Krisenhilfe im Büro

EU-Freiwilligendienst
Die Europäische Union (EU) hat einen Freiwilligendienst für humanitäre Hilfe ins Leben gerufen. Jetzt sind die ersten Stellen für Einsätze in Krisengebieten ausgeschrieben. Das kommt nicht überall gut an.

Der Einsatz in Paraguay sei eine ganz besondere Erfahrung gewesen, sagt Ben Moon. Der junge Brite erzählt in einem Video auf der Seite der Europäischen Kommission von seinem zehnwöchigen Einsatz als Freiwilliger mit dem britischen Roten Kreuz. In der Stadt Encarnación nahe der Grenze zu Argentinien hat er im vergangenen Jahr Erste-Hilfe-Schulungen gegeben und lokalen Organisationen geholfen, ein Notfallsystem für die häufigen Hochwasser aufzubauen.

Der Brite ist einer von 300 jungen Leuten, die an einem Pilotprojekt des EU-Freiwilligendienstes für humanitäre Hilfe teilgenommen haben. Zwischen 2011 und 2014 hatte die EU zusammen mit europäischen Trägerorganisationen und deren lokalen Partnern solche Testeinsätze organisiert. Nun soll es richtig losgehen: Seit Anfang August sind die ersten Plätze bei der EU ausgeschrieben, Ende 2016 könnten die ersten Helfer entsandt werden.

Freiwillige können bei der Finanzverwaltung in Flüchtlingslagern in Jordanien helfen oder Menschen in Kambodscha besser auf Überschwemmungen vorbereiten – ähnlich wie Ben Moon in Paraguay. Insgesamt sollen zwischen 2016 und 2020 rund 4000 Teilnehmer zugelassen werden. Weitere 10.000 Plätze gibt es für Online-Volunteers, die von Zuhause beispielsweise Aufgaben aus dem Bereich der Projektverwaltung erledigen können. Für ihren neuen Freiwilligendienst hat die EU insgesamt knapp 150 Millionen Euro vorgesehen.

In Kriegsgebiete und Nothilfe-Einsätze werden die Freiwilligen nicht geschickt. „Niemand soll sich in unkalkulierbare Gefahren begeben“, sagt der Sprecher der Europäischen Kommission in Deutschland, Reinhard Hönighaus. Es gehe darum, nach großen Naturkatastrophen humanitäre Projekte etwa für den Wiederaufbau zu unterstützen oder vorbeugend mit Behörden und europäischen Hilfsorganisationen zusammenzuarbeiten. Im haitianischen Port-au-Prince etwa sollen diese besser zu vernetzt werden, damit sie bei einem Erdbeben schneller reagieren können.

 

Ein Programm, viele Meinungen

Aus Deutschland findet sich bisher keine Ausschreibung auf der Webseite des EU-Programms. An der Pilotphase hatten deutsche Hilfsorganisationen teilgenommen, darunter AWO International. Zusammen mit spanischen und italienischen nichtstaatlichen Organisationen hatte der Fachverband der Arbeiterwohlfahrt für Humanitäre Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit 23 Freiwillige in sechs Länder entsendet, unter anderem nach Kolumbien, Palästina und Burkina Faso.

Ob weitere Projekte folgen, ist noch offen. „Wir werten gerade unsere Erfahrungen aus, es gibt aber noch keine endgültige Entscheidung“, sagt der Pressesprecher von AWO International, Vassilios Saroglou. Der Freiwilligendienst sei eine gute Möglichkeit, jungen Frauen und Männern einen Einblick in die humanitäre Hilfe zu geben, die Partner vor Ort zu unterstützen und den Austausch zwischen internationalen Organisationen zu fördern. Daneben gehe es darum, eine gemeinsame Grundlage für die Betreuung von Freiwilligen zu entwickeln und internationale Standards für die humanitäre Hilfe zu fördern.  

Das sehen andere Organisationen kritischer – das Deutsche Rote Kreuz etwa wird sich nicht an dem Programm beteiligen. Die EU brauche keine eigenständige Struktur für den Katastrophenschutz, meint Pressesprecher Dieter Schütz. Die nationalen Kräfte seien ausreichend. Es sei wichtiger, einheimische Helfer als Freiwillige einzubinden. Das ist in dem EU-Programm nicht vorgesehen.

Die Grundlage für den europäischen Freiwilligendienst in der humanitären Hilfe ist im Lissaboner EU-Reformvertrag von 2009 verankert. Darin heißt es: „Als Rahmen für gemeinsame Beiträge der jungen Europäer zu den Maßnahmen der humanitären Hilfe der Union wird ein Europäisches Freiwilligenkorps für humanitäre Hilfe geschaffen.“ DRK-Mann Schütz bemängelt das: „Es wird nicht zwischen professionellen und ungelernten Freiwilligen unterschieden“, sagt er. Unter dem Einsatz unerfahrener, junger Menschen könne die Wertschätzung der professionellen Helfer leiden – eine Gefahr, wie sie auch in der Entwicklungszusammenarbeit bestehe. Außerdem könne die Sicherheit in Krisengebieten kaum gewährleistet  werden: „Hier sind eher professionelle Helfer gefragt, die sich schnell zurecht finden und nicht so eng begleitet werden müssen“.

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erschienen in Ausgabe 9 / 2016: Tourismus: Alles für die Gäste
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