China beansprucht seit langem die Hoheit über vier Fünftel des Südchinesischen Meeres – auch über Gebiete, die nach dem Seerechtsübereinkommen (SRÜ) von 1982 in die Wirtschaftszonen der Philippinen, Vietnams, Malaysias, Indonesiens und Bruneis fallen. Seinen Anspruch hat Peking zuletzt aggressiv vertreten. Seine Marine hat philippinische Boote gehindert, bei den Spratly-Inseln zu fischen, und baut menschenleere Atolle zu Militärbasen aus. Die Philippinen haben daher den Internationalen Schiedshof klären lassen, ob Chinas Vorgehen dem SRÜ entspricht.
Das Urteil ist klar und weitreichend: Erstens sind die „historischen Ansprüche“ Chinas auf Meeresressourcen in der Nähe der Philippinen juristisch unhaltbar. Zweitens sind die Spratly-Inseln und Atolle dort rechtlich keine Inseln, sondern nur Felsen, und besitzen daher keine 200 Meilen tiefe Wirtschaftszone im umgebenden Meer – egal ob China sie zu Recht beansprucht (damit hat sich das Tribunal nichts befasst). Drittens verstößt der Ausbau der Atolle gegen Naturschutz-Vorschriften im SRÜ. China, so das Tribunal, sei an das Urteil gebunden, weil es das SRÜ ratifiziert hat.
Große Empörung in China
China hat das Verfahren boykottiert und weist das Urteil scharf zurück. Dessen Wirkung hängt davon ab, wie es das politische Kalkül in Peking verändert. Wenn China offensiv Ansprüche verfolgt, die als völkerrechtswidrig befunden sind, hat das nun höhere diplomatische Kosten: Die Beziehungen zu den USA und zu asiatischen Nachbarn werden leiden. Ob die Erdöl- und Erdgasreserven im Meer das wert sind, ist fraglich. Ihr Umfang ist unbekannt und die Ausbeutung teuer; vorteilhaft wäre, sie gemeinsam zu fördern, wie Peking und Manila es schon einmal geplant hatten.
Innenpolitische Gründe sprechen aber gegen eine Mäßigung. Das Urteil aus Den Haag löst in China Empörung aus – nicht nur staatlich gelenkte. Die Kommunistische Partei legitimiert ihre Herrschaft damit, Chinas Größe wiederherzustellen, und predigt einen Nationalismus, den sie nicht völlig unter Kontrolle hat. Sein sakrosankter Grundsatz ist, dass China die Souveränität über alle tatsächlich oder angeblich verlorenen Gebiete zurückgewinnen muss. Für das Südchinesische Meer treiben die drei staatlichen Ölkonzerne das zusätzlich voran. Sie haben Fähigkeiten zu Tiefsee-Bohrungen aufgebaut, die sie einsetzen wollen, und ihre Chefs sind einflussreiche Parteikader. Der Konflikt im Südchinesischen Meer bleibt nach dem Urteil so gefährlich wie davor.
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