Das Verhältnis der USA und ihrer europäischen Verbündeten zu Russland ist so schlecht wie seit Jahrzehnten nicht. So tief ist das gegenseitige Misstrauen seit dem Konflikt in der Ukraine, dass Beobachter wie der US-amerikanische Politologe und Russlandkenner Robert Legvold von einem neuen Kalten Krieg sprechen. Und der zieht auch Länder im Süden in Mitleidenschaft.
Allerdings nicht so wie der historische Kalte Krieg. Legvold weist in seinem neuen Buch „Return to Cold War“ darauf hin, dass sich die heutige Konfrontation stark von der nach dem Zweiten Weltkrieg unterscheidet. Damals war machtpolitische Rivalität verwoben mit der Gegnerschaft zweier Ideologien und Gesellschaftssysteme – Kommunismus und Kapitalismus –, die im jeweils anderen das Böse schlechthin sahen. An ihr richteten sich alle außenpolitischen und viele innenpolitische Fragen aus. West und Ost schufen zwei Lager und zwei getrennte Wirtschaftsblöcke. Und ihr Konflikt erfasste die ganze Welt. Beide Seiten päppelten ferne Verbündete und schürten Bürgerkriege, etwa im südlichen Afrika und in Mittelamerika. Der Kalte Krieg war dort ziemlich heiß.
Heute liegt die heiße Zone dort, wo Russland sein Vorfeld sieht: in Gebieten, die früher zur Sowjetunion gehörten und nun gen Westen streben wie die Ukraine und Georgien. Der „neue Kalte Krieg“ ist auf Europa und Teile Asiens konzentriert. Er bringt keine Rückkehr zu einer bipolaren Welt – neue Mächte wie China, Indien, Brasilien oder Südafrika richten sich nicht daran aus.
Russland ist keine den USA ebenbürtige Weltmacht und hat keine prägende Rolle in der Weltwirtschaft, in die es sich seit 1990 eingefügt hat. Es kann auch nicht länger Verbündete ökonomisch über Wasser halten wie einstmals Kuba. In Afrika und Lateinamerika konkurrieren westliche Staaten eher mit China um Einfluss.
Blockade bei Kriegsbeilegung
Trotzdem berührt die politische Eiszeit zwischen Russland und den Nato-Ländern den globalen Süden. Eine gefährliche Folge sind Blockaden in der multilateralen Kriegsbeilegung. Nach 1990 arbeiteten die Supermächte zunächst zusammen, um Bürgerkriege zu beenden, die sie zuvor geschürt hatten, und blockierten nicht länger den UN-Sicherheitsrat. Die Vereinten Nationen konnten Friedensmissionen entwickeln, die bei allen Mängeln halfen, Konflikte wie in Mosambik, Nicaragua, Liberia oder im Kongo beizulegen oder zumindest einzuhegen. Nach den Terroranschlägen in New York 2001 billigte Moskau sogar die Intervention in Afghanistan.
Der Rückhalt für multilaterale Friedenswahrung schwindet seit dem Angriff auf den Irak 2003 und der Intervention in Libyen 2011, bei der Washington und seine Verbündeten das UN-Mandat für den Sturz des Regimes missbrauchten. Nun macht die Eiszeit zwischen den USA und Russland UN-Friedensinitiativen noch schwieriger. In seinem „Vorfeld“ lässt Moskau sie nicht zu. Und in Syrien stehen die USA und Russland wieder auf entgegengesetzten Seiten in einem Krieg: Washington unterstützt Rebellengruppen und Moskau Präsident Assad. Diesen Krieg beizulegen ist aus vielen Gründen äußerst schwierig, doch ohne Verständigung zwischen Moskau und Washington ist es unmöglich.
Kein Klimaschutz in der Eiszeit
In Afrika scheinen Friedensmissionen noch konsensfähig. Russland und die USA haben sogar zusammengearbeitet, um mit dem Iran 2015 zu einem Abkommen über die Einschränkung seines Atomprogramms zu kommen. Doch wenn die Kriege in der Ukraine und Syrien die gesamten Ost-West-Beziehungen weiter vergiften, steht das gemeinsame Konfliktmanagement überall auf dem Spiel.
Gefährdet ist auch die Kooperation bei globalen Aufgaben wie der Kontrolle von Kernwaffen. Dringend wäre sie in Asien, wo die drei Atommächte China, Pakistan und Indien ein sehr angespanntes Dreiecksverhältnis haben. Nur Russland und die USA, die beide viel mehr Atomwaffen haben als jeder andere Staat, könnten gemeinsam nukleare Abrüstung vorantreiben. Stattdessen sehen Experten schon die Rüstungskontrolle in Europa vor dem Scheitern.
Auch den Klimaschutz macht die neue Eiszeit nicht leichter. Moskau hat zwar das Klima-Abkommen von Paris Ende 2015 ohne Einsprüche passieren lassen. Doch das liegt daran, dass Russlands Emissionen wegen des Niedergangs seiner Industrie seit 1990 sowieso stark gesunken sind: Erst einmal stehen andere Klimasünder am Pranger. Falls Europa, China und die USA wirklich eine Dekarbonisierung der Wirtschaft ansteuern, muss Moskau Farbe bekennen – und wäre auf Zusammenarbeit mit technisch fortgeschrittenen Ländern angewiesen. Da wird auch beim Klimaschutz der neue Kalte Krieg zum Hindernis. Je schneller er beendet wird, desto besser.
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