlossen hat. Sie bestimmen nicht, wo, wann und wie interveniert werden soll. Sie werden nur dazu angeheuert, diese Entscheidungen erfolgreich in die Tat umzusetzen.

Kontra: Eine gefährliche Partnerschaft

Von Lou Pingeot

Die Vereinten Nationen (UN) beziehen zunehmend von privaten Militär- und Sicherheitsfirmen eine Reihe von Dienstleitungen. Dazu gehören bewaffnetes und unbewaffnetes Schutzpersonal, Risikoanalysen und Sicherheitstraining sowie nicht direkt auf Sicherheit bezogene Dienste wie Transport und Logistik. Über die Verträge liegen nur unvollständige Daten vor, die aber zeigen, dass die UN in Zeiten knapper Budgets dem Outsourcing von Sicherheitsdienstleistungen hohe Priorität gibt.

Eine Reihe hoher UN-Mitarbeiter, die wir interviewt haben, zeigt sich besorgt über diesen Trend. Insider und viele Beobachter sind der Ansicht, dass private Sicherheitsfirmen den Rückzug in den Bunker vorantreiben: Die UN schützen ihr Personal und Material zunehmend in befestigten Lagern, hinter Explosionsschutzmauern, Stacheldraht und Wachposten. Das isoliert sie von der Bevölkerung, der sie beistehen sollen, und militarisiert die UN-Operationen. Dadurch, dass sie die Akzeptanz der UN am Einsatzort schwächen und durch „harten“ Schutz ersetzen, machen Sicherheitsfirmen das UN-Personal am Ende weniger sicher.

Das Outsourcing schadet den Programmen und der Stellung der UN noch auf andere Weise. Die UN vermeiden in ihren offiziellen Berichten jeden Hinweis auf Sicherheitsfirmen und produzieren so eine irreführende öffentliche Darstellung ihrer Strategie. Und sie haben keinerlei Richtlinien und klare Rechenschaftspflichten für die Beschäftigung dieser Firmen erarbeitet; auch solche, die für Fehlverhalten, Gewalt und finanzielle Unregelmäßigkeiten bekannt waren, erhielten UN-Aufträge, und das wiederholt. Beispiele sind DynCorp International, die wegen mehrerer Skandale verrufen ist, unter anderem wegen der Verwicklung in einen die UN betreffenden Prostitutionsskandal in Bosnien in den 1990er Jahren; G4S, die für Gewalt gegen Internierte und Asylsuchende bekannt ist; sowie Saracen, die mit der illegalen Ausbeutung von Rohstoffen der Demokratischen Republik Kongo in Verbindung gebracht wird.

Angesichts dieser Probleme sollten die UN ihre Verfahren der Auftragsvergabe radikal ändern, um Verbindungen mit wenig respektablen Firmen zu meiden und klar festzulegen, welche Aufgaben nach außen vergeben werden dürfen. Noch besser sollten die UN überprüfen, ob sie überhaupt die Dienste von Sicherheitsfirmen nutzen sollen.

Die Firmen sprechen von „Übersetzung“ und „Flugdiensten“
Doch was, fragen die Anwälte der Branche, ist mit anderen wichtigen Dienstleistungen dieser Firmen für die UN wie Logistik, Minenräumung, Vermietung und Unterhalt von Flugzeugen oder Übersetzungen? Die Firmen behaupten, eine große Bandbreite an konventionellen und unumstrittenen Diensten anzubieten, welche die UN nutzen sollten.

Doch auch wenn „Flugdienste“ oder „Übersetzung“ unproblematisch erscheinen, ist der Kontext das selten. DynCorp war einer der größten Auftragnehmer im US-Programm für „außergewöhnliche Rückführungen“ (extraordinary renditions), zu dem Entführung und Folter von unschuldigen Terrorverdächtigen gehörten. Verbucht hat DynCorp das als „Flugdienste“. Als „Übersetzer“ waren Mitarbeiter der Sicherheitsfirmen CACI und Titan an der Folter von Gefangenen im Gefängnis Abu Ghraib im Irak beteiligt. Und zu den Mitgliedern des Branchenverbandes International Stability Operations Association gehören Unternehmen wie BAE Systems – eine der größten dieser Firmen weltweit –, die einen Großteil ihrer Profite mit dem Verkauf von Militärausrüstung einschließlich Waffen verdienen. Ihre Version von „Stabilität“ ist mit der Mission der UN offensichtlich unvereinbar.

Statt übereilt auf Private zu setzen in der Hoffnung auf kostengünstige und effiziente Dienste, sollten die UN ernsthaft die Resultate in der Branche prüfen. Die USA, die Sicherheitsfirmen mit Abstand am meisten nutzen, denken zunehmend darüber nach, ob es klug ist, sich auf sie zu verlassen. Mehrere Berichte zu Wiederaufbau-Verträgen im Irak haben zum Beispiel Fälle an den Tag gebracht, in denen Dienstleistungen nicht erbracht wurden, überteuert waren oder betrogen wurde. Angesichts dieser Bilanz müssen die UN sich damit auseinandersetzen, welche Kosten und politischen Folgen der Einsatz von Sicherheitsfirmen hat. Wahrscheinlich würde das zu dem Schluss führen, dass sie ihn beenden sollten, um ihre Mission und ihre Grundwerte zu bewahren.

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erschienen in Ausgabe 9 / 2012: Südliches Afrika: Wohlstand nur für wenige
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